Neues altes Russland

Stimmen zur russischen Präsidentschaftswahl

Datum
05 März 2012
Uhrzeit
-
Ort der Veranstaltung
DGAP, Deutschland
Einladungstyp
Nur für geladene Gäste

Share

Bei der Präsidentschaftswahl errang Putin zwei Drittel der Wählerstimmen, doch nun mehren sich Berichte über Unregelmäßigkeiten und Wahlmanipulation. Gleb Pawlowski, Direktor des Fonds für Effektive Politik, beschreibt sogenannte Wahlkarusselle, bei denen eine große Anzahl von Arbeitern und Soldaten in Bussen von Wahllokal zu Wahllokal gefahren wurden, um mehrmals ihre Stimme abzugeben. „Wahlbetrug hat es in Russland schon immer gegeben – ob unter Jelzin oder Putin. Aber das Misstrauen der russischen Bürger ist ein Novum.“

Dass Putin eine so hohe Stimmanzahl auf sich vereinen und trotzdem in den Städten mit durchschnittlich 50 Prozent kein gleichwertiges Ergebnis erzielen konnte, erklärt Pawlowski folgendermaßen: Putin habe nach dem Prinzip einer „Versicherungsgesellschaft“ agiert: Er habe jene mobilisiert, die mit ihren Löhnen und Sozialleistungen vom Staat abhängen. Diese Leistungen zu sichern sei für diese Bevölkerungsschicht lebenswichtig. Deshalb hätten sie bei der Präsidentschaftswahl ihre „Versicherungsgesellschaft“ verteidigt. Pawlowski schloss daraus: „Folglich regiert Putin durch die Macht der Schwächeren. Er ist ein Präsident ohne Hauptstadt“.

Putins „zweiter Gesellschaftsvertrag“

Wie wird Putin der urbanen, jungen und gebildeten Bevölkerungsschicht, die auf den Straßen gegen Wahlfälschungen protestiert, entgegentreten? Seipel entwickelte zwei Szenarien: „Entweder eskaliert die Bewegung und Putin wird mit Repressionen gegen sie ankämpfen, oder aber es bildet sich in den nächsten zwei bis drei Monaten ein institutioneller Dialog heraus, denn Putin weiß, dass die Mittelschicht wachsen wird.“ Pavlovsky sprach von der Notwendigkeit eines „zweiten Gesellschaftsvertrags“, den Putin schließen müsse. Der erste habe darauf abgezielt, das "Jelzin-Chaos" zu beseitigen. Der neue müsse den Weg für politische Koalitionen ebnen.

Doch mit wem soll überhaupt koaliert werden? Für Rainer Lindner ist der geeignete Oppositionskandidat mit liberaler Agenda, der die Protestierenden hinter sich versammeln könnte, noch nicht in Sicht. Es handele sich somit noch nicht um eine wirklich systematische Opposition. Hubert Seipel geht davon aus, dass es dem nunmehr um 64 Prozent der Wählerstimmen gestärkten Kreml-Chef psychologisch leichter fallen wird, in einen Dialog mit der Opposition zu treten, denn: „Putin, als gewählter Präsident, handelt aus Stärke heraus, nicht aus Schwäche.“

Große Erwartungen

Die Erwartungen an Russland sind groß. Wird sich Russland in Sachen Syrien, NATO und EU weiterhin der Weltgemeinschaft entgegenstellen? Zumindest um die russisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen macht sich Rainer Lindner keine Sorgen. „Ich bin sicher, dass der WTO-Beitritt Russlands zu mehr Stabilität und Rechtssicherheit führen wird“. Was das Raketenabwehrschild anbelangt, war sich die Expertenrunde einig: Russland werde es nicht zulassen, dass Teile seiner Waffen neutralisiert werden. Da seien Kompromisslösungen und ein Umdenken des Westens gefordert.

Format

Early Bird Breakfast
Zielgruppe
Veranstaltung Forschungsprogramm
Core Expertise region