Energiewende: Frankreich muss sein Engagement intensivieren

Trotz enormer Standortvorteile spielen erneuerbare Energien in Frankreich eine zweitrangige Rolle. Ambitionierte EU-Ziele sowie die von Hollande initiierte „Nationale Debatte zur Energiewende“ sollen den Weg für den verstärkten Ausbau erneuerbarer Energien ebnen. „Einen Meilenstein kann Frankreich aber nur erreichen, wenn der politische und öffentliche Druck auf die Energiebranche, Alternativen zur Atomkraft zu schaffen, deutlich steigt“, bilanziert Stefan Aykut in einer aktuellen DGAP-Analyse.

Trotz enormer Standortvorteile für erneuerbare Energien, deckt Frankreich nach wie vor fast 80 Prozent seines Strombedarfs mit Kernenergie. Die Nuklearkatastrophe von Fukushima und die deutsche Energiewende haben zu einem vorsichtigen Umdenken geführt: 2012 hat Präsident François Hollande das Ziel ausgerufen, den Anteil von Atomstrom im nationalen Strommix bis 2025 auf 50 Prozent zu senken. „Hollande hat dadurch den Grundstein für eine schnelle Energiewende gelegt“, sagt Politikwissenschaftler Stefan Aykut. Doch die Kräfteverhältnisse in der französischen Energiepolitik seien zu gefestigt, als dass tatsächlich von einem schnellen Politikwechsel auszugehen wäre.

Probleme beim Ausbau der Erneuerbaren: Unsichere Rechtslage und unbeständige Initiativen

Aykut bemängelt die Unbeständigkeit der bisherigen französischen Anstrengungen. Zwar sei der französische Strommarkt seit den 90er Jahren schrittweise geöffnet worden. „Trotz diverser Maßnahmen hat Frankreich das für 2010 selbstgesteckte Ziel, 10 Prozent seines Energiebedarfs aus Erneuerbaren zu decken, aber deutlich verfehlt“, so Aykut.

Das größte Problem beim Ausbau der Erneuerbaren in Frankreich sieht der Experte in der regulatorischen Unsicherheit. „Das Auf und Ab bei der Einspeisevergütung, langwierige Genehmigungsverfahren und wechselhafte politische Unterstützung haben den Standortvorteil Frankreichs bisher zunichte gemacht“, so Stefan Aykut. „Die Atomstrom-Riesen EDF und Areva dominieren nach wie vor den Markt.“ Einen Meilenstein könne Frankreich nur erreichen, wenn der politische und öffentliche Druck auf die Energiebranche, Alternativen zur Atomkraft zu schaffen, deutlich steige, so der Energieexperte.

Nationale Debatte soll breiten Konsens für Energiewende schaffen

Neue Zugkraft soll nun die von Präsident Hollande initiierte „Nationale Debatte zur Energiewende“ bringen. Sie soll in ein Erneuerbare-Energien-Gesetz nach deutschem Vorbild münden – und erstmals auch die Zukunft der Atomenergie hinterfragen. „Hollande ist es gelungen, auch die großen Umweltverbände mit an den Verhandlungstisch zu holen – ein Erfolg der seinem Amtsvorgänger Nicolas Sarkozy verwehrt blieb“, so Aykut. Mit seinen zahlreichen Gremien erhalte das Verhandlungsformat jedoch nur wenig mediale Aufmerksamkeit. „Für eine Energiewende braucht es aber eine breite öffentliche Anteilnahme“, sagt er. Stefan Aykut fordert bedeutende zusätzliche Anstrengungen auf französischer Seite, um das EU-Ziel, bis 2020 23 Prozent des Energieverbrauchs aus erneuerbaren Quellen zu decken, zu erreichen.


Zum Download:
DGAPanalyse 5, August 2013 (PDF-Dokument)
Ohne Aufwind: Erneuerbare Energien in Frankreich
von Stefan C. Aykut

Dr. Stefan Aykut ist Politikwissenschaftler am Laboratoire Techniques, Territoires et Sociétés (LATTS) an der Universität Paris-Est Marne-la-Vallée.

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