Bei der Amtsenthebung eines Präsidenten geht es um „schwere Verbrechen und Amtsvergehen“. Auch US-Präsident Donald Trump dürfte ernsthaft Probleme bekommen, wenn ihm nachgewiesen werden könnte, dass er sein Amt missbraucht hat , um einen politischen Rivalen und nicht zuletzt auch die Befugnisse des Kongresses auszuschalten.
Mit der Gewaltenkontrolle zwischen dem Präsidenten und der Legislative wäre auch die nationale Sicherheit der USA in Gefahr. Denn der Kongress hat im Sinne nationaler Sicherheitsinteressen Militärhilfe für die Ukraine bewilligt. Hat Donald Trump diese Hilfe zurückgehalten, um den ukrainischen Präsidenten unter Druck zu setzen, damit dieser Ermittlungen gegen Joe Bidens Sohn führen sollte – dann würde es brenzlich für Trump.
Die amerikanische Wahrnehmung der Bedrohung durch Russland hat bereits dafür gesorgt, dass selbst Trumps Parteifreunde ihren Präsidenten bei den Russland-Sanktionen an die Kandare genommen haben und sogar sein mögliches Veto überstimmt hätten.
Das Abgeordnetenhaus könnte bereits mit einer einfachen Mehrheit der Demokraten ein Amtsenthebungsverfahren eröffnen. Im zweiten Schritt müssten dann aber zwei Drittel des hundertköpfigen Senats die Amtsenthebung beschließen. Das ist derzeit nicht absehbar. Es sei denn, es kommt noch weiteres belastendes Material ans Tageslicht.
Es ist schwer vorstellbar, dass Trump im Falle einer drohenden Amtsenthebung einfach so mit dem Hubschrauber entschweben würde wie seinerzeit Richard Nixon. Er spricht ja gerne von einer „Hexenjagd“ gegen ihn und strickt schon seit Längerem an der Legende, der sogenannte ‚Staat im Staate‘ – das ist ein Code für die Geheimdienste – wolle ihn loswerden. Seine treuesten Anhänger drohen bereits offen damit, einen Bürgerkrieg anzuzetteln. Die würde er wohl auf die Barrikaden schicken.
Des Weiteren sollte nicht vergessen werden, dass Donald Trump gewählt wurde, obwohl er – oder noch schlimmer: weil er – die Regeln menschlichen Anstands und demokratischer Prinzipien missachtete. Mit ihm entschieden sich seine Wählerinnen und Wähler gegen die etablierte Politik: gegen das politische Establishment in Washington, gegen die Rolle als globale Ordnungsmacht und gegen das freiheitliche Amerika, das vielen Menschen weltweit Vorbild und Orientierung war.
So wünschenswert ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump vor allem für liberale Demokraten in den USA wäre, ein solches Verfahren bringt hohe Risiken mit sich. Deshalb ist für Nancy Pelosi, die Sprecherin des Abgeordnetenhauses, die Entscheidung nicht einfach: Zum einen fordern vor allem auch viele ihrer jüngeren Rivalinnen schon seit Längerem ein Impeachment gegen den Präsidenten.
Zum anderen könnte ein Amtsenthebungsverfahren sogar Trump bei seiner möglichen Wiederwahl in die Karten spielen. Er würde einmal mehr den Volkstribun geben, der gegen das „Establishment“ und den „Staat im Staate“ kämpft. Dabei könnte es ihm auch gelingen, dass der Wahlkampf um seine mögliche Wiederwahl kein Referendum über ihn und seine bisherigen Leistungen wird. sondern dass es – ganz im Sinne Trumps – vor allem um seinen bislang stärksten Herausforderer Biden geht.
Schließlich wäre eine Zuspitzung der inneren Konflikte auch gefährlich für die internationalen Beziehungen. Amerika wäre noch mehr mit sich selbst beschäftigt, während China und Russland die Welt nach ihren geopolitischen und -ökonomischen Interessen ordnen.
Um seiner Amtsenthebung zu entgehen, könnte der US-Präsident möglicherweise auch einen Krieg vom Zaun brechen, um dafür zu sorgen, dass sich seine patriotischen Landsleute stärker hinter ihren Präsidenten und Oberbefehlshaber scharen.
Ein äußerer Feind hat in der amerikanischen Geschichte schon des Öfteren geholfen, den inneren Zusammenhalt der Nation wiederherzustellen. Es wäre eine weitere Ironie der amerikanischen Geschichte, wenn ausgerechnet jene Hoffnungsträger vieler westlich orientierter Beobachter zum Treiber einer Dynamik würden, die Trump stärkt und einen noch aggressiveren innen- wie außenpolitischen Kurs bewirkt.