„Deutsche Macht fürchte ich heute weniger als deutsche Untätigkeit“

Polnischer Außenminister Radosław Sikorski mahnt besondere Verantwortung Berlins bei der Überwindung der europäischen Schuldenkrise an
Datum
28 November 2011
Uhrzeit
-
Ort der Veranstaltung
Allianz Forum, Pariser Platz 6, 10117 Berlin, Deutschland
Einladungstyp
Nur für Mitglieder

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„Deutsche Macht fürchte ich heute weniger als deutsche Untätigkeit“: Mit diesem eindringlichen Appell wandte sich der polnische Außenminister Radosław Sikorski bei seiner Rede in Berlin an die Bundesregierung. Er sei sich bewusst, dass er wohl der erste Außenminister in der Geschichte Polens sei, der so etwas äußere, so Sikorski. Doch als wichtigste europäische Wirtschaftsmacht und größter Nutznießer des Euro sei die Bundesrepublik in der Pflicht, eine Führungsrolle bei den notwendigen Reformen in Europa zu übernehmen und einen wesentlichen Beitrag für den Erhalt der Eurozone leisten.

Unverzichtbare Nation

Es sei höchste Zeit zu handeln, erklärte Sikorski mit einem Verweis auf die polnische Geschichte, wo verspätete Reformen zu Krise und Zerfall geführt hätten. Dabei komme Deutschland als „unverzichtbarer Nation“ der Gemeinschaft eine Schlüsselrolle zu – aller  internationaler Kritik an der Berliner Politik und allen Ängsten vor deutscher Dominanz zum Trotz. Über die bisherigen Sofortmaßnahmen hinaus bedürfe es neuer, substanzieller Integrationsschritte in der EU, bis hin zu einer weiteren Revision der Gemeinschaftsverträge, einem „new European Deal“. Ein Scheitern der Eurozone gefährde die Union insgesamt.

Nun gelte es, die gemeinschaftlichen Institutionen und Instrumente zu stärken, vor allem die Europäische Zentralbank – nicht nur für die Rettung angeschlagener Euro-Staaten, sondern auch für die Wahrung der Finanzdisziplin. Die EZB müsse zu einer „echten Zentralbank“ ausgebaut werden. Auf die deutschen Bedenken gegen eine derartige Erweiterung des Aufgabenspektrums der Bank entgegnete Sikorski: „Die Gefahr eines Kollaps der Eurozone ist derzeit größer als die Inflationsgefahr.“ Es sei nicht sicher, ob der EU-Binnenmarkt ohne den Euro überlebe. Auch die EU-Kommission müsse künftig über Sanktionsinstrumente gegenüber nationalen Haushaltssündern verfügen. Einer reformierten, deutlich verkleinerten Kommission könne künftig auch ein europäischer Finanzminister angehören, so der Minister auf eine Publikumsfrage.

Polen als Problemlöser

Wird Polen, obgleich noch nicht Mitglied der Eurozone, bei der Überwindung der Schuldenkrise und der Stabilisierung des Euro tatkräftig mithelfen? Keine Sorge, beantwortete Sikorsi die Frage, die sein deutscher Kollege Guido Westerwelle in der Anmoderation gestellt hatte: „Ein Scheitern der Eurozone stellt für Polen die größte Gefahr dar“. Sein Land werde in Kürze die Euro-Kriterien erfüllen und habe den Beitritt zur Eurozone fest im Blick, auch wenn die derzeitige Krise nicht unbedingt dazu beitrage, die Stimmung im Land gegenüber der Gemeinschaftswährung zu verbessern. Polen stehe nicht zuletzt dank einer konsequenten Reformpolitik wirtschaftlich gut da und weise erfreuliche Wachstumsraten auf – kurzum: „keine Quelle von Problemen, sondern ein Problemlöser“. Es werde Deutschland bei der Wahrnehmung seiner Führungsaufgabe in Europa unterstützen.

 

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