Die Globalisierung hat durch den Anstieg von Handels-, Finanz- und Investitionsströmen zu einer engen Vernetzung der Weltwirtschaft geführt. Dies hat für steigenden Wohlstand gesorgt, macht die Weltwirtschaft aber auch anfälliger für systemische Risiken.
Die neue „America First“-Handelspolitik von US-Präsident Donald Trump, der die amerikanische Marktmacht zur Durchsetzung nationaler Interessen nutzt, war bereits ein erstes Anzeichen, dass die globale Arbeitsteilung auch negative Folgen haben kann. Die gegenseitigen Abhängigkeiten führen bei äußeren Krisen zu steigender Verwundbarkeit. Die Corona-Pandemie zeigt erneut die Schwächen der globalen Vernetzung auf. Sie hat auf verschiedenen Ebenen negative Auswirkungen für die Weltwirtschaft:
1. Zunächst hat der Ausbruch von Covid-19 gravierende Folgen für die chinesische Wirtschaft. Die Epidemie kommt für China zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt: China leidet immer noch unter den Folgen des Handelskriegs mit den USA und die Epidemie verschärft die Wirtschaftskrise weiter. Während des Treffens der G20-Finanzminister und Notenbankchefs im Februar in Riad senkte der Internationale Währungsfonds (IWF) seinen Ausblick für China auf 5,6 Prozent. Im Vergleich zu der Vorhersage von Januar 2020 stellt dies einen Rückgang von 0,4 Prozentpunkten dar. Es ist das niedrigste Wirtschaftswachstum für China seit 1990.
2. Die Folgen gehen jedoch über China hinaus. China steht im Zentrum der Weltwirtschaft, es macht fast ein Fünftel des globalen Outputs aus, ist der weltweit größte Importeur von Waren und hat eine zentrale Rolle in den globalen Lieferketten durch die Produktion von Zwischenprodukten, zum Beispiel bei Computern, Elektronik oder pharmazeutischen Produkten. Aus diesem Grund sind zunehmend auch weitere Staaten von dem Rückgang der chinesischen Wirtschaftsaktivitäten betroffen. UNCTAD (Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung) sagte Anfang März voraus, dass der Produktionsrückgang in China durch das Coronavirus zu einem Rückgang der Exporte in Höhe von 50 Milliarden Dollar entlang der globalen Lieferketten führen könnte.
Japan, Südkorea und Australien, die eng mit der chinesischen Wirtschaft vernetzt sind, spüren bereits jetzt den wirtschaftlichen Druck. Zeitlich versetzt wird dies auch Deutschland und die EU-Staaten betreffen. UNCTAD schätzt, dass die EU einen Ausfall an Exporten in Höhe von 15,6 Milliarden Dollar verkraften muss.
Weitere negative externe Effekte für Länder außerhalb Chinas entstehen auch durch die sinkenden Ausgaben chinesischer Touristen im Ausland, die in etwa 260 Milliarden Dollar jährlich betragen.
3. Durch die Ausbreitung der Epidemie in Europa und Nordamerika kommt es zusätzlich auch zu einem Problem für die jeweiligen nationalen Wirtschaftsaktivitäten, unabhängig von der Situation in China. Dies kommt erschwerend zu den bereits bestehenden Störungen in den Lieferketten hinzu. Aus diesem Grund hat die Bundesregierung Anfang März ein umfangreiches Hilfspaket beschlossen, um die wirtschaftlichen Schäden für deutsche Unternehmen abzumildern. Die Maßnahmen beinalten unter anderem einen erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld sowie ein Investitionspaket.
Das große Problem für die Weltwirtschaft ist die Unsicherheit. Es wird definitiv zu Wachstumseinbußen in China, den USA und Europa/Deutschland kommen. Die Frage ist nur, ob es sich um einen vorübergehenden Einbruch handelt oder ob es zu einer globalen Rezession kommen wird. Im Februar 2020 auf dem G20-Finanzministertreffen betonte der IWF, dass die Unsicherheiten „zu groß sind, um verlässliche Vorhersagen zu treffen“ und dass zahlreiche Szenarien möglich sind. Zurzeit geht der IWF immer noch davon aus, dass eine weltweite Rezession nicht das wahrscheinliche Szenario ist. IWF-Direktorin Kristalina Georgieva betonte lediglich, dass unter allen möglichen Szenarien das globale Wachstum 2020 niedriger sein werde als im vergangenen Jahr. Es sei jedoch schwierig vorherzusagen, wie weit das Wachstum sinken werde und wie lange es anhalten werde.
Die OECD wird etwas genauer. Nach ihren Aussagen wird das Wachstum der Weltwirtschaft durch den Coronavirus-Ausbruch um einen halben Prozentpunkt auf 2,4 Prozent sinken. Dieses Szenario schließt mit ein, dass die Epidemie im ersten Quartal 2020 ihren Höhepunkt erreicht und dass der Ausbruch in anderen Ländern „mild und begrenzt“ bleibt. Im schlechtesten Fall könnte das Wachstum der Weltwirtschaft 2020 auf 1,5 Prozent sinken, wenn der Ausbruch länger anhält und sich weiterverbreitet. Dies könnte auch Länder wie Japan und die Eurozone in eine Rezession bringen.
Die G7 muss handeln und ihr Krisenmanagement ausweiten
Sich weltweit ausbreitende Phänomene wie Pandemien machen deutlich, dass einzelne Nationalstaaten nicht mehr in der Lage sind, globale Risiken erfolgreich zu bekämpfen und einzudämmen. Internationale Koordinierung ist wichtiger denn je, und das in einer Zeit, in der die Unterstützung für internationalen Organisationen wie IWF oder auch WHO abnimmt und Staaten wie die USA zunehmend auf Alleingänge setzen. Wie sehen die weltweiten Reaktionen aus?
Der IWF hat bereits in einer gemeinsamen Erklärung mit der Weltbank Anfang März betont, dass beide Organisationen Notfallfinanzierung, Politikberatung und technische Hilfe zur Verfügung stellen werden. Gemeinsam wollen sie vor allem ärmere Länder unterstützen. Der IWF hat bereits 50 Milliarden Dollar als Notfallfinanzierung für Länder beiseitegelegt, die vom Coronavirus betroffen sind.
In den USA senkte die Federal Reserve Bank (Fed) infolge der Corona-Epidemie Anfang März überraschend ihren Leitzins um 0,5 Prozentpunkte. Dies ist das erste Mal seit der Finanzkrise im Oktober 2008, dass die Fed den Leitzins außerhalb ihrer normalen Sitzungen senkt. Sie begründet diese Tatsache mit den „sich entwickelnden Risiken für die Wirtschaftsaktivitäten“ infolge des Coronavirus-Ausbruchs. Diese drastische Zinsentscheidung ist ein mutiger Schritt, die Aktienmärkte bleiben jedoch verunsichert.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat sich dagegen entschieden, in einer gemeinsamen Aktion mit der Fed den Leitzins zu senken. Sie betonte auf ihrer offiziellen Sitzung Mitte März, dass sie zusätzlich bis zum Ende des Jahres 120 Milliarden Euro für Wertpapierkäufe ausgeben wolle. Auch sollen günstige langfristige Kredite an Banken vergeben werden, um betroffene Unternehmen und Sektoren zu stützen. Der Leitzins blieb jedoch unverändert.
Auch die G7, die in der Finanzkrise entscheidende erste Schritte zur Beruhigung der Finanzmärkte unternommen hatten, nahm sich des Themas an. Sie versprach in einer gemeinsamen Telefonkonferenz, die Folgen der Epidemie auf die Weltwirtschaft und die Finanzmärkte genau zu beobachten und notfalls mit allen (auch fiskalischen) Mitteln einzugreifen, um die Abwärtsrisiken abzufedern. Zum jetzigen Zeitpunkt wurden jedoch keine gemeinsamen Maßnahmen beschlossen.
Das ist jedoch nicht ausreichend. Die Unsicherheit steigt auf den Weltmärkten, Börsen stürzen ab und die Angst vor einer globalen Rezession geht um. Wie in der Finanzkrise 2008/2009 ist es daher unerlässlich, durch gemeinsame Aktionen Vertrauen herzustellen. Die G7 sollte sich daher so schnell wie möglich in einer abgestimmten Aktion auf Stimuluspakete einigen, um gezielt Unternehmen zu stützen und Wirtschaftsbereiche zu fördern. Nur so kann Vertrauen wiederhergestellt werden.