Vor der Weltklimakonferenz in Paris

Wie den Klimawandel bremsen und die Wirtschaft stärken?

Datum
23 November 2015
Uhrzeit
-
Ort der Veranstaltung
Umspannwerk Alexanderplatz, Berlin, Deutschland
Einladungstyp
Offen

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Den Klimawandel bremsen, ohne die Wirtschaft zu schwächen: Das ist die Herausforderung für eine nachhaltige Energie- und Klimapolitik. In Paris treffen sich ab dem 30. November 2015 die wichtigsten Staats- und Regierungschefs zur 21. UN-Klimakonferenz. Dort soll eine Nachfolge-Regelung für das 2020 auslaufende Kyoto-Protokoll vereinbart werden. „Wird es die Staatengemeinschaft schaffen, weltweit eine schrittweise Dekarbonisierung des Wirtschafts- und Energiesystems einzuleiten? Welche Systeme, welche Technologien und Energieträger sind für diesen Weg am besten geeignet?“, fragte Shell Deutschland-Chef Dr. Peter Blauwhoff in seiner Begrüßungsrede vor mehr als 300 Gästen in Berlin. Der Shell Energie-Dialog sollte darauf jede Menge Antworten finden.

Dr. Harald Kindermann von der DGAP betonte in seinen einleitenden Worten die Bedeutung eines fortwährenden Austauschs: „Fragen zur Energiepolitik brauchen Absprachen. Hier ist die Außenpolitik gefordert. Deshalb sind wir als Mitveranstalter beim Shell Energie-Dialog dabei.“

Mit Zuversicht nach Paris

Beim G7-Gipfel im Juni auf Schloss Elmau gaben die führenden Industrieländer bekannt, dass die Welt bis Ende des Jahrhunderts dekarbonisiert werden solle. Außerdem solle die Erderwärmung auf maximal zwei Grad begrenzt werden.

Dass ein Erreichen dieser Ziele nicht zu Lasten des Wirtschaftswachstums gehen muss, davon ist Franzjosef Schaffhausen, Abteilungsleiter im Bundesumweltministerium, überzeugt: „Deutschland ist ein Land der Ingenieure. Unser Wohlstand speist sich aus der Entwicklung neuer Technologien.“

Den Schlüssel zum Erfolg sieht er deshalb in der Verbesserung der Infrastruktur und in Effizienzmaßnahmen. Dazu gehöre auch, dass Deutschland Energie-Importe reduziere. Aktuell bezieht Deutschland 70 Prozent seiner Energie aus dem Ausland.

Mit Blick auf die anstehende Klimakonferenz in Paris zeigte sich Schaffhausen zuversichtlich. Die Europäische Union habe bereits beschlossen, die CO2-Emissionen bis 2030 um 40 Prozent gegenüber 1996 zu reduzieren. „Die Voraussetzungen sind gut: Wir haben eine breite Kooperation mit den USA, Kanada, Brasilien und weiteren Ländern Südamerikas. Auch China hat Green Development auf die Agenda gesetzt und wird seinen Teil beitragen.“

Als Ausdruck ihres Engagements wertete Schaffhausen die Intended Nationally Determined Contributions (INDC) der Länder. Insgesamt 167 Nationen haben bereits eine solche freiwillige Selbstverpflichtung abgegeben. Eine Zweiteilung der Welt, wie sie nach Kyoto existiert hat, wird es seiner Einschätzung nach nicht mehr geben. In Paris hofft er auf die Einführung eines neuen Mechanismus, der mehr Transparenz schafft und einen Abgleich zwischen Absichtserklärung und tatsächlich geleisteter Maßnahmen ermöglicht. Deutschland werde seine Ziele erreichen. „Wir haben bereits mehr als 100 Maßnahmen umgesetzt, um unsere Vorgabe – 40 Prozent weniger Emissionen bis 2020 gegenüber 1990 – zu verwirklichen.“

Aktuell arbeite die Bundesregierung an einem Klimaschutzplan 2050. Die Herausforderung bestehe darin, sämtliche Bereiche – etwa Stadtentwicklung, Landwirtschaft, Tourismus oder Abfallwirtschaft – mit einzubinden.

Ohne CO2-Bepreisung kein Umdenken

Deutlich weniger zuversichtlich sieht die Paris-Prognose von Prof. Ottmar Edenhofer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung aus. „Das Problem ist die Renaissance der Kohle, die wir aktuell erleben“, so Edenhofer. Weil Kohle so preiswert ist, werden in der nächsten Dekade vielerorts weitere Kohlekraftwerke gebaut, etwa in China, Indien, Vietnam, Indonesien, in Teilen Afrikas oder in der Türkei. „Das bringt uns schnell an die magische Grenze von 1 000 Gigatonnen CO2, die wir maximal noch in der Atmosphäre ablagern können, ohne das Ziel zu gefährden“, sagt Edenhofer.

Eine Erhöhung der globalen Mitteltemperatur um mehr als zwei Grad hätte nicht nur einen deutlichen Anstieg von Umweltkatastrophen zur Folge, sondern wirkt sich auch negativ auf die Arbeits-, Kapital und Agrarproduktivität aus. Um das 2-Grad-Ziel noch erreichen zu können, müsse der CO2-Ausstoß bis 2050 um bis zu 70 Prozent reduziert werden. Edenhofers klare Ansage: „Wenn in Paris keine CO2-Bepreisung eingeleitet wird, werde ich diese Konferenz nicht als Erfolg betrachten“.

Die freiwilligen Selbstverpflichtungen der Länder allein sieht er nicht als Garantie für eine nachhaltige Klimapolitik. „Die meisten dieser Erklärungen sind schwammig formuliert und schließen jede Haftbarkeit bei Nichteinhaltung aus. „So kommt es, dass der Umweltminister eines Landes die INDC formuliert, während der Wirtschaftsminister die Planung weiterer Kohlekraftwerke vorantreibt.“ Außerdem seien die Erklärungen nicht vergleichbar. „Deshalb befürchte ich, dass ohne die Einführung einer CO2-Bepreisung alle noch so verheißungsvollen Absichtserklärungen folgenlos bleiben.“

Eine Einschätzung der Lage aus Ingenieurssicht gab Harry Brekelmans, Vorstand für Projekte und Technologe bei Royal Dutch Shell. Erneuerbare Energien würden ihren Anteil am Energiemix weiter ausbauen. „Shell geht davon aus, dass sie weltweit bis 2060 einen Anteil von bis zu 60 Prozent am Energiemix haben könnten“, sagte Brekelmans. Bei den fossilen Brennstoffen setzt das Unternehmen auf Erdgas als Brückentechnologie. „Es ist in Massen verfügbar und daher günstig, und es verursacht bei der Stromerzeugung nur halb so viele Emissionen wie Kohle. Würde man in Deutschland Kohle komplett durch Erdgas ersetzen, würden wir den Ausstoß von CO2 um 150 Millionen Tonnen reduzieren können“, so Brekelmans.

Shell sei als Pionier in Sachen Flüssiggas im Transportsektor, etwa in der Schifffahrt, und im Bereich der Kohlenwasserstoffmobilität hervorragend aufgestellt. Von den Politikern in Paris erhofft sich der Shell-Experte deutliche Anreize, um diese Entwicklung weiter voranzutreiben. Ein CO2-Bepreisungssystem, das globale Vergleichbarkeit schafft, würde auch Shell unterstützen.

In der anschließenden Podiumsdiskussion, die FAZ-Redakteur Andreas Mihm moderierte, wurden zahlreiche Fragen auch aus dem Publikum angeregt diskutiert. Uneinigkeit herrschte etwa bei der Frage, ob der Verkehr mit in den CO2-Handel integriert werden sollte. Während Franzjosef Schaffhausen dies ablehnte, sieht Ottmar Edenhofer gerade in der Zusammenführung aller Lebensbereiche einen wesentlichen Hebel zur Erreichung der Klimaziele. „Strom und Verkehr wachsen durch die technologischen Entwicklungen der Zukunft zusammen. Wenn wir einen CO2-Preis für die Stromerzeugung einführen, werden Verkehr, Wärmemarkt und alle anderen Lebensbereiche automatisch gereinigt“, sagt Edenhofer.

Unterm Strich blieben an diesem Abend viele neue Erkenntnisse, Denkanstöße und einige offene Fragen. Der Shell Energie-Dialog lieferte damit den idealen Vorgeschmack auf die Weltklimakonferenz in den nächsten Tagen.

Referenten:

Franzjosef Schaffhausen, Leiter der Abteilung Klimaschutz im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit

Prof. Dr. Ottmar Edenhofer, Stv. Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und Direktor des Mercator Research Institute für Global Commons and Climate Change (MCC)

Harry Brekelmans, Shell Vorstand für Forschung und Technologie

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Veranstaltung der Gesellschaft