Sitzung des Gesprächskreise Polen
Über 70 Teilnehmer nahmen an der Hintergrundveranstaltung teil, in der auch führende polnische Medienvertreter sowie deutsch-polnische Wissenschaftler Einschätzungen zur politischen Lage gaben. Kritisch diskutiert wurde dabei besonders, über wieviel Handlungsspielraum Morawiecki verfügt und wie umfassend seine Regierung den bisherigen Kurs tatsächlich ändern wird.
Der Premier hatte bereits in seiner Antrittsrede betont, die bisherige polnische Innen- und Europapolitik und insbesondere die von der PiS propagierte „Politik des guten Wandels“ (Dobra Zmiana) kontinuierlich fortsetzen zu wollen. Zugleich wird Morawieckis Ernennung aber als ein Signal für eine Öffnung des Dialogs mit Europa und Deutschland gesehen. Ihm werden aus seiner Zeit als Wirtschafts- und Finanzminister gute Kontakte zu europäischen Spitzenpolitikern, darunter Wolfgang Schäuble, zugeschrieben. Morawieckis Aufgabe sei dementsprechend auch, die Kommunikation mit dem Ausland wieder zu verbessern, so die Gesprächsteilnehmer.
Betont wurde im Austausch, dass sich die PiS in Polen weiter großer Zustimmung in der Bevölkerung erfreue. Dies liege neben verschiedenen sozialen Reformen wie dem Kindergeld 500+ auch an der Schwäche der Opposition. Unterschätzt werde in der internationalen Wahrnehmung vielfach, dass die Unterstützung der PiS in Polen auch getragen sei von dem Wunsch vieler Polen, Versäumnisse aus der Transformationszeit zu korrigieren. Insbesondere unter den Richtern habe es zu wenig Aufarbeitung gegeben; hier werde die Kontinuität zur kommunistischen Zeit als problematisch angesehen. Für große Teile der polnischen Bevölkerung sei die Justizreform abstrakt und ohne spürbare Auswirkungen auf die eigene Lebenswelt geblieben.
Die Ernennung Morawieckis und insbesondere die Absetzung von polarisierenden Politikern wie Verteidigungsminister Antoni Macierewicz sei nun auch innenpolitisch ein klares Zeichen, dass die Regierung auch die gemäßigten Wähler der Mitte erreichen wolle. Dennoch sei kaum damit zu rechnen, dass es unter seiner Regierung auch signifikante Änderungen an der, von der EU stark kritisierten Justizreform geben werde. Europäische Gerichte müssten am Ende prüfen, inwieweit kleinere Anpassungen an das europäische Rechtsgefüge erfolgen könnten, so erklärte die polnische Regierung zuletzt.
Der überraschend progressive Regierungsumbau zeige besonders das oft unterschätzte, aber taktisch geschickte Vorgehen des PiS-Vorsitzenden Jarosław Kaczyński, der weiterhin die entscheidende politische Figur in Polen sei. Er bleibe in seiner Partei aufgrund der Wahlerfolge 2015 und auch seines charismatisch empfundenen Auftretens unantastbar.
Die Expertenrunde begrüßte, dass mit der Regierungsumbildung Bewegung in die zuletzt erstarrten Beziehungen Polens zu Deutschland und der EU gekommen sei. Ein polnischer Austritt aus der EU werde damit noch weniger wahrscheinlich. Auch nach Morawieckis Ernennung und seiner Regierungsumbildung blieben jedoch viele dringenden Fragen in den deutsch-polnischen Beziehungen weiter offen: Dazu gehörten u.a. die Flüchtlingspolitik, energiepolitische Großprojekte wie Nord Stream 2 und auch die Debatte über die Zukunft der EU. Ziel beider Länder solle sein, sich gegenseitig besser zu verstehen und zu ergänzen, aber nicht zu blockieren, so die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Gesprächskreises.
Der Gesprächskreis Polen ist ein Kooperationsprojekt des Robert Bosch-Zentrums der DGAP und der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit (SdpZ). Den Vorsitz hat Markus Meckel, ehemaliger MdB (1990-2009) und Vorsitzender der Deutsch-Polnischen Parlamentariergruppe (1994-2009) inne.