Albanien: Noch nicht reif für den EU-Beitritt

DGAP-Studie: Innenpolitischer Machtkampf bremst zentrale Reformen

Im Oktober veröffentlicht die Europäische Kommission ihren Fortschrittsbericht für Albanien. Das Land hofft auf die Verleihung des EU-Kandidatenstatus. Angesichts der dürftigen Erfüllung der EU-Vorgaben sowie einer andauernden politischen Krise ist das fraglich, so das Ergebnis einer Analyse der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). „Eine positive Entscheidung für Albanien wäre zum jetzigen Zeitpunkt sachlich nicht zu rechtfertigen“, schreiben Ulrike Stern und Sarah Wohlfeld.

Nach Albaniens Antrag auf Aufnahme in die Europäische Union im Jahre 2009 hat die Europäische Kommission dem Land zwölf Prioritäten benannt, die es für den Kandidatenstatus erfüllen muss. Doch obwohl beide großen Parteien des Landes und die breite Bevölkerung den EU-Beitritt zum wichtigsten politischen Ziel erklären, tut Albanien sich schwer damit, Fortschritte in Richtung einer stabilen Demokratie zu machen. „Albanien unterhält gute Beziehungen zu seinen Nachbarn und die politische Führung verfolgt keine nationalistische Agenda“, sagt Sarah Wohlfeld, Expertin für Südosteuropa der DGAP. „Aber die innenpolitischen Probleme lassen den EU-Beitritt Albaniens in weiter Ferne erscheinen.“ Angesichts der dürftigen Ergebnisse bei der Erfüllung der EU-Vorgaben halten die Autorinnen die Verleihung des Kandidatenstatus zum jetzigen Zeitpunkt für fraglich. „Dieser Schritt wäre rein sachlich nicht zu rechtfertigen“, so Wohlfeld.

Innenpolitische Machtkämpfe lähmen politischen Betrieb
Die größte Reformbremse des Landes sei die extreme Spaltung der regierenden Demokratischen Partei (DP) und der Sozialistischen Partei (SP). Seit dem Ende des kommunistischen Regimes 1991 stehen sich die beiden Lager unversöhnlich gegenüber. Dabei seien die ideologischen Unterschiede zwischen DP und SP verschwindend gering, so die DGAP-Expertinnen. „Die Annäherung an die EU wird jedoch gerade durch die extreme Polarisierung ausgebremst“, sagt Ulrike Stern. „Der permanente Streit der beiden Lager blockiert den Reformprozess für mehr Demokratie, den Albanien jetzt braucht.“

Die Folgen dieses Machtkampfs sind nicht nur im politischen System allgegenwärtig, sondern auch in weiten Teilen der Gesellschaft. Fast alle großen Medienhäuser vertreten – auch aufgrund finanzieller Abhängigkeiten – die Interessen einer der beiden Parteien. „Gute Berichterstattung gibt es gegen Baugenehmigungen“, zitieren die Autorinnen eine albanische Journalistin.

Mangel an Demokratie in der politischen Kultur Albaniens
Die Gründe für die starke Polarisierung der politischen Lager sehen die Autorinnen in der politischen Kultur eines Landes, das in seiner Geschichte kaum Erfahrungen mit Demokratie und demokratischen Machtwechseln gemacht hat. „Weder hat es nach dem Ende der stalinistischen Diktatur 1990 einen grundlegenden Austausch der Eliten gegeben, noch eine ehrliche Aufarbeitung der Vergangenheit“, so Sarah Wohlfeld.

Mangelnde Rechtsstaatlichkeit, Korruption und organisierte Verbrechen sowie eine schwache wirtschaftliche Entwicklung benennen die Autorinnen als weitere Hürden für die demokratische Stabilisierung Albaniens. Zwar konnte das Land erste Teilerfolge verbuchen, allerdings nur unter massivem Druck von außen. „Für einen dauerhaften Wandel müssen die albanischen Parteilager ihre Polarisierung überwinden“, sagt Ulrike Stern. „Darin liegt der Schlüssel für die Stabilisierung der Demokratie in Albanien.”

DGAPanalyse 11/2012
Albaniens langer Weg in die Europäische Union – Innenpolitischer Machtkampf blockiert zentrale Reformen (PDF)
Von Ulrike Stern und Sarah Wohlfeld

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