Entscheidendes leistet immer zuerst die Luftwaffe

Der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Karl Müllner, berichtet über den Beitrag der Luftwaffe bei Bundeswehreinsätzen und verteidigt den Ansatz „Breite vor Tiefe“ der Neuausrichtung

Date
11 March 2014
Time
-
Event location
DGAP, Rauchstr., 10787 Berlin, Germany
Invitation type
Invitation only

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Müllner schob seinem Vortrag voran, dass er sein Amt als Inspekteur nicht nur als „exekutiven Appendix des BMVg“ verstehe, sondern klare Möglichkeiten sehe, zum Denken und Entscheiden in sicherheits- und verteidigungspolitischen Fragen Beiträge zu leisten. Abseits der großen Debatten über eine europäische Verteidigungsstrategie, akzentuierte Müllner die praktischen Aspekte in Einsatz und Ausrüstung der Luftwaffe. Große Betätigungsfelder seien dabei die Beteiligung in Bündnissen wie der NATO sowie die Aufgabenerfüllung im Rahmen der internationalen Krisenprävention und Konfliktbewältigung. Die vielschichtige Verantwortung des Konfliktmanagements bedürfe eines ganzheitlichen Politikansatzes, aber eben auch den Einsatz entscheidender Fähigkeiten. Hier seien die Luftstreitkräfte die „Königswaffe“, da sie in den meisten militärischen Einsätzen zuerst eingesetzt würden. Bespiele wie der Balkan, Afghanistan, Mali oder Libyen – wenngleich dort ohne deutsche Beteiligung – zeigten, wie wichtig der Einsatz von Luftstreitkräften im Konfliktmanagement sei. Meistens ermöglichten erst luftgestützte Operationen eine Einsatzfreiheit oder den Stabilisierungseinsatz im Anschluss. Deshalb lenke die Neuausrichtung der deutschen Luftwaffe den Blick auch stärker auf den Einsatz. Der Ansatz „Breite vor Tiefe“ garantiere Flexibilität und Einsatzfähigkeit, auch wenn er nicht kostengünstig ist. Mit Fähigkeiten im Bereich der Raketenabwehr, nuklearen Teilhabe, Luftbetankung oder medizinische Versorgungen über die Luft sowie mit Fähigkeiten in Lufttransport und -beobachtung, besitzt Deutschland auch sogenannte kritische Fähigkeiten. Deutlich wurde Müllner beim deutschen Engagement im internationalen Verbund: im Sinne einer angestrebten multilateralen Kooperation bedeute Lastenverteilung eben auch Lasten zu tragen, die „wehtun“ könnten. Es reiche deshalb nicht aus, lediglich eine medizinische Versorgung anzubieten, wenn kritische Fähigkeiten vorgehalten würden.

Im Bereich Ausrüstung der Luftwaffe bleibe der Beschaffungsbedarf ungemindert hoch. Zwar verfüge die Luftwaffe bei der Luftverteidigung mit dem Tornado und dem Eurofighter über gute und bewährte Kampfflugzeuge, die allerdings künftig die Fähigkeit zu mehreren Einsatzrollen bekommen müssten. Die Beschaffung „bewaffneter, ferngesteuerter Luftfahrzeuge“, wie Müllner waffenfähige Drohnen neu umschrieb, sei dringend erforderlich. Zahlreiche Einsätze hätten gezeigt, wie wichtig unbemannte Luftfahrzeuge nicht nur für die Aufklärung, sondern auch für den Schutz der Truppen am Boden seien. Dem Missbrauchsargument bei einem Drohneneinsatz entgegnete der Inspekteur: Es gebe keinen Unterschied, ob der Mensch im Cockpit oder am Bildschirm sitze. Das abgebrochene Rüstungsprojekt EuroHawk deklarierte Müllner – rein aus militärischer Sicht – nicht als „Debakel“: Der EuroHawk sei eben ein Prototyp gewesen, der letzten Endes doch nicht beschafft wurde, das ändere aber den grundsätzlichen Bedarf an unbemannten Luftfahrzeugen für die strategische Aufklärung nicht. Die endgültige Zukunft des geplanten Aufklärungssystems sei noch nicht entscheidungsreif.

Einen Nachwuchsmangel bei der Luftwaffe bestätigte Müllner nicht, im Gegenteil gebe es eine gute Bewerberlage. Leider sei nur die Belastung im Einsatz viel zu hoch, hinzu käme der Anspruch, ein möglichst hohes Maß an Interoperabilität in und zwischen den Teilstreitkräften herzustellen. Deshalb bedürfe es einer präzisen und technisch versierten Ausbildung der Truppe. Im Bereich der multinationalen Zusammenarbeit betonte Müllner: Die Luftwaffe sei z.B. in die Kommandostruktur der NATO eingebunden und unterstütze Kooperationsprojekte wie AWACS. Es sei aber von hoher Dringlichkeit, dass Deutschland auch bei anderen Projekten als verlässlicher Partner auftrete, um Vertrauen zu schaffen. Vor diesem Hintergrund bemängelte Müllner den seiner Meinung nach politisch fortschrittlichen, aber militärisch weniger sinnvollen „Pooling and Sharing“-Gedanken: Er bilde kein realistisches Szenario ab, denn die Bereitschaft anderer Nationen mit Deutschland ins Bett zu steigen, sei relativ begrenzt, ein „strukturellen Nichthandeln“ könnte letztlich die Folge einer solchen Vergemeinschaftung sein. In der multinationalen Zusammenarbeit sollte aus bestehenden Erfahrungen gelernt werden, die Souveränität über Fähigkeitenpotenziale jedoch nicht aufgegeben werden. Die Luftwaffe sei aber bereit, ihren Beitrag zum Wirken der Streitkräfte im multinationalen Verbund zu leisten, damit auch nach Beendigung von Großeinsätzen wie in Afghanistan Interoperabilität erhalten bleibe.

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