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04. März 2024

Made in America

Wie Trumps Handelspolitik weiter wirkt
Abbildung: Xi Jingping und Biden
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Als Joe Biden im Januar 2021 ins Weiße Haus einzog, setzte er sich zwar bewusst von seinem Vorgänger ab und erklärte, seine Regierung werde internationale Zusammenarbeit, Diplomatie und die Beziehungen mit den Verbündeten wiederbeleben. In der Handelspolitik ist es allerdings zu keiner wesentlichen Kehrtwende gekommen. Der Ton ist zwar im Vergleich zur Vorgängerregierung wieder freundlicher, inhaltlich gibt es aber manche Kontinuitäten.

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Die Handelspolitik wird auch unter dem Demokraten Biden stark von der Innenpolitik beeinflusst. Donald Trump hatte schon im Wahlkampf 2016 gegen den freien Welthandel und die Globalisierung gewettert, die in den USA zum Verlust vieler Arbeitsplätze beigetragen hätten. Im Rahmen seiner America First-Politik strebte Trump eine Stärkung der verarbeitenden Industrie und eine Reduzierung des US-Handelsdefizits insbesondere mit China an.

Deshalb führte seine Regierung ab 2018 eine Reihe von Zöllen und Einfuhrbeschränkungen ein und verprellte damit auch Verbündete.[1] So führte die US-Regierung unter dem Vorwand des „Schutzes der nationalen Sicherheit“ (Abschnitt 232 des Trade Expansion Act von 1962) Sonderzölle auf Importe von Stahl und Aluminium ein, von denen auch EU-Staaten betroffen waren.

Zusätzlich wurden Zölle auf viele Importe aus China erhoben. Die Trump-Regierung lehnte zwar neue Freihandelsabkommen ab, einigte sich aber mit Mexiko und Kanada auf eine Aktualisierung des NAFTA-Freihandelspakts. Das USA-Mexiko-Kanada-Abkommen (USMCA), das höhere Arbeits- und Umweltstandards und strengere Ursprungsregeln als NAFTA festlegt, wurde 2020 mit überparteilicher Zustimmung im Kongress verabschiedet.

Handelspolitik soll US-Industrie stärken und Arbeitsplätze sichern

Nach Bidens Amtsantritt im Januar 2021 wurde schnell deutlich, dass die neue Regierung wenig Interesse an einer grundlegenden Umkehr in der Handelspolitik hatte. Auch Biden sieht die frühere US-Handelspolitik mit niedrigen Einfuhrzöllen kritisch und strebt eine Stärkung der heimischen Industrie und die Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen an. Er geht damit auch auf die Skepsis gegenüber dem freien Welthandel ein, die in den USA im vergangenen Jahrzehnt zugenommen hat. Von dieser Stimmung hatte Trump 2016 profitiert, als er überraschend gut in den alten Industrieregionen (rust belt) abschnitt und dadurch wahlentscheidende swing states gewann.

Auch die Außen- und Sicherheitspolitik der Biden-Regierung soll sich deshalb verstärkt an den Interessen der US-Arbeitnehmer orientieren (foreign policy for the middle class). Parallel dazu soll die Handelspolitik dazu beitragen, Investitionen und Innovation in den USA zu fördern, die ökonomische Situation amerikanischer Familien zu verbessern und als unfair empfundenen Praktiken von Handelspartnern wie China entgegenzuwirken.[2] Unter dem Slogan Made in America sollen wieder vermehrt Produkte in den USA hergestellt und Lieferengpässe, wie sie während der Covid-Pandemie aufgetreten waren, möglichst verhindert werden. Zu Bidens ersten Maßnahmen nach seinem Amtsantritt zählte deshalb eine Verordnung, die Bundesbehörden dazu verpflichtet, bei Beschaffungen Produkte zu kaufen, die zu großen Teilen in den USA hergestellt wurden.[3]

Die Biden-Regierung sieht zudem in der Handelspolitik einen wichtigen Pfeiler des Agierens im geopolitischen Wettbewerb mit China. Schon Trump hatte Pekings staatlich gelenkte Industriepolitik scharf kritisiert und China unfaire Handelspraktiken vorgeworfen – Vorwürfe, die auch Biden erhebt.[4] Dazu zählt unter anderem der Vorwurf des Raubs geistigen Eigentums. Dabei werden ausländische Unternehmen, die Zugang zum chinesischen Markt erhalten wollen, unter Druck gesetzt, Kooperationen mit chinesischen Partnern einzugehen und technologisches Know-how weiterzugeben („erzwungener Technologietransfer“). Aber der Ton Washingtons gegenüber Peking ist nicht mehr so schrill.

Unter Trump war der Handelskonflikt mit China eskaliert: Auf die von seiner Regierung erhobenen Zölle auf chinesische Importe reagierte Peking mit Gegenzöllen auf US-Produkte. Ein vorläufiger Kompromiss in diesem Handelsstreit wurde Anfang 2020 erzielt, als sich China im sogenannten Phase 1 Agreement dazu verpflichtete, unfaire Handelspraktiken und Währungsmanipulationen einzustellen. Außerdem sollten binnen zwei Jahren zusätzliche Waren und Dienstleistungen aus den USA im Wert von 200 Milliarden US-Dollar bezogen werden. Allerdings: Diese Zusagen hat China nur teilweise eingehalten.[5]

US-Handelsdefizit mit China steigt wieder an

Die Biden-Regierung hat den Ansatz gegenüber Peking nicht wesentlich verändert und behielt die von Trump eingeführten Zölle vorerst bei. Es besteht allerdings weiter eine enge wirtschaftliche Verflechtung zwischen den USA und China, die zu den wichtigsten Handelspartnern des jeweils anderen zählen. Unter Biden hat das US-Defizit im Warenhandel mit China aber wieder zugenommen: Es betrug im Jahr 2022 fast 383 Milliarden US-Dollar und ist damit um über acht Prozent im Vergleich zum Vorjahr gewachsen.[6] Biden will die US-Wirtschaft nicht von der Chinas entkoppeln (decoupling). Stattdessen setzt er darauf, die Abhängigkeit von chinesischen Importen insbesondere bei systemrelevanten Produkten zu reduzieren, etwa bei Arzneimitteln (derisking).

Daneben setzt die Biden-Regierung vermehrt auf Exportkontrollen in einzelnen Sektoren, um die Ausfuhr von Hochtechnologie nach China zu begrenzen oder ganz zu verhindern. Dabei geht es um Produkte, die potenziell militärisch relevant sind, wie leistungsstarke Halbleiter, die bei der Unterstützung künstlicher Intelligenz oder von Quanteninformationstechnologien entscheidend sind, sowie um Hightechprodukte wie Maschinen zur Halbleiter-Herstellung. Außerdem hat die Regierung neue Investitionskontrollen eingeführt. US-Beteiligungen in chinesischen Technologieunternehmen, die als sicherheitsrelevant eingeschätzt werden, können nun stärker geprüft und untersagt werden.[7] Die Biden-Regierung beteuert, dass sich die Kontrollen nur auf eine geringe Zahl sensibler und sicherheitsrelevanter Technologien beziehen (Small yard, high fence-Ansatz).[8]

Die Maßnahmen Bidens, die vor allem Chinas militärische Modernisierung verlangsamen sollen, sind innenpolitisch wenig umstritten und werden auch vom Großteil der Republikaner befürwortet – denn grundsätzlich ist die Chinapolitik eines der wenigen Themen, bei denen sich Demokraten und Republikaner in vielerlei Hinsicht einig sind.[9] Zudem versucht die Biden-Regierung, bei den Ausfuhr- und Investitionskontrollen mit Alliierten und gleichgesinnten Partnern wie der EU zusammenzuarbeiten und diese davon zu überzeugen, einen ähnlichen Ansatz wie die USA zu verfolgen.[10]

Enge Verknüpfung von Handels- und Industriepolitik

Bidens Handelspolitik ist eng mit seiner Industriepolitik verknüpft, die die US-Wirtschaft stärken, deren grüne Transformation vorantreiben, Investitionen fördern und die Infrastruktur modernisieren soll. Diese Neuausrichtung fußt auf mehreren umfassenden Gesetzen, die der Kongress in Bidens ersten beiden Amtsjahren verabschiedet hat.

Dazu zählen insbesondere:

  • der Infrastructure Investment and Jobs Act (2021), der Subventionen für die Infrastruktur bereitstellt;
  • der Chips and Science Act (2022), der Forschung und Entwicklung sowie den Aufbau von Produktionskapazitäten im Hochtechnologiesektor (darunter Halbleiter, Robotik, künstliche Intelligenz und Quantencomputer) fördert;
  • und der Inflation Reduction Act (IRA, 2022), der über 300 Milliarden US-Dollar an Darlehen, Zuschüssen und Steuerbegünstigungen für den Ausbau erneuerbarer Energien und die Produktion von Elektrofahrzeugen bereitstellt, aber auch sozialpolitische Maßnahmen beinhaltet.

Vom Ausbau klimaneutraler Technologien und Industrien, vom Wirtschaftswachstum und neuen Arbeitsplätzen sollen auch besonders strukturschwache Regionen profitieren, die sich lange als Verlierer der früheren US-Handelspolitik und Globalisierung sahen. Häufig werden durch die IRA-Fördergelder Staaten unterstützt, in denen die Republikaner traditionell politisch stark sind: So ist zum Beispiel ein Großteil der bisher bewilligten Mittel aus dem IRA und dem Chips and Science Act in größere Investitionen im Bereich der erneuerbaren Energien und der Halbleiterproduktion in Wahlbezirke geflossen, die im US-Repräsentantenhaus von republikanischen Abgeordneten vertreten werden.[11] Das macht es unwahrscheinlicher, dass die Republikaner die IRA-Maßnahmen zurücknehmen, wenn sie künftig im Kongress die politischen Möglichkeiten dazu hätten.

Bidens neuer Ansatz in der Industriepolitik und die Maßnahmen des IRA werden von einigen internationalen Partnern als Protektionismus kritisiert, der nicht mit den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) vereinbar sei. Zwar können auch ausländische Unternehmen von den Steuergutschriften des IRA profitieren, solange die Elektro-Fahrzeuge und Batteriekomponenten mehrheitlich in Nordamerika produziert und montiert werden. Importe von Modellen aus Ländern ohne Freihandelsabkommen mit den USA, darunter die EU-Staaten, werden dagegen benachteiligt. Die US-Regierung und die EU versuchen im Rahmen des Handels- und Technologierats (TTC), der 2021 eingerichtet wurde, zu dieser Streitfrage einen Kompromiss zu finden. Auch der Streit um die unter Trump eingeführten Zölle auf Stahl- und Aluminiumprodukte ist noch nicht vollständig gelöst: Die Biden-Regierung hat die Zölle nicht aufgehoben, sie aber für eine festgelegte Quote von Importen aus der EU und Großbritannien bis Ende 2025 ausgesetzt.

Denn anders als unter Trump richten sich die Zölle vor allem gegen China: Die Biden-Regierung wirft Peking vor, durch Subventionen seiner Industrie und staatlichen Unternehmen zum weltweiten Überangebot an Stahl beizutragen. Die Biden-Regierung möchte deshalb die Zölle so lange beibehalten, bis zwischen den großen stahlproduzierenden Nationen eine Einigung erzielt wurde, die auch die umweltfreundlichere Produktion von Stahl fördert (Global Arrangement on Sustainable Steel and Aluminum).

Kaum Interesse an Stärkung der Welthandelsorganisation

Kontinuität zeigt Biden auch in seiner WTO-Politik. Die USA werfen China seit langem vor, sich nicht an die Regeln der Welthandelsorganisation zu halten. Zudem haben sie nur wenig Vertrauen, dass die WTO die bestehenden Handelsstreitigkeiten mit China lösen kann. Die Biden-Regierung spricht sich zwar grundsätzlich für eine Reform der WTO aus, hat aber bisher wenig Initiative gezeigt, das Streitbeilegungssystem, das die USA durch ihr Veto bei der Neubesetzung von Richtern im WTO-Berufungsgremium blockiert haben, wieder funktionsfähig zu machen. Gleichzeitig haben die USA selbst durch die jüngsten Gesetze eine Vielzahl von Subventionen eingeführt, deren Vereinbarkeit mit WTO-Regeln zumindest fraglich sind.

Daneben scheinen neue umfassende Handelsabkommen unter der Biden-Regierung unwahrscheinlich, auch wenn sich die US-Regierung an neuen Handelsinitiativen mit mittel- und südamerikanischen Staaten und dem indo-pazifischen Raum beteiligt. Denn einerseits hat Biden angekündigt, keine neuen Handelsabkommen abschließen zu wollen, bevor nicht die umfangreichen Investitionen in die US-Wirtschaft abgeschlossen sind, andererseits wäre die Ratifizierung neuer Abkommen im Kongress schwierig. Entsprechend ist auch nicht mit einem Handels- und Investitionsabkommen zwischen den USA und der EU (TTIP), wie es vor zehn Jahren verhandelt wurde, zu rechnen.

Bibliografische Angaben

Tolksdorf, Dominik. “Made in America.” March 2024.

Dieser Beitrag wurde zuerst von der Bundeszentrale für Politische Bildung (bpb) am 01.02.2024 veröffentlicht.

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