Bedeutung der Präsidentschaftswahl
Der Präsidentschaftswahl kommt durch die herausgehobene Stellung des Präsidenten im semi-präsidentiellen politischen System Frankreichs eine besondere Bedeutung zu, da sie die politische Ausrichtung der Republik für die kommenden fünf Jahre maßgeblich bestimmt. Nach den Erfahrungen mit verschiedenen parlamentarischen Vorgängerverfassungen ist die Verfassung der V. Republik (1958) machtpolitisch auf den Präsidenten ausgerichtet. Der französische Staatspräsident wird in direkter Wahl vom französischen Volk für eine Amtszeit von fünf Jahren gewählt. Die Amtszeit des französischen Staatspräsidenten wurde durch ein Verfassungsreferendum im Jahr 2000 von sieben auf fünf Jahre verkürzt. Diese Verfassungsänderung trat zum ersten Mal mit den Präsidentschaftswahlen 2002 in Kraft.
Besondere Legitimation – bedeutende Kompetenzen
Die Direktwahl des Präsidenten auf fünf Jahre betont die herausgehobene Stellung, die dem Präsidenten im politischen Institutionengefüge der
V. Republik in Frankreich zukommt, und verleiht ihm eine besondere demokratische Legitimation. Gemäß der Verfassung von 1958 ist der Präsident der „Garant der Verfassung“ und „Repräsentant der ganzen Nation“. Neben diesen Auszeichnungen symbolischer Natur besitzt der Präsident, wenn er über eine Mehrheit in der französischen Nationalversammlung verfügt, über weitreichende Kompetenzen. Als Oberhaupt der Exekutive ernennt und entlässt er de facto den Premierminister. Neben dieser Bestellung des zweiten Amtes der Exekutive kommt dem Präsidenten die Aufgabe zu, Regierungsmitglieder auf Vorschlag des Premierministers zu benennen. Prinzipiell kann der französische Staatspräsident nach Beratung mit dem Premierminister zu jedem Zeitpunkt die französische Nationalversammlung auflösen. Dieses Recht der Parlamentsauflösung kann als bedeutendes Machtmittel des Präsidenten angesehen werden. Der Präsident ist gemäß der Verfassung oberster Befehlshaber der Streitkräfte und in der Verfassungswirklichkeit der V. Republik wird ihm im Bereich der „domaine réservé“ der Außenpolitik eine alleinige politische Führungsrolle zugewiesen.
Welche reale politische Macht dem Präsidenten im System der V. Republik zukommt, hängt entscheidend davon ab, ob er über eine eigene politische Mehrheit im Parlament verfügt. Ist dies nicht der Fall, kommt es zu einer sogenannten Kohabitation. Dies beschreibt eine Situation, in der der Präsident und der Premierminister nicht demselben politischen Lager angehören. In Phasen der Kohabitation, von denen es bisher drei gab, ist die politische Macht des Präsidenten eingeschränkt und der Premierminister übernimmt de facto die Führung des politischen Tagesgeschäfts. Allerdings wurde durch die Verfassungsreform von 2002 nicht nur die Amtszeit des Präsidenten auf fünf Jahre und zwei Amtszeiten beschränkt, sondern indirekt auch die Wahrscheinlichkeit einer Kohabitation eingeschränkt. Da die Wahlen zur französischen Nationalversammlung 2012 zwei Monate nach der Präsidentschaftswahl stattfinden werden, ist nicht zu erwarten, dass ein neu gewählter Präsident mit einer Mehrheit des gegnerischen politischen Lagers im französischen Parlament konfrontiert ist.
Wahlmodus der Präsidentschaftswahl
Der Präsidentschaftswahl liegt ein Mehrheitswahlsystem in zwei Wahlgängen zugrunde (Art. 7. der franz. Verfassung). Erreicht keiner der Kandidaten die im ersten Wahlgang erforderliche absolute Mehrheit der Stimmen, findet der zweite Wahlgang zwischen den beiden am besten platzierten Kandidaten im Abstand von zwei Wochen statt. Für die Präsidentschaftswahl 2012 wurde der 21. April für den ersten Wahlgang und der 6. Mai für den zweiten Wahlgang festgelegt. Seit Gründung der V. Republik und der Einführung der Direktwahl des Präsidenten (1962) erfolgte in allen acht abgehaltenen Präsidentschaftswahlen eine Stichwahl.
Wahlfähig für das Präsidentenamt sind alle französischen Staatsbürger, die ihr 18. Lebensjahr vollendet haben und das aktive Wahlrecht besitzen. Die Teilnahmeberechtigung als Kandidat an der Wahl wird vom Verfassungsrat (Conseil constitutionnel) festgestellt. Um am ersten Wahlgang teilnehmen zu dürfen, mussten von den Kandidaten bis spätestens 19. März 2012 fünfhundert Unterschriften so genannter „Paten“ hinterlegt werden, die eine Kandidatur unterstützen. Eine Patenschaft können alle Parlamentarier, Regionalräte, Departementalräte und Bürgermeister übernehmen. Für eine erfolgreiche Bewerbung des Kandidaten müssen die Patenschaften aus mindestens 30 verschiedenen Departements oder überseeischen Territorien (TOMs) stammen. Dabei dürfen lediglich zehn Prozent aller Unterschriften für einen Kandidaten aus einem Department geleistet werden. Nach Prüfung und Veröffentlichung der Unterstützerlisten der einzelnen Kandidaten verkündet der Conseil constitutionnel die offizielle Liste der Kandidaten, die zur Wahl stehen.
Richard Probst ist Masterstudent am Institut d’Etudes politiques in Grenoble.