„Das China-Bild der Deutschen ist mir fremd“

Chinesischer Botschafter Shi Mingde im Gespräch mit DGAP-Forschungsdirektor Eberhard Sandschneider

Datum
30 Mai 2013
Uhrzeit
-
Ort der Veranstaltung
DGAP, Deutschland
Einladungstyp
Nur für geladene Gäste

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„Um China zu verstehen, muss man sich seine Vielfalt vor Augen führen“, sagte Shi. Mit Peking und Shanghai habe China zwei der modernsten Metropolen der Welt, der Westen des Landes gleiche dagegen einem Entwicklungsland. „Allein der Temperaturunterschied zwischen Nord- und Südchina beträgt 60 Grad“, so der Spitzendiplomat bei einer Veranstaltung in der DGAP. Daher befremde ihn das einseitige Chinabild der Deutschen. „Wenn Deutsche über China sprechen, geht es meistens um unsere Erwartungshaltung“, bekräftigte Eberhard Sandschneider, Forschungsdirektor der DGAP. „Das Interesse an China ist groß, aber es fehlt an Sachverstand über das Land.“ Zurzeit seien 24 000 chinesische Studenten an deutschen Hochschulen eingeschrieben. In China würden gerade einmal 4000 Deutsche studieren.

China und die EU: Deutschland als Motor

Die Zusammenarbeit mit Berlin sei für Peking der Motor für die chinesisch-europäischen Beziehungen. „Das Handelsvolumen zwischen Deutschland und China macht ein Drittel unseres gesamten EU-Handels aus“, so Shi, der als Neunjähriger begonnen hat, Deutsch zu lernen. Die erste Auslandsreise des neuen chinesischen Premiers Li Keqiangs nach Berlin sei ein Zeichen für den besonderen Wert, den China auf die bilateralen Beziehungen lege. Thema bei Lis Besuch sei auch der Handelsstreit zwischen Peking und Brüssel gewesen. Um gegen chinesische Dumpingpreise vorzugehen, will die EU-Kommission die Einfuhr chinesischer Solarmodule mit Strafzöllen belegen. „17 von 27 EU-Ländern sind gegen die Pläne der EU-Kommission – welches Signal sendet die EU-Kommission da in die Welt?“, fragte Shi kritisch.

Kehrseiten des Wachstumswunders

Doch auch innenpolitisch steht die neue chinesische Führung vor großen Herausforderungen: Umweltschäden, soziale Ungleichheit, Korruption. „Die Modernisierung hat zwei Seiten“, sagte Shi. In den letzten 30 Jahren habe China 250 Millionen Menschen von der Armut befreit. „Mit 7 Prozent der weltweiten Ackerfläche, haben wir 22 Prozent der Weltbevölkerung ernährt.“ Die Lebenserwartung sei von 36 auf 72 Jahre gestiegen. Doch der Wohlstand führe auch zu Problemen. „Bis vor kurzem ist in Peking noch jeder Fahrrad gefahren, heute gibt es dort fünf Millionen Autos“, gab Shi zu bedenken.

„Der neuen chinesischen Führung muss es gelingen, die politische, soziale und wirtschaftliche Stabilität im Land aufrechtzuerhalten“, sagte Eberhard Sandschneider. Das liege auch wesentlich im Interesse Deutschlands und des Westens. Gefragt nach dem Einfluss Deutschlands auf China sagte er, die Menschrechte seien ein wichtiges Thema in den bilateralen Beziehungen – aber eben nur eines. „Es geht darum voneinander zu lernen, nicht darum, dass der eine Modelle für den anderen entwirft“, so Sandschneider. „Manche Entwicklungen in der Aufholjagd Chinas führen allerdings zu einem erschreckenden Nationalismus – gerade bei den Jüngeren. Es bleibt abzuwarten, ob deren Wertebasis noch Bestand hat, wenn das Wirtschaftswachstum sich abschwächt.“

Sendehinweis: Botschaftermatinee
Die Veranstaltungsreihe „Botschaftermatinee“ ist eine Kooperation des RBB Inforadio mit der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Alle zwei Monate bittet Redakteurin Sabine Porn den Botschafter eines Landes zum Gespräch. Die Sendung mit dem chinesischen Botschafter, S.E. Shi Mingde, mit Eberhard Sandschneider sowie mit Olaf Reus von Huawei Technologies wird im RBB Inforadio am Sonntag, den 2. Juni 2013 um 11.05 Uhr ausgestrahlt.

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