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17. Dez. 2024

Das Konzept der feministischen Außenpolitik in der deutschen Europapolitik

Leonie Stamm: Deutsche Europapolitik/FAP
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Die Ampelregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag der Umsetzung einer feministischer Außenpolitk (FAP) verschrieben. Doch die zeitgleich eingetretenen außen- und innenpolitische Krisen haben die FAP vor immense Herausforderungen gestellt. Dabei könnte feministische Außenpolitik einen wichtigen Beitrag leisten und als Leitfaden dienen, deutsche Europapolitik progressiv und werteorientiert weiterzuentwickeln. Wie dies gelingen kann, beschreibt Leonie Stamm in ihrem Beitrag für das interdisziplinäre Werk „Deutsche Europapolitik: Handbuch für Wissenschaft und Praxis“. 

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Die vollständige Ausgabe des Handbuchs finden Sie hier. 

Abstract

Die Bundesregierung aus SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP hat sich in ihrem Koalitionsvertrag 2021 dazu bekannt, eine feministische Außenpolitik (FAP) zu verfolgen. So möchte die Ampelkoalition „im Sinne einer Feminist Foreign Policy [Hervorhebung im Original] Rechte, Ressourcen und Repräsentanz von Frauen und Mädchen weltweit stärken und gesellschaftliche Diversität fördern.“ Diese Entscheidung erfolgte in Zeiten eines tiefgreifenden internationalen Wandels. Der völkerrechtswidrige Angriff Russlands auf die Ukraine erschütterte scheinbar fest etablierte sicherheitspolitische Annahmen. Die Auswirkungen dieses Krieges reichten weit und beeinflussten maßgeblich auch die deutsche Politik. 

Die Europäische Union sieht sich jedoch nicht nur äußeren Krisen gegenüber, sondern auch inneren Herausforderungen. So setzen die Asylreform, die Notwendigkeit institutioneller Reformen und Erweiterungsdiskussionen den europäischen Zusammenhalt unter Druck. Gleichzeitig ist ein sichtbarer Rechtsruck innerhalb zahlreicher Mitgliedstaaten sichtbar. Die Einschränkung der Rechte von Frauen und marginalisierten Gruppen sowie der Arbeit von zivilgesellschaftlichen Organisationen bei gleichzeitigem Untergraben der Rechtsstaatlichkeit geben Anlass zur Sorge. Die erstarkende transnationale Anti-Gender-Bewegung, die grundlegende Werte der Europäischen Union angreift, verschärft diese Probleme. Dies steht der Idee der Europäischen Union als Wertegemeinschaft, die für die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichstellung, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte als Grundprinzipien wirbt (Art. 2 Vertrag über die Europäische Union), diametral gegenüber. 

Die Umsetzung von FAP in dieser komplexen Lage führt zu vielschichtigen Debatten um ihre Notwendigkeit, Wirksamkeit und Legitimation. Ihre Anwendung in der deutschen Europapolitik hat bisher wenig Betrachtung erfahren. Dabei bieten sich für ihre Integration zahlreiche Möglichkeiten. So kann sie als Leitfaden dienen, deutsche Europapolitik progressiv und werteorientiert weiterzuentwickeln. Vor dem Hintergrund genannter Entwicklungen erfordert auch die deutsche Europapolitik eine Neuausrichtung, die sich an den veränderten Gegebenheiten auf dem internationalen Parkett orientiert – und den sichtbaren Tendenzen der Abschottung und Geopolitisierung Europas etwas entgegensetzt. 

Vorliegendes Kapitel beleuchtet das Konzept der FAP im Kontext der deutschen Europapolitik. Dazu werden ihre Grundlinien und Entstehung aufgezeigt und ihre Umsetzung in Deutschland betrachtet. Anschließend wird untersucht, welche Anknüpfungspunkte sich innerhalb der FAP mit den traditionellen Werten deutscher Europapolitik finden – und wie sich diese im Sinne einer FAP weiterentwickeln lassen. Deutschland stand oftmals in der Kritik, als Status-quo-Macht wenig Interesse an Veränderung und  Initiative zur aktiven Gestaltung der europäischen Politik zu zeigen. Es wird argumentiert, dass FAP als Kompass für eine progressive Neuausrichtung deutscher Europapolitik dienen kann, die eine verstärkt werteorientierte Ausrichtung der Europäischen Union in den Fokus nimmt und mit der deutschen „Status-quo-Orientierung“ bricht. Schlussendlich wird betrachtet, welche Möglichkeiten es für eine europäische FAP gibt und welche Rolle Deutschland hier einnehmen kann.

Dieses Grundlagenwerk analysiert in seiner 3., vollständig überarbeiteten Auflage mehr als 65 Jahre deutsche Europapolitik in wesentlichen Politikfeldern der EU. Erfasst werden auch die Politikgestaltung der Ampelregierung und die Auswirkungen der „Zeitenwende“ durch den Krieg in der Ukraine. Weitere Neuerungen sind das Kapitel zum Konzept der feministischen Außenpolitik und zur Klimaanpassungspolitik sowie die Ergänzung des Umweltkapitels um Energiepolitik. Das Handbuch ist unverzichtbar für Forschende, Studierende, Politiker:innen und Praktiker:innen. Es wird vom Auswärtigen Amt gefördert. Die Herausgeber:innen sind am Institut für Europäische Politik angesiedelt, das im Rahmen des CERV-Programms 2021–2027 der EU finanziert wird.
 

 

Bibliografische Angaben

Stamm, Leonie. “Das Konzept der feministischen Außenpolitik in der deutschen Europapolitik .” German Council on Foreign Relations. December 2024.

In: Jopp, Mathias / Tekin, Funda (Hrsg.) (2024): Deutsche Europapolitik: Handbuch für Wissenschaft und Praxis. 3. Auflage, Baden-Baden: Nomos (NomosHandbuch), 611 S.

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