Jan Eliasson, stellvertretender UN-Generalsekretär, in der DGAP zum Konzept der „Responsibility to Protect“
„Wir sind auf einem guten Weg“, sagte Jan Eliasson. „Ich habe keinen Zweifel, dass das Konzept der Responsibility to Protect (R2P) sich als völkerrechtliche Norm festigt. Es ist heute bereits eine moralische.“ Dass der Schutz der Bevölkerung zu den Aufgaben des Staates gehöre, dem werde mittlerweile fast nirgendwo mehr widersprochen. Dies sei eine Verpflichtung jeder Regierung. Viele regionale Organisationen hätten es zudem in ihre Statuten aufgenommen. In Libyen sei das Prinzip der R2P dann als Aufgabe der Staatengemeinschaft gegenüber einem menschenverachtenden Regime wahrgenommen und erstmals in einer Resolution des UN-Sicherheitsrats angewandt worden.
Souveränität versus Schutzverantwortung?
Dieser Gegensatz sei konstruiert, so Eliasson. Die Betonung der Unverletzlichkeit der staatlichen Souveränität gegenüber dem R2P-Ansatz rühre aus der Angst vieler Regierungen vor unilateraler Intervention und vor Souveränitäts- und Machtverlust. Dem müsse man entgegnen, dass der Schutz der eignen Bevölkerung zu den wichtigsten Aufgaben des Staates gehöre – und damit zum Kern souveräner Machtausübung. Bei staatlichem Versagen aber müsse die internationale Gemeinschaft kollektiv Handeln – keinesfalls dürfe das Konzept der R2P für einzelstaatliche Interessen missbraucht werden, etwa mit dem Ziel ein unliebsames Regime zu stürzen.
Intervenieren oder nicht intervenieren?
Wie lassen sich humanitäre Katastrophen – darunter Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit – abwenden? Wie können Räume der Sicherheit und Hilfskorridore geschaffen werden? Von Srebrenica über Libyen bis zu Syrien: Viele Diskussionsteilnehmer thematisierten die Unerträglichkeit einer Nicht-Intervention, aber auch die Unterschiedlichkeit der einzelnen Fälle. Nicht immer sei ein Eingreifen, beispielsweise in einem Bürgerkrieg, sinnvoll. Ruprecht Polenz, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestags, wies auf die Komplexität der syrischen Situation im Vergleich zu Libyen hin. Es gelte, das Prinzip der R2P effektiv und erfolgreich anzuwenden. Alle Möglichkeiten seien auszuschöpfen, militärisches Eingreifen stelle dabei, wenn überhaupt, nur das letzte Mittel dar. Durch die sogenannte Kontaktgruppe („Freunde des syrischen Volkes“) müsse politischer Druck aufgebaut werden, durch Sanktionen das Regime wirtschaftlich unter Druck gesetzt werden.
Auf die Prävention kommt es an
Es war Jan Eliasson ein Anliegen, den präventiven Aspekt der Schutzverantwortung zu unterstreichen. „Je früher wir erkennen, dass es zu einer Zuspitzung der Lage kommt, desto besser lässt sich eine Eskalation verhindern.“ Dazu seien eine ausreichende Präsenz und präzise Beobachtungen in den Krisenregionen nötig. Das internationale Engagement solle dabei auch von nichtstaatlichen Akteuren getragen werden. Zeige sich ein Land nicht kooperationsbereit, müssten die diplomatischen Anstrengungen durch eine Resolution des UN-Sicherheitsrats untermauert oder durch eine glaubhafte militärische Drohkulisse begleitet werden. Eine größtmögliche Geschlossenheit der Staatengemeinschaft sei dafür unabdingbar.
Jan Eliasson war 2006 Außenminister von Schweden und 2005-2006 Präsident der UN-Generalversammlung. Er leitete die Verhandlungen, die während des UNO-Gipfels 2005 zur Annahme des Prinzips der Schutzverantwortung führten. Ab 1. Juli 2012 wird er das Amt des stellvertretenden UN-Generalsekretärs bekleiden. [Bericht vom 19. März 2012]