Good Governance als Leitmotiv gesellschaftlicher Veränderungen

Staffelübergabe im Goerdeler-Kolleg: Alter und neuer Jahrgang treffen sich zum Erfahrungsaustausch

Die Lebensläufe sind vielfältig, die Erfahrungen breit gefächert: Die Kollegiatinnen und Kollegiaten des Goerdeler-Kollegs zeigen, wie Veränderungen in ihren Heimatländern angestoßen werden können. So unterschiedlich wie die Herausforderungen sind dabei auch die Projekte.

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So wollte Bahadir Çağri mit seinem Projekt die Zahl der Arbeitsunfälle in seinem Unternehmen, einer der größten Erdölraffinerien der Türkei, verringern. Als Verantwortlicher für Arbeitssicherheit musste er schon viele oft tödliche Arbeitsunfälle erleben. Im Rahmen des Programms des Goerdeler-Kollegs arbeitete er ein Jahr an seinem Vorhaben. Er startete ein Ausbildungsprogramm für Arbeiter, um ihre technischen Kompetenzen zu erhöhen. Im Programmjahr wurden 25 Ausbildungslehrer und 585 Arbeiter durch dieses Projekt zertifiziert. Er initiierte eine Kompetenzdatenbank mit Mitarbeiterprofilen und -fähigkeiten, um ein Arbeitsverfolgungssystem aufzubauen. Zum Abschluss des Kolleg-Jahres sagt Bahadir Çağri stolz: „Im Zeitraum des Projekts passierte kein schwerwiegender Arbeitsunfall.“ Er will sein Projekt weiterführen.

Gabrijela Bogisić ist Geschäftsführerin des Vereins „St. Gerhard“ aus Serbien und hat sich im Rahmen ihres Kolleg-Jahres vorgenommen, ihre Nichtregierungsorganisation (NGO) in Serbien besser zu vernetzen. „Die meisten serbischen NGOs kämpfen mit ähnlichen Problemen. Sie sind einerseits viel zu schwach, um sich für ihre jeweiligen Ziele und Interessen hinsichtlich gesellschaftlicher Themen einzusetzen und werden andererseits in ihrer eigenen Entwicklung gebremst“, sagt sie. Gabrijela Bogisić startete ihr Pilotprojekt zunächst mit fünf Organisationen. Sie organisierte eine Auftaktkonferenz, der eine Reihe von regelmäßigen Treffen folgte. Das Resultat ist ein Satzungsentwurf für eine Dachorganisation und ein intensiver persönlicher Austausch zwischen den Vertretern der beteiligten Organisationen. Das Projekt soll fortgesetzt werden.

Iryna Polishchuk hat sich der Qualität der Weiterbildung von Beamten verschrieben. Sie startete in das Kolleg-Jahr als stellvertretende Abteilungsleiterin im Weiterbildungsinstitut für Führungskräfte der Nationalen Akademie für öffentliche Verwaltung beim Präsidenten der Ukraine. Inspiriert vom Konzept „Servant Leadership“ konzipierte sie Bildungsangebote, die auf Selbstmotivation, Verantwortung und Arbeitszufriedenheit von Beamten setzen. Gemeinsam mit Partnern führte sie Trainings auf der zentralen Verwaltungsebene und in zwei Pilotregionen durch. Sie gründete eine Online-Plattform, um die Weiterbildungsangebote zu digitalisieren. Iryna Polishchuk versteht ihr Vorhaben als einen Beitrag zur umfassenden Verwaltungsreform, welche langfristig das Verwaltungssystem der Ukraine gemeinwohlorientierter und effektiver machen soll. Ihre Arbeit setzt sie, seit kurzem an ihrem neuen Arbeitsplatz im ukrainischen Parlament, fort.

Im Rahmen des Goerdeler-Kollegs entwickeln und implementieren jährlich bis zu 20 Kollegiatinnen und Kollegiaten ihre eigenen Good Governance-Projekte. Die Bandbreite der Vorhaben spiegelt die Vielfalt an Herausforderungen wider, der sich die Teilnehmenden in ihren Gesellschaften gegenüber sehen – aber auch die Kreativität und das Engagement der jungen Führungskräfte. Somit leisten die Projekte einen aktiven Beitrag zur Stärkung von guter Regierungsführung in ihren Heimatländern und Organisationen. Sie zeigen modellhaft, wie Prozesse „anders“ – gemeinwohlorientierter, transparenter und partizipativer – gestaltet werden können.

Am 14. September präsentierten die Teilnehmenden des Jahrgangs 2017/2018 – darunter Bahadir Çağri, Gabrijela Bogisić und Iryna Polishchuk – im Rahmen einer Projektmesse die Ergebnisse ihrer Arbeit. Dort trafen sie auf einige Alumni des Programms sowie auf den neuen Jahrgang des Goerdeler-Kollegs – ein perfekter Anlass für Gespräche und einen Erfahrungsaustausch.

Für den neuen Jahrgang, der aus 20 Kollegiatinnen und Kollegiaten besteht, markierte die Begegnung den Auftakt ihres Kollegjahres. Von 13. bis zum 28. September nahmen sie an einem intensiven zweieinhalbwöchigen Einführungsseminar teil, in dem sie sich mit verschiedenen Facetten von Good Governance – akademisch und praktisch – auseinandersetzten, politische Themen diskutierten, bei deutschen Organisationen hospitierten, Trainings zu Führungskompetenzen, Projektmanagement sowie ein begleitendes Projektcoaching erhielten und an ihren Projektideen feilen können.

Das Carl Friedrich Goerdeler-Kolleg ist ein einjähriges berufsbegleitendes Weiterbildungsprogramm der Robert Bosch Stiftung in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Es qualifiziert junge engagierte Führungskräfte aus Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Georgien, Moldau, Russland, Serbien, der Türkei und der Ukraine für verantwortliches und gemeinwohlorientiertes Handeln in der Verwaltung, Wirtschaft und im NGO-Sektor. Themen des Kollegs sind u.a. Demokratie und Partizipation, Rechtsstaatlichkeit und Korruptionsbekämpfung, nachhaltige Entwicklung und Corporate Social Responsibility. Prof. Günter Verheugen, Vizepräsident der Europäischen Kommission a.D., begleitet die Kollegiaten als Kollegdirektor.

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