Ukraine im Fall Timoschenko kompromissbereit

Viktor Janukowitsch bei Spitzentreffen des Berthold-Beitz-Zentrums in Kiew

Datum
17 - 18 Mai 2012
Uhrzeit
-
Ort der Veranstaltung
Kiew, Deutschland
Einladungstyp
Nur für geladene Gäste

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Bei einem Spitzentreffen von Vertretern der Politik und Wirtschaft aus der Ukraine und EU-Ländern in Kiew am 17. und 18. Mai kündigte die ukrainische Führung an, amerikanischen und europäischen Juristen Einsicht in alle Akten des Falles Timoschenko zu gewähren.

Damit reagierte die ukrainische Regierung auf das faktische Ultimatum der EU. Entweder wird Timoschenko aus der Haft entlassen und bekommt die Erlaubnis, sich beispielsweise in Deutschland behandeln zu lassen, oder die gesamte politische EU-Führung wird die für das Image der Ukraine so wichtige Fußball-EM boykottieren. Längst war der Westen zu der Überzeugung gelangt, dass die Oppositionspolitikerin politisch verfolgt würde und die derzeitigen Machthaber eine politische Konkurrentin aus dem Weg räumen wollten.

Gespräche auf höchster Ebene

Kiew wehrt sich vehement gegen den Vorwurf des Westens, die ukrainische Justiz sei politisch gelenkt. Sowohl Staatspräsident Viktor Janukowitsch als auch Regierungschef Nikolai Azarow versicherten der Gruppe deutscher, französischer und EU-Parlamentsabgeordneter und Experten, die einer Einladung des Berthold-Beitz-Zentrums nach Kiew gefolgt waren, dass der Konflikt um Oppositionsführerin Timoschenko noch vor oder während der Fußball-Europameisterschaft ausgeräumt werden müsse.

Janukowitsch und Azarow versicherten, Gespräche über eine Deeskalation des Konflikts würden auf höchster Ebene mit dem EU-Parlament geführt. Die ukrainische Seite möchte der EU handfeste Beweise für die Schuld von Timoschenko vorlegen. Sollten aber westliche Juristen feststellen, dass während des Gerichtsprozesses ernsthafte Verfahrensfehler begangen wurden, müsse Kiew den Fall überprüfen.

Berechtigte Kritik

Das Treffen mit der ukrainischen Führung fand im Rahmen der zweiten Sitzung des internationalen Klubs statt, den das Berthold-Beitz-Zentrum der DGAP im vergangenen Jahr gegründet hatte. Die deutsche Seite wurde vertreten durch die Bundestagsabgeordneten Karl-Georg Wellmann (CDU) und Hans-Ulrich Klose (SPD) sowie Rainer Lindner (Ost-Ausschuss) und Ex-BND Präsident August Hanning. Die Gesprächsführung hatte Alexander Rahr, Leiter des Berthold-Beitz-Zentrums der DGAP.

Die Teilnehmer der Sitzung waren sich einig, dass trotz der berechtigten Kritik des Westens neben einer wertegeleiteten Außenpolitik auch ein realpolitischer Ansatz zum Tragen kommen müsse. Unter anderem sprach der ukrainische Energieminister Juri Boiko über die Gründung eines ukrainisch-russisch-europäischen Gaskonsortiums, das die Energieversorgung der EU absichern würde. Janukowitsch unterstrich, dass er eine deutsche Führungsrolle beim Aufbau eines solchen Konsortiums begrüße.

Integration mit Brüssel und Eurasischer Union

Ukrainische Experten betonten bei dem Treffen, es gehe heute nicht mehr um Integration entweder mit der EU oder mit der Eurasischen Union. Vielmehr strebe die Ukraine eine Assoziierung sowohl mit Brüssel als auch mit den Staaten der Eurasischen Union an. Schon im Sommer würden dahingehend wichtige Weichen gestellt. Regierungschef Azarow sicherte dem Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft eine erneute Überprüfung der Gesetzeslage über ausländische Investitionen in der Ukraine zu.

Der Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates Andrij Kljuew sagte, die Ukraine sei jederzeit bereit, das Assoziierungsabkommen mit der EU zum Abschluss zu bringen. Zu den entschiedenen Befürwortern dieses Vertrages gehört Polen, das gemeinsam mit der Ukraine die EM 2012 ausrichtet. Warschau sei das Schicksal von Timoschenko zwar wichtig, doch solle der Westen nicht riskieren, wegen dieses Konflikts die Ukraine wieder an Moskau zu verlieren.

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