Herr Botschafter, wie haben Sie die jüngste Debatte um die Lieferung eines deutschen U-Bootes an Israel wahrgenommen?
Die U-Boote sind wesentlicher Teil unserer strategischen Verteidigung; auch früher haben wir bereits U-Boote erhalten. Wir sind Deutschland sehr dankbar dafür. Eine größere Debatte, die dieses Geschäft und diese Hilfe in Frage stellt, konnten wir nicht feststellen. Politiker und Medien waren damit einverstanden und verstehen, dass wir die Boote brauchen, um uns zu verteidigen.
Sind die U-Boote in Israel ein Thema?
Die Menschen in Israel sind sich der Bedrohungen, denen ihr Land ausgesetzt ist, sehr bewusst. Bei uns gibt es daher auch keine Diskussion um die U-Boote; sie sind für uns wichtig. Im übrigen handelt es sich um kein neues Thema. Bereits seit Jahrzehnten verfügen wir über U-Boote. Nun gab es noch diese Meldungen, dass wir damit auch nichtkonventionelle Raketen abschießen könnten. Aber das ist reine Spekulation, in Israel redet niemand darüber.
Welche Rolle soll Berlin bei der Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts spielen?
Deutschland spielt eine wichtige Rolle. Es hilft den Palästinensern, ihren eigenen, unabhängigen Staat aufzubauen. Das liegt auch im israelischen Interesse. Der Konflikt lässt sich allerdings nur durch direkte Gespräche zwischen Israelis und Palästinensern lösen. Es braucht ein Einverständnis zwischen den Konfliktparteien, dann kommen wir voran. Seit drei Jahren wird jedoch leider nicht verhandelt. Das liegt nicht an uns. Wir sind jederzeit bereit, über alles zu reden. Das haben wir in der Vergangenheit bewiesen. Ich zweifele auch nicht an der grundsätzlichen Gesprächsbereitschaft der Palästinenser – nur momentan weigern sie sich. Wenn es Deutschland gelänge, die Palästinenser davon zu überzeugen, dass es falsch ist, sich Verhandlungen zu verschließen, dann wäre das ein sehr wichtiger Beitrag.
Sind wir zu ungeduldig mit dem Vorankommen des Friedensprozesses?
Es gibt in Europa die Gewohnheit, die Entwicklung im Nahen Osten anders zu sehen als wir es tun. Leider ist der Nahe Osten politisch noch nicht so stabil wie Europa – aber ich wünsche mir, dass das eines Tages, hoffentlich noch zu unseren Lebzeiten, so sein wird. Die Umbrüche des „arabischen Frühlings“ entwickeln sich für einige Länder wie Ägypten oder Syrien zu einer echten Tragödie. Und es sieht so aus, als könne niemand diese Dynamik stoppen.
Inmitten dieser Region liegt Israel: eine lebendige, demokratische Gesellschaft, die versucht, trotz aller Bedrohungen ihre Werte zu bewahren und wie ein normales, entwickeltes Land zu leben. Wir haben manchmal das Gefühl, dass man in Europa überhaupt nicht versteht, dass die Bedingungen, unter denen wir leben, gänzlich andere sind.
Nachrichten über Israel handeln meist vom Nahostkonflikt. Welches sind die Themen, die Sie in der Berichterstattung über Ihr Land gerne häufiger finden würden?
Wir versuchen nicht etwa die politischen Themen zu unterdrücken. Wir Israelis haben ja ein Interesse daran, dass die Welt die Auseinandersetzung zwischen Palästinensern und Israelis versteht. Aber leider verdecken die politischen Fragen allzu häufig, in wie vielen Bereichen Israel Erfolge vorzuweisen hat. Nehmen Sie nur die vielen Hightech-Produkte, in denen israelisches Know-How steckt. Unser Wassermanagement ist weltberühmt. In einer Zeit, in der eine wachsende Weltbevölkerung ernährt werden muss, helfen unsere Entsalzungssysteme, die Wasserversorgung zu verbessern. In Israel werden zudem 80 Prozent des Wassers recycelt und nochmals für die Landwirtschaft verwendet.
Auch kulturell sind wir äußerst produktiv. Gerade in Berlin zeigt sich das: Viele israelische Künstler sind hier tätig, beispielsweise als Musiker, bei den Philharmonikern oder in der Staatsoper. Zudem bestehen zwischen Deutschland und Israel intensive wissenschaftliche Beziehungen, viele israelische Studenten sind an deutschen Universitäten eingeschrieben.
Wie sähen deutsch-israelische Beziehungen aus, die die Geschichte einbeziehen und zugleich ein Fundament für die Zukunft bieten?
Die deutsch-israelischen Beziehungen sind einzigartig. Sie gründen auf zwei Säulen: Zum einen auf der Vergangenheit – ob wir das wollen oder nicht, egal wie lange der Holocaust und der Zweite Weltkrieg zurückliegen. Unseren Beziehungen wohnt dieser besondere Aspekt der deutschen Schuld und Verantwortung inne; andererseits müssen die Juden wieder lernen, mit den Deutschen in Verbindung zu stehen. Diese gemeinsame Geschichte verbindet uns, meiner Meinung nach auf ewig, egal ob Sie die Täter und wir die Opfer waren. Das ist der eine Teil der Beziehungen – aber damit allein kann man nicht weiter machen, das reicht nicht für die Zukunft.
In den vergangen Jahrzehnten ist aber auch ein großartiges Netzwerk von Verbindungen in den unterschiedlichsten Bereichen entstanden. Wir teilen dieselben Werte wie Demokratie, Freiheit und Menschenrechte. Wir akzeptieren Menschen, die nicht genauso sind wie wir; Berlin ist für diese Einstellung beispielhaft. Zu diesem Fundament kommen natürlich gemeinsame wirtschaftliche Vorhaben. Wir arbeiten außerdem im Bildungsbereich zusammen.
Ich bin nun seit fast fünf Monaten Botschafter Israels in Deutschland und jeden Tag lerne ich neue Aspekte unserer Beziehungen kennen und erlebe, wie breit gefächert und tief sie sind. Das macht mich glücklich. All das zusammengenommen weist hoffentlich in die Zukunft und wirkt als eine Versicherung, dass unsere Beziehungen einzigartig bleiben.
Zukunft funktioniert aber nicht ohne die Vergangenheit; man kann nicht etwa nur eine Komponente auswählen und die andere, historische, ausblenden. Die deutsch-israelischen Beziehungen sind eben nicht so wie die zwischen anderen Ländern. Sprechen wir über Israel und Deutschland, dann bedarf es dieser beiden Dimensionen.
Die Fragen stellte Lucas Lypp, Online-Redakteur
Yakov Hadas-Handelsman, Botschafter des Staates Israel in Deutschland, gab dieses Interview am Rande der Aufzeichnung der Sendung „Botschaftermatinee“ des RBB-Inforadio in der DGAP am 21. Juni 2012. Hadas-Handelsman diskutierte mit Dr. Sylke Tempel, Chefredakteurin der Zeitschrift INTERNATIONALE POLITIK (IP) und Israel-Expertin, Yoav Sapir, Deutschlandkorrespondent der israelischen Tageszeitung Maariv und weiteren Gästen.
Die Veranstaltungsreihe „Botschaftermatinee“ ist eine Kooperation des RBB-Inforadio mit der DGAP. Seit Januar 2007 begrüßt Redakteurin Sabine Porn alle zwei Monate den Botschafter eines Landes sowie zwei weitere Gäste und führt Gespräche über Land und Leute, Politik, Kultur und Geschichte. Die nächste Veranstaltung findet am 9. August 2012 statt. Zu Gast ist der Botschafter der Türkei, Hüseyin Avni Karslıoğlu.