Analyse

19. Juli 2016

Zwischen Abschottung und Ambitionen

Arbeiten Deutschland und Frankreich in der europäischen Flüchtlingskrise zusammen?

Priorität nach dem britischen Referendum über einen EU-Austritt und dem jüngsten Anschlag in Nizza ist offenbar, unter dem innenpolitischen Druck des rechtspopulistischen Front National, die noch stärkere Kontrolle der Migration. Ausgehend von der europäischen Krise rund um Flucht und Migration analysiert Mathieu Tardis die Ursachen für die zögerliche Haltung Frankreichs und für das Ungleichgewicht in der deutsch-französischen Kooperation im Politikfeld Asyl.

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Mehr als eine Million Menschen versuchten 2015 die Flucht über das Mittelmeer in die Europäische Union. Seit sich Deutschland im Sommer 2015 für die Aufnahme der Geflüchteten stark machte, ist die europäische Dimension der Flüchtlingskrise grell beleuchtet. „Flüchtlingskrise“ steht dabei verkürzt für eine tiefe Krise der Asylpolitik in vielen europäischen Ländern sowie die nicht existierende europapolitische Lösung in dieser Frage. Zudem bedeutet dies: Krise der Einreisebedingungen, Krise der Umverteilung innerhalb der EU und Krise der Aufnahmebedingungen in den Mitgliedstaaten. Obwohl Deutschland und Frankreich seit etwas mehr als einem Jahrzehnt in Erklärungen auch die gemeinsame Verantwortung im Bereich der Asyl- und Einwanderungspolitik nennen, ziehen beide Partner nicht an einem Strang. Deutschen Ambitionen, innerhalb der EU weitere Umverteilung von Geflüchteten zu beschließen, erteilte Frankreich eine Absage. Fehlende Investitionen in das Asylverfahren, in die Unterbringung und Integration von Asylbewerbern seit Beginn des neuen Jahrtausends führten in Frankreich eine Asylkrise herbei. Auch eine Reform des Asylrechts konnte keine Verbesserung bringen, zumal die Reform just zu dem Zeitpunkt erfolgte, als 2015 Geflüchtete so zahlreich die EU-Außengrenzen überschritten. Die 2017 anstehenden französischen Wahlen geben keinen Anlass zur Hoffnung auf mutige Schritte in der Migrationspolitik. Die französische Regierung müsste verstehen und zugleich der Bevölkerung begreiflich machen, dass eine stärkere europäische Solidarität auch auf nationaler Ebene vorteilhaft sein kann.

Bibliografische Angaben

Tardis, Mathieu. “Zwischen Abschottung und Ambitionen.” July 2016.

DGAPanalyse 7/2016, 9 S.

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