Internationalisierung und Digitalisierung in der Luftfahrt

Airbus-Chef Thomas Enders über Absatzmärkte, Industrie 4.0 und eine Politik, die Bremsklötze aus dem Weg schaffen muss

Datum
07 Oktober 2015
Uhrzeit
-
Ort der Veranstaltung
DGAP, Berlin, Deutschland
Einladungstyp
Nur für geladene Gäste

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Der Unternehmensleiter des größten europäischen Luftfahrtkonzerns, der Airbus Group, sagte, dass die Wechselwirkung zwischen Globalisierung und Digitalisierung als Treibkraft für Wirtschaft und Gesellschaft in Europa dramatisch unterschätzt werde. Airbus sei jedoch gut auf diese Entwicklungen eingestellt. Immerhin bildeten Flugzeuge und Satelliten – das Kerngeschäft des Konzerns – den schnellsten Fluss von Menschen und Daten.

Globalisierung als Chance

Das Wachstumspotenzial von Airbus läge in den neuen Märkten, so Enders. Die Mittelschichten in Indien, China oder Brasilien werden sich in den nächsten Jahren verdoppeln. Dieses Potenzial könne ein Unternehmen jedoch nur ausnutzen, wenn es im jeweiligen Land präsent sei. In Ländern, in denen Airbus keine Niederlassungen hat, habe es die Erfahrung machen müssen, bei 20 Prozent Marktanteil an eine „gläserne Decke“ zu stoßen. Ein Teil der Flugzeuge sollte also dort gebaut werden, wo sie gekauft werden. Deshalb habe man sich auch entschieden, Maschinen der A320-Baureihe nicht nur in Toulouse, Hamburg und im chinesischen Tianjin zu bauen, sondern auch in Alabama.

Doch die Schwellenländer eröffneten nicht nur neue Absatzmärkte. Unternehmer fänden in diesen Ländern auch neue Partner und Wettbewerber. Besonders die dortige „can do“-Mentalität habe es Enders angetan. In den weltweiten Trainingscentern käme eine Vielfalt an talentierten Mitarbeitern und neuen Ideen zusammen. Der europäische Blickwinkel allein reiche nicht aus, um in den verschiedenen Geschäftsfeldern zu wachsen. Man müsse eine Unternehmenskultur schaffen, die „the best and the brightest“ findet und bindet.

Digitalisierung bei Airbus

Um weiter zu wachsen, gehöre für die Airbus Group das Thema Digitalisierung zu einer ihrer zehn wichtigsten Prioritäten. Enders räumte allerdings ein, dass sich das Unternehmen dabei noch in einer Versuchs- und Irrtumsphase (trial and error) befände. Wenn man sich die digitale Revolution anschaue, stünde man noch ganz am Anfang einer exponentiellen Entwicklung: „Wir haben erst ein Prozent des Weges zurückgelegt. Wir alle in der Industrie und Politik können uns nicht vorstellen, was das für die Zukunft bedeutet“. Das Internet der Dinge werde sich rasant ausbreiten.

Die Industrie habe erkannt, wie groß das Potenzial von Big Data sei. In der Luftfahrt etwa, sagte Enders, habe man in den 1980er-Jahren 20 000 Daten erfasst; heute seien es über 400 000. Im Moment werte die Industrie lediglich 0,05 Prozent der anfallenden Daten aus. Die ungenutzten Informationen könnten künftig dafür genutzt werden, den Luftraum besser zu regulieren oder vorausschauende Wartungen vorzunehmen. Auch die Zeit für die komplette Neuentwicklung eines Flugzeugs werde bald erheblich verkürzt; die heutige Entwicklungsphase von sieben bis acht Jahren möchte Airbus in Zukunft halbieren. Das spare Kosten und verschaffe Wettbewerbsvorteile.

Was kann Europa tun?

Der Airbus-Chef bedauerte, dass die europäische Politik die Digitalisierung mehr als Gefahr denn als Chance behandle. Die Politik müsse Unternehmen nicht schützen oder „anstoßen“ (nudging) und es brauche auch keine bombastischen Investitionen. „Die Aufgabe von Politik in Deutschland und Europa muss sein, Bremsklötze aus dem Weg zu räumen“, forderte Enders. Das Heilmittel seien richtige Strukturreformen für gute wirtschaftliche Rahmenbedingungen.

Format

Vortrag
Zielgruppe
Veranstaltung der Gesellschaft