Präsident Rohani hat in seiner Rede vor der Generalversammlung und in mehreren Interviews mit US-Medien Friedensbekundungen gegenüber den USA geäußert und Nuklearwaffen abgeschworen. Was spricht für die Ernsthaftigkeit seines Vorstoßes?
Rohanis Rede wie auch seine Interviews sind Fortsetzung eines Politikwechsels, der zurzeit im Iran stattfindet. Dieser Wechsel begann mit der Wahl Rohanis zum Präsidenten im Mai und konkretisierte sich dann in der Bildung einer neuen Regierung und in der Auswahl neuen außenpolitischen Personals. Rohani ist es gelungen, den langjährigen Ständigen Vertreter des Iran bei den Vereinten Nationen, Mohammed Dschawad Sarif, als Außenminister, sowie den bisherigen Außenminister als Chef der iranischen Atombehörde durchzusetzen. Beide setzen sich dafür ein, Verhandlungen mit den USA aufzunehmen.
In der iranischen Bevölkerung ist in den vergangenen Jahren die Unzufriedenheit mit der Regierung gewachsen, es gab Proteste – und dann die Wahl des neuen Präsidenten, die klar den Willen zu einem politischen Wechsel zum Ausdruck brachte. Die Gesellschaft und die politisch aufgeschlosseneren Kreise des Regimes streben schon seit längerem eine Rückkehr ihres Landes in die internationale Gemeinschaft und ein besseres Verhältnis zum Westen an.
Der iranischen Führung wurde in den vergangenen Jahren immer mehr bewusst, dass sie politisch in eine Sackgasse geraten ist. 2009 hatte sich der geistliche Führer, Ajatollah Sayyid Ali Khamenei, noch auf die Seite des damaligen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad geschlagen. Den Widerstand der Bevölkerung gegen den Präsidenten hat er dabei unterschätzt. Nach und nach wurde auch offenbar, wie desaströs Ahmadinedschads Wirtschaftspolitik war. Schließlich kam es noch zu einem persönlichen Zerwürfnis zwischen Religionsführer und Präsident. Hassan Rohani verkörpert jetzt einen Neuanfang. Er ist nicht nur ein Hoffnungsträger für die Mehrheit der Iraner, er ist auch Garant für die Legitimität des politischen Systems.
Hat Rohani genug innenpolitischen Handlungsspielraum?
Anders als der frühere Reformpräsident Mohammad Chatami, der ein Außenseiter war, ist Rohani ein Mann des Systems. Er hat bereits zahlreiche offizielle Funktionen ausgeübt, gehörte dem Schlichtungsrat und dem Expertenrat an, war zweimal stellvertretender Parlamentspräsident, viele Jahre Leiter des Nationalen Sicherheitsrats, und leitete seit 1992 den Teheraner Think-Tank Center for Strategic Research – kurz: Rohani stammt aus dem inneren Führungskreis. Daher genießt er das Vertrauen des Religionsführers. Seine Position wird zudem durch seinen überragenden Wahlsieg untermauert.
Bei der Ernennung seiner Minister im Parlament ist Rohani kaum auf Widerstand gestoßen, sämtliche Schlüsselpositionen konnte er wunschgemäß besetzen. Er hat es verstanden, in seiner Regierung die unterschiedlichen politischen Strömungen des Landes abzubilden. Selbst auf dem sensiblen Gebiet der inneren Sicherheit wird ihm ein gewisser Spielraum gewährt. So konnte er jüngst die Freilassung von 80 politischen Häftlingen durchsetzen. In einem Interview mit dem US-Sender CNN hat er unterstrichen, dass er der iranischen Bevölkerung mehr politische Freiheiten gewähren will.
Gestützt auf das Vertrauen des Revolutionsführers und den Rückhalt in der Bevölkerung, hat er gute Voraussetzungen für einen Neuanfang in der Außenpolitik und vorsichtige Reformen im Inland. Allerdings darf er den Bogen nicht überspannen. So ist es als ein Zugeständnis an die konservativen Kräfte zu werten, dass er es vermieden hat, in New York mit US-Präsident Obama zusammenzutreffen; dafür haben beide nun telefoniert.
Rohanis Widersacher werfen ihm vor, in New York lediglich leere Worte verbreitet zu haben. Was muss Teheran nun tun, um seine Kritiker zu widerlegen?
Rohanis Charme-Offensive ist nicht nur schöner Schein. Sie diente der Widerlegung gewisser Stereotypen, die durch das Auftreten seines Vorgängers in der internationalen Öffentlichkeit das Image des Iran beschädigt hatten. Er hat versucht, durch seine Worte Vertrauen zu schaffen. Dies ist ihm gelungen. Man nimmt ihm im Westen ab, dass der Iran es ernst meint mit ergebnisorientierten Verhandlungen. Damit hat er den Ausgangspunkt geschaffen für neue Verhandlungen über die Nuklearfrage, einem wesentlichen Streitpunkt zwischen Teheran und Washington. Sein Außenminister Mohammed Dschawad Sarif vereinbarte in New York mit den Außenministern der E3+3-Staaten (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, USA, Russland, China), die Nuklearverhandlungen am 15. Oktober in Genf wiederzubeleben.
Die Iraner haben dafür einen ambitionierten Zeitplan vorgeschlagen – ein Beleg dafür, wie ernst sie es meinen. Wenn es Fortschritte gibt, werden die USA und Iran zu gegebener Zeit bilateral auch die anderen Streitfragen zwischen beiden Ländern angehen – in 35 Jahren ohne direkte Kontakte hat sich eine Fülle von Problemen angesammelt.
Warum sollten die Nuklearverhandlungen gerade jetzt zum Erfolg führen?
Die Chancen stehen besser als je zuvor, da sowohl auf Seiten der USA als auch seitens des Iran die Bereitschaft gewachsen ist, dem Partner Vertrauen entgegenzubringen. Das heißt nicht, dass die Verhandlungen einfach werden. Keine Seite wird ihre Maximalforderungen durchsetzen können: weder einen vollständigen Stopp der Urananreicherung noch eine sofortige Aufhebung aller Sanktionen. Der wesentliche Punkt für den Westen ist: Man will vom Iran Garantien, dass es zu keiner militärischen Nutzung des nuklearen Materials kommt.
Vordringlichste Forderung der E3+3 ist, dass die Urananreicherung nicht über die kritische Höhe von dreieinhalb bis fünf Prozent steigt. Das heißt, dass für den Forschungsreaktor in Teheran, für den angereichertes Material von 20 Prozent verwendet wird, eine Lösung gefunden werden muss. Es muss sichergestellt werden, dass kein hochangereichertes Material produziert wird, aus dem sich dann Massenvernichtungswaffen herstellen lassen. Eine Möglichkeit wäre, dass Iran das gewonnene Material unmittelbar nach seiner Herstellung sofort zu Brennstäben verarbeitet, eine andere, es zu exportieren. Auch der Schwerwasserreaktor in Arak, der der Plutoniumgewinnung dienen soll, steht zur Debatte.
Zu den Forderungen der E3+3 gehört außerdem, dass der Iran das Zusatzprotokoll zum Nuklearen Nichtverbreitungsvertrag ratifiziert und anwendet. Teheran hatte die darin enthaltene Regelung zwischen 2003 und 2005 bereits freiwillig praktiziert und kurzfristig angekündigte Kontrollen der Internationalen Atomenergiebehörde zugelassen – die Zusammenarbeit aber wieder abgebrochen, als es 2005 zu keiner Einigung kam. Eine schwierige, aber wichtige Aufgabe für die Unterhändler wird darin bestehen, die jeweiligen Zugeständnisse der Gegenseite entsprechend zu honorieren. Mit Druck allein ist kein Ergebnis zu erzielen.
Welche Rolle spielt die Syrien-Frage bei der iranisch-amerikanischen Annäherung?
Iran hat Syrien ins Spiel gebracht. Präsident Rohani hat den Einsatz von Giftgas bei Damaskus mehrmals verurteilt und darauf hingewiesen, dass sein Land um dessen verheerende Wirkung wisse, da es im ersten Golfkrieg selbst Opfer von Gasangriffen geworden sei. Iran hat sich daher auch voll hinter das russisch-amerikanische Abkommen zur Zerstörung der syrischen Chemiewaffen gestellt. Teheran hat zudem angeboten, im syrischen Bürgerkrieg als Vermittler aufzutreten. Bislang weigern sich jedoch die USA, dem Land eine Mitwirkungsrolle bei den Verhandlungen in Genf zuzugestehen. Die Iraner argumentieren nun damit, dass Teheran und Washington gleichermaßen Interesse daran hätten, dass sunnitische extremistische Kräfte in Syrien nicht die Oberhand gewinnen.
Zunächst muss die iranische Regierung allerdings klären, wie sie mit dem Assad-Regime und der syrischen Opposition umgehen soll. Rohani hat in einem Interview geschickt unterschieden zwischen der Opposition und terroristischen Kämpfern. Vielleicht eröffnet das eine Möglichkeit, mit der Opposition ins Gespräch zu kommen – falls es dieser überhaupt gelingt, sich zu einigen. Eine Vielzahl bislang als moderat geltender Kräfte ist jüngst zu den radikalen sunnitischen Kämpfern übergelaufen. Iran versucht, sich in eine Lösung des Syrien-Konflikts einzubringen – und darüber mit den USA eine Verständigung zu erzielen. Nicht nur in den USA, sondern vor allem in Saudi-Arabien und in der syrischen Opposition wird man sich aber schwer tun, Iran in die Verhandlungen über den syrischen Bürgerkrieg einzubeziehen.
Paul Freiherr von Maltzahn ist Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Von 2003 bis 2006 war er deutscher Botschafter im Iran.
Die DGAP trägt mit wissenschaftlichen Untersuchungen und Veröffentlichungen zur Bewertung und Diskussion internationaler Entwicklungen bei. Die in den Veröffentlichungen geäußerten Meinungen sind die der Autoren.