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10. Sep 2013

Obama allein gegen Syrien?

Im Kongress droht dem US-Präsidenten eine Niederlage. Er würde dennoch einen Militärschlag gegen das Assad-Regime führen

In einer Fernsehansprache und mehreren Interviews hat der US-Präsident für seine Haltung im Syrien-Konflikt geworben, um Druck auf die Repräsentanten im Kongress auszuüben. Die Weltöffentlichkeit schaut gebannt auf die Machtprobe in Washington: Ist die westliche Führungsmacht noch handlungsfähig, wenn es darum geht, der Schutzverantwortung der Völkergemeinschaft gerecht zu werden, ja eine liberale Weltordnung amerikanischer Prägung aufrechtzuerhalten? Fünf Fragen an den USA-Experten Josef Braml

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Warum hat US-Präsident Barack Obama den Kongress um Zustimmung zu seinen Syrien-Plänen gebeten?

Obama hätte den Kongress nicht bemühen müssen. Er ist der oberste Befehlshaber der Streitkräfte und laut Verfassung bei einem begrenzten Militäreinsatz wie den geplanten Schlag gegen Syrien zunächst nicht auf die Zustimmung des Parlaments angewiesen.

Dass Obama die Abgeordneten und Senatoren dennoch um Unterstützung bittet, zeigt, wie widerwillig er den Plan einer Syrien-Intervention verfolgt. Er hat immer wieder von „roten Linien“ geredet, in der Hoffnung damit das Regime Baschar al-Assads abzuschrecken. Wenn jedoch die Beweise der US-Regierung stichhaltig sind, dass der Diktator Giftgas gegen seine Bevölkerung eingesetzt hat, müssen die USA handeln, allein um ihrer Glaubwürdigkeit willen. Aus innenpolitischen Gründen möchte Präsident Obama dabei so viele seiner politischen Freunde und Gegner wie möglich zwingen, ebenso wie er Farbe zu bekennen.

Wird der Kongress Obamas Anliegen unterstützen?

Vom Senat könnte der Präsident wohl noch Unterstützung bekommen. Im Repräsentantenhaus dagegen wird es viel schwieriger werden. Dort sind derzeit lediglich 30 von 435 Abgeordneten auf seiner Seite. Die Skepsis gegenüber den Plänen des Präsidenten überwiegt in beiden Parteien, Ablehnung zeigt sich an beiden Enden des politischen Spektrums: bei den gewerkschaftsnahen Demokraten sowie bei den libertären Republikanern.

Zwar hat der Präsident wichtige Abgeordnete auf seiner Seite. Aber Nancy Pelosi, Chefin der Demokraten im Abgeordnetenhaus, wird es ebenso schwer haben, die Ihren auf Linie zu bringen wie John Boehner, der Sprecher der Republikaner. Es wird den beiden wohl nicht gelingen, ihre Parteifreunde in der Syrien-Frage hinten dem Präsidenten zu scharen. Sollte Präsident Obama aber doch noch die Mehrheit des Repräsentantenhauses erlangen, wird es eine parteiübergreifende sein, denn auf seine demokratischen Parteifreunde kann er sich nicht verlassen.

Vor allem im Hinblick auf die Zwischenwahlen im nächsten Jahr tun sich die Abgeordneten schwer, in einer Frage von Krieg oder Frieden Farbe zu bekennen. Die amerikanischen Wähler verlangen von ihren Politikern, dass sie sich den inneren Problemen des Landes zuwenden. Die Abgeordneten wissen genau, wofür sie gewählt werden. Die gewerkschaftsnahen Demokraten wollen mehr Geld für innenpolitische Aufgaben und die Ankurbelung der Wirtschaft ausgeben. Die libertären Republikaner wiederum möchten vor allem das Haushaltsdefizit reduzieren und die kapitalistische Wirtschaftsordnung retten. Aber fast niemand ist mehr bereit, Geld für Militäroperationen auszugeben, wenn die USA oder Alliierte wie Israel nicht unmittelbar bedroht sind.

Und auch Präsident Obama wurde ja nicht als Kriegsherr gewählt, sondern in erster Linie, weil man ihm zutraute, die wirtschaftlichen und sozialen Probleme des Landes zu lösen – was im Übrigen die Voraussetzung für die künftige außenpolitische Handlungsfähigkeit der USA ist. Die wirtschaftliche Erholung der schwer angeschlagenen Weltmacht ist nach wie vor sein vorrangiges Ziel. Daraus erklärt sich auch seine bisherige Zurückhaltung im Syrien-Konflikt, einer Frage, bei der es nicht um die vitalen Interessen Amerikas geht. Durch sein Taktieren hat er sich nun aber in Zugzwang gesetzt.

Wie wird Obama mit einer Niederlage im Kongress umgehen?

Präsident Obama hat bereits deutlich gemacht, dass er nicht vom Votum der Abgeordneten abhängig ist. Er braucht kein Mandat. Verfassungsrechtlich ist das völlig in Ordnung. Eine Zustimmung wäre für ihn ein politischer Erfolg und ein starkes Signal: Die Abgeordneten müssten Farbe bekennen und Amerika würde mit einer Stimme sprechen.

Um seine Glaubwürdigkeit zu erhalten, würde er aber auch ohne Rückhalt des Kongress einen Militärschlag gegen Syrien führen. Er hat eine „rote Linie“ gezogen und nunmehr dargelegt, dass es für ihn keinen Zweifel mehr gibt, dass das syrische Regime Giftgas gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt hat. Daraus muss er nun Konsequenzen ziehen. Dabei geht es nicht „nur“ um die Menschenrechte. In der Syrien-Frage stehen auch die Glaubwürdigkeit der westlichen Führungsmacht und damit auch die liberale Weltordnung auf dem Spiel.

Wie wichtig sind außenpolitische Alliierte für die US-Regierung?

Alleingänge versuchen die USA zu vermeiden. Dabei geht es Washington nicht darum, ein UNO-Mandat zu erreichen. Das spielt für die USA bei weitem nicht die Rolle wie für Deutschland. Aber die US-Regierung braucht aus innenpolitischen Gründen Alliierte, zuverlässige Partner für einen robusten Militäreinsatz. Dabei denkt sie in erster Linie an Großbritannien. Doch der Rückzug Londons macht es für Obama besonders schwer, in der amerikanischen Öffentlichkeit Zustimmung für seine Pläne zu erhalten.

Der US-Präsident steht durch sein Taktieren jetzt vor einem Dilemma, einem „catch 22“: Einerseits bräuchte er internationale Partner, um sein Parlament und seine Landsleute zur Zustimmung zu bewegen. Andererseits ist es keine gute Voraussetzung für die Werbung internationaler Verbündeter, wenn sich die Mehrheit der amerikanischen Abgeordneten einem Einsatz verweigert.

Lässt sich mit dem jüngsten Vorschlag, dass Syrien seine Chemiewaffen unter internationale Kontrolle stellen soll, ein Militärschlag verhindern?

Das wäre ein Prestigegewinn für die russische Regierung, die diese Initiative befürwortet. Die USA und Präsident Obama könnten ebenso ihr Gesicht wahren. Auch die Bevölkerung in Syrien und den Nachbarstaaten wie Israel könnte etwas ruhiger schlafen. Ob das Regime in Damaskus gerade jetzt, in einem Moment der Schwäche der westlichen Staatengemeinschaft, auf diesen Vorschlag eingehen wird, ist jedoch fraglich.

Bibliografische Angaben

Braml, Josef. “Obama allein gegen Syrien?.” September 2013.

Fünf Fragen, 10. September 2013

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