Kontrollierter Machtabbau in Russland

Soziologin Olga Kryschtanowskaja analysiert Duma-Wahl

Datum
05 Dezember 2011
Uhrzeit
-
Ort der Veranstaltung
DGAP, Deutschland
Einladungstyp
Nur für geladene Gäste

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„Erstmals beteiligte sich die russische Zivilgesellschaft in hohem Maße an den Wahlen, weil sie mehr Demokratie fordert und genug von Betrügereien hat“, so Kryschtanowskaja. Dieses politische Engagement ‚von unten‘ sei für die Regierungspartei überraschend gewesen, auch wenn sie bereits mit Verlusten gerechnet habe. Zudem habe das Internet im Wahlkampf an Bedeutung gewonnen.

Die Stimmengewinne der oppositionellen Parteien im Vergleich zu den vorigen Wahlen sind laut der Expertin nicht zuletzt auf eine bewusste Entscheidung der Regierung zurückzuführen. Diese habe sich zu einer teilweisen ‚Machtabgabe‘ entschlossen, um ihre Machtfülle, immerhin noch die einfache Mehrheit in der Duma, demokratisch zu legitimieren. Allerdings dürfe man auch nicht vergessen, dass einigen liberalen Parteien die Registrierung und damit die Teilnahme an den Parlamentswahlen verweigert worden war.

Bei den russischen Parlamentswahlen am 4. Dezember 2011 erhielt die Regierungspartei „Einiges Russland“ weniger als 50 Prozent der abgegebenen Stimmen, wurde aber trotzdem klarer Wahlsieger. Zweitstärkste Kraft wurde mit 19,5 Prozent die Kommunistische Partei, gefolgt von der Partei „Gerechtes Russland“ mit knapp 14 Prozent und der Liberaldemokratischen Partei Russlands (LDPR) mit elf  Prozent. Die liberale Oppositionspartei „Jabloko“ konnte nur 3,2 Prozent der Stimme für sich gewinnen und scheiterte damit an der Sieben-Prozent-Hürde. Die Wahlbeteiligung lag – wie vor vier Jahren – bei 60 Prozent.

Rainer Lindner, Geschäftsführer des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft, konstatierte eine „politische Erschöpfung“ in Russland. Man habe 20 Jahre schwierigster wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Transformation hinter sich. Jetzt entstehe jedoch ein echtes Mehrparteisystem. Dies werde noch gefördert durch die sinkende Beleibtheit Wladimir Putins, dessen Anziehungskraft als Stimmenmagnet schwinde. Das Land befinde sich auf dem Weg zu einem größeren Pluralismus. Wenn dieser Prozess fortschreite, würden die Beziehungen Russlands zu den westlichen Staaten eine neue Qualität erreichen.

Alexander Rahr, Leiter des Berthold Beitz-Zentrums, wies darauf hin, dass trotz einer pluralistischeren Duma die Opposition nicht von liberal orientierten Parteien gebildet wird. Die Kommunisten und die nationalistische Schirinowski-Partei seien zudem für den Westen weitaus schwierigere Partner als die Kreml-Partei, die für politische und wirtschaftliche Stabilität stehe.

Format

Early Bird Breakfast
Zielgruppe
Veranstaltung Forschungsprogramm
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