Vortrag von Prof. Dr. Bacharuddin Jusuf Habibie, Präsident Indonesiens a.D.
„Ich werde mit Ihnen darüber sprechen, wie man in 517 Tagen ein autoritäres Regierungssystem mit einer Bevölkerung von 247 Millionen Menschen friedlich in eine Demokratie umwandelt,“ sagt Prof. Dr. Bachruddin Jusuf Habibie zu Beginn seines Vortrags am 30. Juni in den Räumen der DGAP. Während seiner Amtszeit als Präsident Indonesiens von 1998 bis 1999 hatte er die ersten freien Wahlen der Inselrepublik ermöglicht.
Beschleunigte Evolution statt Revolution
„Ich halte nichts von Revolutionen wie in Ägypten oder Tunesien,“ sagte Habibie weiter. „Revolutionen sind teuer, bergen ein großes Risiko und fordern viele Opfer.“ Besser sei eine „systematisch beschleunigte Evolution,“ die an die Situation des Landes angepasst werden müsse. Um ein Land erfolgreich zu reformieren, seien folgende Faktoren wichtig: Hohe Qualität der Regierung, niedrige Kosten, Berechenbarkeit und konsequentes Handeln.
Nach der Amtsübernahme inmitten der Asienkrise habe er vor immensen Problemen gestanden: Eine Inflationsrate von 78 Prozent, Kapitalflucht und hohe Arbeitslosigkeit sowie die Tatsache, dass Indonesien aus 500 ethnischen Gruppen bestehe, die sich auf 16 000 Inseln verteilten. „Ich habe damals über 600 Gesetze zur Einführung von Demokratie und Marktwirtschaft erlassen, das sind 1,3 pro Tag.“ Dazu zählten etwa die gesetzliche Garantie von Presse- und Religionsfreiheit, die Trennung der Befehlsstrukturen zwischen Militär und Polizei, die Verstärkung der Bankenaufsicht, die Unabhängigkeit der Zentralbank und die Etablierung eines Verfassungsgerichts. Dadurch sei u.a. die Inflation auf 2 Prozent gesunken und die Wirtschaft angekurbelt worden, so der ehemalige Präsident und Buchautor (517Tage. Indonesien: Geburt einer Demokratie, Herbert Utz Verlag, 24,80 Euro).
Klare Trennung zwischen Religion und Politik
„Als erstes habe ich die politischen Gefangenen entlassen, zum Beispiel die Gewerkschaftler. Sie haben sofort die Gelegenheit genutzt, um gegen mich zu demonstrieren.“ Dies sei jedoch Teil der Demokratie, die eine Regierung akzeptieren müsse. Wichtig sei auch eine freie Presse als „Messinstrument, um zu sehen, ob die Rahmenbedingungen eines Staates stimmen.“ Zudem hält Habibie eine klare Trennung zwischen Religion und Politik für nötig. „Der Islam ist eine Religion, der mögliche Antworten auf die Frage nach dem Tod und dem Weg danach anbietet – so wie alle Religionen.“ Das Leben vor dem Tod sollten die Menschen jedoch in den eigenen Händen behalten und sie nicht durch die Religion beeinflussen lassen.
Der Westen müsse außerdem klar unterscheiden zwischen „islamisch“ und „islamistisch,“ betonte Habibie, der in Deutschland studiert und als Flugzeugingenieur gearbeitet hat. Die Islamisten in Indonesien seien nur eine radikale Minderheit, die unschuldige Menschen töte, um Aufmerksamkeit zu bekommen. „Das hat mit Islam nichts zu tun.“ Im Umgang mit Islamisten empfiehlt Habibie, sie nicht mundtot zu machen, aber im Auge zu behalten. Seiner Ansicht nach sollte man ihnen die Möglichkeit geben, eine Partei zu gründen und sich demokratisch zu Wahl stellen. „Sie werden sehen: Niemand wird sie wählen.“
Synergie von Kultur, Religion, Wissenschaft und Technologie führen zum Erfolg
Kultur, Religion, Wissenschaft und Technologie müssten eine positive Synergie eingehen, fasste Habibie sein Erfolgsrezept für Indonesien zusammen. „Dann sind die Menschen produktiv, konkurrenzfähig und wirtschaftlich unschlagbar.“