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Feb 04, 2025

Doppelt entschlossen: Wie Europa sich verteidigungspolitisch auf Trump II vorbereiten sollte

NATO-Fahne mit den Fahnen der USA und Europa
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Die Wiederwahl von Donald Trump hat erhebliche Auswirkungen auf die europäische und damit auch deutsche Sicherheit. Schließlich hat der ehe- und abermalige Präsident häufig selbst Bedenken an seiner Bereitschaft, zu Europas Verteidigungsfähigkeit beizutragen, gesät. Während seiner ersten Amtszeit schürte Trump bekanntlich Skepsis gegenüber der Verteidigungsallianz und forderte – zurecht – höhere Verteidigungsausgaben der europäischen Mitgliedstaaten (und Kanadas). Seine Rückkehr ins Weiße Haus wirft Fragen darüber auf, welchen Einfluss die zweite Amtszeit Trumps auf die Sicherheitsarchitektur des Kontinents haben könnte.

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Anstatt sich von der Sorge lähmen zu lassen, wie Trump die Sicherheit Europas beeinflussen könnte, müssen die europäischen NATO-Staaten, allen voran Deutschland, entschlossen handeln, um sich auf die bevorstehenden Herausforderungen vorzubereiten. Folglich sollten die europäischen NATO-Staaten einen zweigleisigen Ansatz verfolgen: 

  1. die Produktionskapazitäten für Verteidigungsgüter ausbauen und 
  2. die Integration ihrer jeweiligen Streitkräfte vertiefen.

 Dadurch kann es Europa gelingen, seine übermäßige Abhängigkeit von den USA zu überwinden und gleichzeitig in unabkömmliche Verteidigungsmaßnahmen investieren, die in Anbetracht der Sicherheitslage in Europa und darüber hinaus notwendig sind. 

Angesichts der hohen Erwartungen sowohl innerhalb als auch außerhalb Deutschlands an die Zeitenwende, wonach das Land zu einem zuverlässigeren und proaktiveren Akteur in der europäischen Sicherheit werden soll, ist es sinnvoll, insbesondere Berlin in diesem Zusammenhang in den Blick zu nehmen. 

Rahmenbedingungen für gesteigerte Verteidigungsindustriefähigkeiten 

Bürokratische und finanzielle Hürden erschweren weiterhin den Aufbau und die Erweiterung von Produktions- und Lagerkapazitäten in Deutschland. Darüber hinaus hat sich der deutsche Staat aufgrund der unzureichenden Bereitstellung mittel- und langfristiger Finanzierungsgrundlagen in der Vergangenheit häufig als unzuverlässiger Partner erwiesen, da neue Produktionslinien nur in Verbindung mit langfristigen Abnahmegarantien aufgebaut werden können. Um die aktuellen Hindernisse und die damit verbundenen Herausforderungen zu bewältigen, hat die deutsche Regierung kürzlich eine „Nationale und Verteidigungsindustriestrategie“ verabschiedet. Unter anderem soll geprüft werden, „inwieweit im Voraus Bestellungen für die Bundeswehr (…) für die nächsten zehn Jahre und darüber hinaus ermöglicht werden können, um eine Erhöhung der Produktion (…) zu erreichen.“ Darüber hinaus umfasst die Strategie Überlegungen zu festen Abnahmemengen und Vorauszahlungen.

Ein weiterer wichtiger Vorschlag betrifft die Unterstützung der Regierung für „eine Stärkung der Rolle der Europäischen Investitionsbank im Bereich Sicherheit und Verteidigung (…).“ Würden diese Vorschläge umgesetzt, könnten sie Deutschlands Handlungsfähigkeit erheblich verbessern. Daher sollte sich die nächste Koalitionsregierung in Deutschland zur Umsetzung dieser Strategie verpflichten.

Über die nationale Ebene hinaus muss auch die europäische Dimension der Strategie berücksichtigt werden, insbesondere die Schaffung eines „europäischen Marktes für Verteidigungsgüter und -dienstleistungen.“ Die Erreichung dieses Ziel war bisher aufgrund der Komplexität gemeinsamer Rüstungsprojekte und dem wachsenden Einfluss von Importen aus Nicht-EU-Ländern von mäßigem Erfolg gekrönt.

In diesem Zusammenhang müssen die Mitgliedstaaten nicht nur, aber auch verstärkt über Finanzierungsstrategien für gemeinsame Beschaffungsinitiativen nachdenken. Diese Initiativen sind nicht nur entscheidend für die fortgesetzte Unterstützung der Ukraine, sondern auch für die Stärkung der Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeiten der NATO. Eine mögliche Lösung wären „Verteidigungsanleihen“, die eine gemeinschaftliche Kreditaufnahme und somit eine gemeinsame Verschuldung ermöglichen, um die kollektive Produktion in der Verteidigungsindustrie zu fördern. Deutschland hat sich jedoch als ein bedeutender Gegner dieses Ansatzes herausgestellt, was eine Haltung ist, die die nächste Regierung dringend überdenken sollte.

Verstärkte Militärintegration in Europa 

Um sich auf die möglichen Folgen von Trumps zweiter Amtszeit vorzubereiten, ist außerdem die weitergehende Integration von Streitkräften über EU- und NATO-Mitgliedstaaten hinweg notwendig. Zwar wurden solche Bemühungen in der Vergangenheit bereits unternommen, doch bleibt dieser Vorschlag auch heute noch relevant. Denn: Bis jetzt wurden die Integrationsversuche verschiedener europäischer Nationen selten auf ihre Einsatzbereitschaft hin getestet, was angesichts der aktuellen und absehbaren Sicherheitslage das Ziel sein sollte.

Die künftige Integration von Streitkräften sollte in permanenten multinationalen Formationen organisiert werden, wobei nationale Brigaden als zentrale Einheiten fungieren, die regelmäßig zusammen trainieren. Dieser Schritt steht im Einklang mit dem NATO Force Model (NFM), das im Juni 2022 als Reaktion auf die russische Vollinvasion der Ukraine verabschiedet wurde. Das zentrale Ziel des NFM ist es, einen Pool von 300.000 Soldaten zu schaffen, die kurzfristig einsatzbereit sind.

Um diesen Ansatz zu verstärken und zu ergänzen, sollte Deutschland darauf hinwirken, dass europäische Verbündete gemeinsame Schritte unternehmen, um die strategischen Fähigkeitslücken in der Verteidigung Europas zu schließen, die derzeit von den Vereinigten Staaten abgedeckt werden. Diese Lücken betreffen unter anderem Lufttransportkapazitäten, Aufklärungsflugzeuge und Luftbetankung. Deutschland sollte sich für eine aktivere Nutzung des Framework Nation Concepts (FNC) einsetzen, um diese wesentlichen Fähigkeiten zu erwerben. Angesichts der Schlüsselrolle Deutschlands bei der Einführung und Weiterentwicklung des FNC ist es naheliegend, dass Berlin die Bemühungen anführt, dessen Wirksamkeit zu stärken und die nationalen Streitkräfte innerhalb von NATO-Europa weiter zu integrieren.

Europa kann durch die gleichzeitige Steigerung seiner Waffenproduktionskapazitäten und die Vertiefung der Integration der europäischen NATO-Streitkräfte seine Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten verringern und gleichzeitig den Herausforderungen eines sich wandelnden sicherheitspolitischen Umfelds begegnen. Dieser doppelte Ansatz würde es den Europäern ermöglichen, in einer sich schnell verändernden geopolitischen Ära handlungsfähiger zu werden.

Bibliographic data

Matlé, Aylin. “Doppelt entschlossen: Wie Europa sich verteidigungspolitisch auf Trump II vorbereiten sollte.” German Council on Foreign Relations. February 2025.

Dieser Artikel ist erstmals als Gastkommentar im Handelsblatt Journal in einer Sonderveröffentlichung von Euroforum Deutschland am 4. Februar 2025 erschienen. 

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