Ein gutes Team? Frankreichs Formtief und die deutsch-französischen Beziehungen

Eine deutsch-französische Diskussion über die gegenseitige Wahrnehmung und Wege aus der Krise.

Date
26 November 2014
Time
-
Event location
Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin, Germany
Invitation type
Invitation only

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Frankreichs Reformansatz

Guillaume Duval, Chefredakteur der französischen Zeitschrift Alternatives économiques, hielt fest, dass die französische Wirtschaft die Schuldenkrise durchaus gut gemeistert habe. Beklagenswert sei allerdings die geringe Wettbewerbsfähigkeit Frankreichs. Die ersten Reformanstrengungen der französischen Regierung bergen aus seiner Sicht zu viel sozialen Sprengstoff. Am Schröder’schen Reformpaket könne man sehen, dass es Deutschland Armut, Ungleichheit und eine vernachlässigte Infrastruktur eingebracht habe.

Jean Quatremer, Brüssel-Korrespondent der Tageszeitung Libération, meinte, Reformen seien in Frankreich besonders im öffentlichen Sektor notwendig, während sich der private längst reformiert habe. Die französische Politik sei jedoch durch den beschützten Beamtensektor blockiert.

Claire Demesmay, Leiterin des Programms Frankreich/deutsch-französische Beziehungen bei der DGAP, stellte fest, dass der französische Präsident theoretisch die politische Legitimität habe, Entscheidungswillen vorausgesetzt, auch ohne Zustimmung der Nationalversammlung Reformen durchsetzen. Zurzeit sei aber das Vertrauen in die französische Elite und den Präsidenten nicht vorhanden. Auch den Sozialpartnern mangele es an Vertrauen, um einen sozialen Dialog herzustellen. Die Bevölkerung befürworte tendenziell Reformen.

Was Deutschland und Frankreich voneinander erwarten

Laut Daniela Schwarzer, Forschungsdirektorin des German Marshall Fund in Berlin, verfehle Frankreich es, die europäische Diskussion anzuregen und Deutschland mit eigenen Vorschlägen entgegenzutreten. Claire Demesmay sprach von einem Teufelskreis, der aus der französischen Schwäche im politischen und wirtschaftlichen Bereich entstehe. Weil Frankreich dadurch weniger Einfluss auf den europäischen Diskurs habe, frustriere dies die Bevölkerung zusätzlich. Aber auch wenn der Wille zu deutsch-französischen Kompromissen derzeit krisele, seien Lösungen bisher immer möglich gewesen.

Jean Quatremer fügte hinzu, dass die Bundeskanzlerin seit Jahren nichts zur Veränderung in Europa beigetragen habe, außer anderen Regeln vorzuschreiben, die man selbst nicht einhalten würde. Die derzeitige Haltung trage zu einer zunehmenden Germanophobie bei. Auch wenn die deutsch-französischen Beziehungen belastet seien, betonte Claire Demesmay, dass ein „Deutschland-Bashing“ momentan eher in der französischen Elite stattfinde und die Bevölkerung noch ein positives Deutschlandbild habe.

Wege aus der Krise sah Guillaume Duval in einem Beschäftigungs- und Investitionsprogramm, dass ehrgeiziger sein müsse als das aktuelle Vorhaben der EU-Kommission. Außerdem sollten diese Maßnahmen die Energiewende einbeziehen und diese somit vorantreiben. Steuerharmonisierung in der Europäischen Union sei auch ein wichtiger Aspekt für die Krisenbewältigung. In Bezug auf deutsch-französische Zusammenarbeit regte Duval an, dass beide Länder ein starker Motor für Innovationen im digitalen Bereich sein könnten.

Wege für die Zukunft

Jean Quatremer bemängelte, dass die Krise falsch diagnostiziert werde. Der wahre Grund für die Krise sei aus der Haltung entstanden, dass die Bundesregierung 2008 eine Garantie zu Spareinlagen und somit zur Bankenrettung ausgesprochen habe. Damit habe sie allerdings keine Solidarität bezüglich einer gemeinsamen Haftung für Staatsschulden geschaffen. Die 3%-Neuverschuldungsregel sei nicht mehr aktuell, da die Weltwirtschaft sich in zwanzig Jahren globalisiert und stark verändert habe. Die Bevölkerung Europas brauche ein anderes Projekt, an das es glauben könne.

Europa sei derartig ökonomisch integriert, dass man zusammen entscheiden müsse, anstatt schlicht Regeln zu befolgen, sagte Guillaume Duval. Um die Wettbewerbsvorteile Deutschlands aufzuholen müssten laut Guillaume Duval die anderen europäischen Staaten in Deflation rutschen, wenn Deutschland weiterhin 1% Inflation aufweise. Zudem könnte ein Rückgang der Staatsausgaben und -schulden bei Deflation nicht erreicht werden. Deutschland müsse 2-3% Inflation für mehrere Jahre akzeptieren, wenn es ihm Ernst sei mit dem europäischen Projekt.

Daniela Schwarzer meinte, es sei nicht nur politischer Druck von deutscher Seite, der Reformen bedinge, sondern vor allem die Struktur der Eurozone. Eine Integration der Geldpolitik, die Schaffung eines gemeinsamen Kapitalmarktes und einer gemeinsamen Beschäftigungspolitik würden zu automatischem Reformdruck führen. Auch hierzulande müsste man durch weitere Reformen und Investitionen für Wachstum sorgen und berücksichtigen, dass die derzeitige Struktur der Eurozone dazu führe, dass sich jede Regierung nur auf die Stimmung im eigenen Land konzentriere.

Dr. Christine Pütz, Referentin Europäische Union in der Heinrich-Böll-Stiftung, moderierte die Diskussion. 

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