Die Konfliktlage ist nicht etwa zufälligen Ereignissen oder erratischen Entscheidungen geschuldet. Dieser sich verschärfende Krieg ist die Konsequenz strategischer Handlungen: einerseits Trumps einseitiger Aufkündigung des Nukleardeals und Amerikas Strategie des „maximalen Drucks“ auf das Regime in Teheran. Die fatale Entwicklung ist andererseits auch der Fehlkalkulation iranischer Führer geschuldet.
In seiner Fehlwahrnehmung US-amerikanischer Schwäche leitete das iranische Regime einen tiefgreifenden Wandel in seiner Regionalstrategie ein. Indem es umfassende militärische Fähigkeiten in der Region, allen voran im Irak, in Syrien und im Libanon, aufbaute, bereitete es sich für einen möglichen größeren Konflikt mit Israel vor, wie bereits im Oktober 2019 der Sicherheitsexperte Yossef Bodansky warnte.
Die USA und Israel spielten auch schon länger öffentlichkeitswirksam mit dem Gedanken, durch Präventivschläge die Gefährdung durch den Iran auszuschalten. Diese Option besteht jedoch nur solange, bis sich der Iran noch nicht durch Atomwaffen unangreifbar gemacht hat.
Aus Sicht Israels – und der aktuellen US-Regierung unter Donald Trump – spielt die Zeit für den Iran. Der von den Europäern, China und Russland mitverhandelte Nukleardeal zwischen Trumps Vorgänger Barack Obama und dem Iran ist nach ihren Vorstellungen nicht geeignet, der Nuklearbewaffnung des Iran wirksam Einhalt zu gebieten. Es war denn auch keine große Überraschung, dass US-Präsident Trump im Mai 2018 das Abkommen einseitig aufkündigte.
Mit ihrer geo-ökonomischen Strategie des „maximalen Drucks“ durch (Sekundär-)Sanktionen haben die USA seitdem versucht, das iranische Regime an den Verhandlungstisch zu nötigen, damit Teheran nicht nur seine Nuklearpläne aufgibt, sondern auch seine regionalen Aktivitäten einschränkt – Letzteres wurde seinerzeit vom Nuklearabkommen ausgeklammert.
Die iranische Führung sollte jedoch nicht die Entschlossenheit der USA unterschätzen, militärisch einzugreifen, falls der Iran nicht seine – auch innenpolitisch motivierten – Bemühungen einstellt, sich konventionell und nuklear zu bewaffnen und die regionale Dominanz zu etablieren.
Anders als viele Beobachter auch hierzulande annehmen, würde eine militärische Konfrontation mit dem Iran dem amerikanischen Präsidenten innenpolitisch nicht schaden – im Gegenteil: Ein „rally around the flag“-Effekt, eine patriotische Sammelbewegung um den Präsidenten und Oberbefehlshaber angesichts einer nationalen Sicherheitsbedrohung, könnte Trump sogar im Wahljahr nützlich sein.
Um einer externen Bedrohung zu begegnen, ist der Präsident auf inneren Zusammenhalt, also auch auf ein „unified government“ angewiesen. Kritik und Kontrolle der Legislative wären angesichts einer nationalen Bedrohung in einer patriotisch aufgeladenen Stimmung nicht zu erwarten.
Die dominante Rolle des Oberbefehlshabers der Streitkräfte in einer nationalen Krise könnte Trump auch vor seinem persönlichen Ohnmachtsszenario schützen: nämlich seiner Abwahl oder dem Verlust der Mehrheiten in beiden Kammern der Legislative bei den anstehenden Präsidentschafts- und Kongresswahlen am 3. November 2020.
Fazit: Auf beiden Seiten, sowohl im Iran als auch in den USA, sind neben geo-strategischen Ambitionen vor allem auch innenpolitische Kalküle im Spiel, die weiterhin die Gefahr einer militärischen Eskalation bergen. Trumps Aufforderung an die Nato-Verbündeten, mehr für ihre Sicherheit – auch im Nahen Osten – zu tun, sollten die Europäer ernst nehmen.