Memo

29. Sep 2023

Unsicherheit über die weitere Ukraine-Unterstützung der USA

Ein Jahr vor den US-Wahlen ist es für Deutschland Zeit, mehr Initiative zu zeigen
USA, Sept 2023, Biden, Selenskiy
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Die Besuche von Präsident Selenskyj und Außenministerin Baerbock in Washington hatten eines gemeinsam: Beide bemühten sich, die US-Republikaner von der weiteren Unterstützung der Ukraine zu überzeugen. Denn vor dem anstehenden US-Wahlkampf wächst die Unsicherheit darüber, wie sich die Republikaner künftig zur Unterstützung positionieren werden. Für die Bundesregierung sollte dies umso mehr Ansporn sein, mehr Tempo bei der eigenen Unterstützung zu machen. Sie sollte mit der Ukraine einen konkreten Plan über langfristige Sicherheitszusagen ausarbeiten, wie sie während des NATO-Gipfels vereinbart wurden. Durch mehr Initiative könnte sie auch Joe Biden im Wahlkampf helfen.

 

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Neben der Teilnahme an der Generalversammlung der Vereinten Nationen ging es Selenskyj und Baerbock bei ihren Besuchen in den USA auch darum, aus erster Hand zu erfahren, wie es im Kongress um die Zustimmung für ein weiteres Ukraine-Unterstützungspaket bestellt ist, das gerade verhandelt wird. Während eine Zustimmung im Senat sicher wäre, hängt alles am Repräsentantenhaus, in dem die Republikaner über eine kleine Mehrheit verfügen. Und dort drängen die Republikaner auf Haushaltskürzungen. Daneben lehnt ein Drittel der republikanischen Abgeordneten die weitere Ukraine-Unterstützung ab und setzt damit Sprecher Kevin McCarthy unter Druck, der eine gemeinsame Position der Republikaner herzustellen versucht.

Dass die Biden-Regierung in ihrer Ukrainepolitik von der Zustimmung der Republikaner abhängig ist, versetzt viele europäische Regierungen in Unruhe. Zwar setzt sich weiter die breite Mehrheit der republikanischen Kongressmitglieder für eine Unterstützung der Ukraine ein, die Frage spaltet die Partei aber zunehmend. Die Debatte wird nicht nur zwischen den republikanischen Präsidentschaftsbewerbern ausgefochten, sondern wird auch Einfluss auf die Vorwahlen für die Kongresssitze haben; je nachdem welches Lager sich durchsetzt, könnte die republikanische Lobby für die Ukraine im Repräsentantenhaus nach der Wahl 2024 deutlich geringer sein als bisher – unabhängig davon, wer die Präsidentschaft gewinnt. Während hinsichtlich der Ukraine-Politik also Unsicherheit besteht, ist gewiss, dass die USA künftig, egal unter welcher Führung, eine Steigerung der europäischen Unterstützung fordern werden. Immerhin geht es vorrangig um die Sicherheitsordnung auf dem europäischen Kontinent.

Die Bundesregierung schwächt mit ihrem Schlingerkurs die Demokraten, deren Wahlsieg in ihrem Interesse liegen müsste.

Unklare Signale aus Berlin

Gerade die Bundesregierung sendet jedoch in dieser Hinsicht aber immer wieder unklare Signale, die zwischen dem Bekenntnis zur umfassenden Unterstützung der Ukraine und Zögerlichkeit oszillieren. Ebenso verhält es sich bei den Bemühungen zur Stärkung der deutschen Verteidigungsfähigkeit, die mit der angekündigten „Zeitenwende“ einhergehen. Die immer noch vage Haltung der Bundesregierung zum Zwei-Prozent-Ziel sollte nicht unterschätzt werden. Es verärgert die europäischen Partner und ist ein schwaches Signal an die Ukraine. Es wird auch in den USA registriert und könnte von den Trump-nahen Republikanern ausgeschlachtet werden. Gleichzeitig schwächt die Bundesregierung mit ihrem Schlingerkurs die Demokraten, deren Wahlsieg in ihrem Interesse liegen müsste.

Bereits heute ist absehbar: Wer immer auch auf Seiten der Republikaner Joe Biden im nächsten Jahr herausfordern wird, wird ihm vorwerfen, nicht genügend Druck auf die europäischen Verbündeten ausgeübt zu haben, mehr Verantwortung für die Ukraine und sich selbst zu übernehmen. Bisher kann Biden darauf verweisen, eine Koalition von Verbündeten anzuführen, die gemeinsam die Ukraine gegen Russlands Angriffskrieg unterstützen. Wenn sich aber in den USA der Eindruck verfestigt, dass es vor allem an ihnen liegt, sich für Europas Sicherheit einzusetzen, schwächt das auch Joe Biden. Auch wenn Deutschland und andere EU-Staaten nur sehr bedingt Einfluss auf den Wahlkampf nehmen können, können sie Biden durch eine deutliche Bereitschaft, bei der Ukraine-Unterstützung langfristig mehr Führung zu übernehmen, im Wahlkampf unterstützen.

In den USA würde eine Vorreiterrolle Deutschlands und anderer Europäer in dieser Frage positiv aufgenommen werden.

Sicherheitszusagen als neue Chance

Bereiche, in denen dies geschehen könnte, gibt es genug. Neben der Bereitstellung von Taurus-Marschflugkörpern könnte Deutschland, so wie auf dem NATO-Gipfel vereinbart, zum Beispiel vorangehen und ein Paket mit langjährigen Sicherheitszusagen für die Ukraine vorlegen. Laut ihrer gemeinsamen Erklärung bereiten die G7-Staaten jeweils in Verhandlungen mit der Ukraine Maßnahmen und Zeitrahmen vor, um die dauerhafte militärische und wirtschaftliche Unterstützung der Ukraine zu formalisieren, bis das Land der NATO beitreten kann. Je konkreter die deutschen Zusagen sind, umso mehr könnten sich andere Staaten dazu verpflichtet fühlen, ein ähnliches Ausmaß an Unterstützung verbindlich zuzusagen. In den USA würde eine Vorreiterrolle Deutschlands und anderer Europäer in dieser Frage positiv aufgenommen werden. Joe Biden könnte argumentieren, dass die USA zwar unter seiner Führung in den ersten Kriegsjahren die internationale Ukraine-Unterstützung angeführt haben, die europäischen Verbündeten aber zunehmend die Initiative übernommen haben. Und, mit Seitenhieb auf die republikanischen Kritiker der Ukrainehilfen, dass sich internationale Partnerschaften und Allianzen sehr wohl bezahlt machen.

Bibliografische Angaben

Tolksdorf, Dominik. “Unsicherheit über die weitere Ukraine-Unterstützung der USA .” September 2023.

Dieses DGAP-Memo wurde am 29. September 2023 veröffentlicht.

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