„Wir haben hart gearbeitet“

Toomas Hendrik Ilves, Präsident der Republik Estland, kritisiert die Schuldenstaaten und lobt Merkels Sparpolitik

Datum
03 Juli 2012
Uhrzeit
-
Ort der Veranstaltung
Humboldt-Viadrina School of Governance, Deutschland
Einladungstyp
Nur für Mitglieder

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„I'll gladly pay you Tuesday for a hamburger today!“ Dieser Satz in einem Popeye-Cartoon aus dem Jahre 1934 bringt nach Ansicht von Toomas Hendrik Ilves, Staatschef der Republik Estland, die Schuldenmisere der Eurozone auf den Punkt. Popeye, der Spinat vertilgende Seemann aus der Feder des amerikanischen Comiczeichners Elzie Crisler Segar, eröffnet ein Hamburger-Restaurant - und hat prompt Ärger mit Gästen, die ihre Hamburger zwar gleich verzehren, aber erst später zahlen wollen.

Kritik an der Krisenbewältigung

Mit dieser kurzen Cartoon-Vorführung leitete Ilves seine Kritik am europäischen Krisenmanagement ein. Während Länder wie Estland nach dem Zusammenbruch des Kommunismus hart gearbeitet und gespart hätten, um ihre Haushalte zu konsolidieren, hätten Länder wie Griechenland oder Italien solche Anstrengungen nicht unternommen.

Die Osteuropäer hätten geglaubt, sie müssten "hart arbeiten, sich an die Regeln halten, dann werden wir in der EU bestehen“, sagte Ilves. „Wir waren nicht darauf vorbereitet, dass es heißen würde, heute wollen wir einen Hamburger, bezahlen wollen wir aber erst Dienstag.“ Anerkennung für diesen wirtschaftspolitischen Kurs habe es vom Westen aber nicht gegeben. „Das Versprechen lautete, wenn ihr im Osten hart arbeitet, werdet ihr wie wir, werdet ihr glücklich sein. Nun ist es aber so, dass die ärmeren Leute im Osten für die viel reicheren Leute im Westen draufzahlen sollen. Das ist das Problem, vor dem wir stehen.“

Keine Unterstützung für den ESFS

Das Spektrum der Krisenbewältigungsstrategien in der EU sei viel zu breit, kritisierte Ilves. Während sich nordeuropäische Länder wie Deutschland, Estland, Finnland und Holland an die Regeln hielten, gelte dies nicht für Krisenstaaten wie Griechenland oder Italien. Estland sei ein proeuropäisches Land, betonte Ilves. Doch das Durchschnittseinkommen liege unterhalb des griechischen, das Renteneintrittsalter über dem griechischen. Wenn nun die estnische Bevölkerung Griechenland finanziell unter die Arme greifen solle, sei es kaum verwunderlich, wenn 75 Prozent der Esten sich gegen den ESFS aussprächen.

Die EU befinde sich in einer Umbruchphase, es werde über ein „Europa der zwei Geschwindigkeiten“ gesprochen. Solche Modell sehe er jedoch skeptisch, so Ilves. „Variable Geometrien innerhalb der institutionellen Strukturen sind nicht nachhaltig.“

Lob für Merkels Sparpolitik

Die Haltung von Bundeskanzlerin Angela Merkel lobte der estnische Präsident dagegen ausdrücklich. „Alle sagen, Deutschland muss mehr zahlen. Doch Deutschland ist nicht China; die Bevölkerung hat ein Mitspracherecht, und ich glaube nicht, dass sie damit einverstanden ist.“ Weitere Finanzhilfen gegen den Willen der Bürger durchzupauken fördere einen gefährlichen, antieuropäischen Populismus. Doch auch viele europäischen Regierungen verfielen dem populistischen Reflex: „Sie machen Versprechungen, sich immer mehr zu leihen.“

Es sei nicht länger möglich, griff Ilves den Popeye-Cartoon noch einmal auf, für einen gleich verzehrten Hamburger erst am Dienstag zu zahlen. Um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln, brauche es keine weitere Staatsverschuldung, sondern mehr Wettbewerb und eine Öffnung des Arbeitsmarkts. „Man verlangt jetzt von den ärmeren EU-Staaten Solidarität. Wir alle glauben an Solidarität, aber sie muss mit Verantwortung einhergehen. Ohne Verantwortung wird es keine Solidarität geben.“

 

Die Veranstaltung fand auf Einladung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und des German Marshall Fund of the Unites States in der Humboldt-Viadrina School of Governance in Berlin statt.

Format

Vortrag
Zielgruppe
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