Europäische Sicherheit vor Entscheidungen: der GSVP-Gipfel

Experten und Entscheidungsträger diskutieren in der DGAP über deutsche Erwartungen und Initiativen

Date
17 December 2013
Time
-
Event location
DGAP, Berlin, Germany
Invitation type
Invitation only

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Die Antwort auf ein verändertes sicherheitspolitisches Umfeld kann laut Jürgen Schulz, dem Beauftragten für Sicherheitspolitik des Auswärtigen Amtes, nur eine stärkere Rolle der EU sein. Erforderlich sei dies vor allem durch neue Gefahren im Bereich der Cybertechnologie oder notwendige Budgetkürzungen der europäischen Verteidigungshaushalte. Weitere Faktoren seien darüber hinaus die Veränderungen in der südlichen und östlichen Nachbarschaft sowie die Verschiebung der US-Prioritäten nach Asien.

Schulz benannte dabei konkrete Arbeitsaufträge für die drei Körbe, mit denen sich der Gipfel beschäftigen wird. Um das erste Ziel, eine erhöhte Wirksamkeit der GSVP, zu erreichen, benötige man eine stärkere Abstimmung der verschiedenen Instrumente, insbesondere zwischen dem Europäischen Auswärtigen Dienst und der Kommission. Eine weitere Maßnahme sei die deutsche Ertüchtigungsinitiative (Enable and Enhance Initiative; E2I), die zum Ziel habe, Partner durch Ausbildung und Ausrüstung zu befähigen, selbst stärker Verantwortung für regionale Stabilität und Sicherheit zu übernehmen. Ebenso sollten die bislang noch nicht eingesetzten „Battlegroups“ durch einen modularisierten Aufbau und die Integration von Trainingselementen mehr Flexibilität erhalten.

Bezüglich des zweiten Themenschwerpunkts, der Verbesserung der europäischen Verteidigungsfähigkeiten, betonte Schulz den Vorteil von „pooling and sharing“-Plänen und lobte das „European Air Transport Command (EATC)“, das eine erfolgreiche Zusammenarbeit der BeNeLux-Staaten mit Frankreich und Deutschland zeige. Für die Stärkung des dritten Korbes, der europäischen Rüstungsindustrie, sei v.a. eine Vereinheitlichung von Standards und Zertifizierungen nötig. In seinem Ausblick bezeichnete Schulz den GSVP-Gipfel als eine Möglichkeit, eine regelmäßige Diskussion über die GSVP anzustoßen, zumal diese im neuen deutschen Koalitionsvertrag als wichtiges Instrument der Außenpolitik genannt sei.

Jana Puglierin dagegen vertrat eine kritischere Meinung. Die Handlungsfähigkeit der GSVP entspreche nicht dem europäischen Gewicht in der Welt. Die „pooling and sharing“-Pläne seien angesichts umfassender europäischer Sparzwänge zwar zu begrüßen, es fehle jedoch noch immer an einem umfassenden Überblick über die bereits vorhandenen Fähigkeiten. Ein „Defense Review“ sei daher als ein erster Schritt empfehlenswert. Des Weiteren sei zu erörtern, warum die im NATO-Rahmen diskutierte Idee der Rahmennationen nicht auch für die GSVP erörtert werde. Die E2I stehe darüber hinaus für die Abneigung Deutschlands, sich an robusten Einsätzen zu beteiligen, und stelle daher den Versuch dar, die GSVP stärker zivil auszurichten. Dies gehe einher mit dem Eindruck der europäischen Verbündeten, Deutschland sei als sicherheitspolitischer Partner unzuverlässig.

Zudem zeigten die Mitgliedstaaten in Hinblick auf eine europäische Verteidigungsindustrie wenig Bereitschaft, nationale Grenzen abzubauen, um nicht die nationale Sicherheit, aber auch eigene Arbeitsplätze zu gefährden. In einer direkten Antwort hob Schulz das deutsche militärische Engagement hervor. Demnach beteilige sich Deutschland u.a. in Afghanistan und zeige als drittstärkster Truppensteller Bereitschaft, auch nach 2014 dort präsent zu sein. Schulz verwies daneben auf die Balkan-Einsätze und die Beteiligung am Kampf gegen die Piraterie am Horn von Afrika.

Henning Riecke thematisierte in seinem Beitrag die zentrale Rolle Deutschlands beim Aufbau europäischer Strukturen. Als Partner sei Deutschland dabei unverzichtbar und könne somit entweder vorausgehen oder blockieren. Dabei gefährde vor allem die „Kultur der militärischen Zurückhaltung“ die multilaterale Zusammenarbeit. Denn Voraussetzung für Legitimität sei ein Selbstverständnis als legitimer Akteur. Eine handlungsfähige GSVP hänge vor allem davon ab, ob Partnernationen den Eindruck hätten, ihre Interessen würden unter deutschem Kommando vertreten. Durch die Modularisierung der Battlegroups könne eine neue Einsatzroutine erreicht und kleinere Missionen ermöglicht werden.

In der anschließenden offenen Diskussion wurden Fragen nach der Rolle des Militärischen in der deutschen Außenpolitik gestellt; betont wurde auch die Notwendigkeit, „lessons learned“ vergangener Missionen in „lessons applied“ für zukünftige Einsätze umzuwandeln. Dafür seien allerdings umfassende Strukturreformen auf nationaler und europäischer Ebene notwendig. Schulz wies darauf hin, dass solch grundsätzlichen Fragen nach der künftigen Organisation von GSVP-Missionen voraussichtlich erst nach dem Gipfel angegangen würden. Eine derartige Debatte müsse auch die entscheidende Frage nach der Finanzierung solcher Missionen einschließen.

VLR I Jürgen Schulz ist Beauftragter für Sicherheitspolitik im Auswärtigen Amt, Dr. Jana Puglierin ist Programmmitarbeiterin im „Berliner Forum Zukunft“ der DGAP und Dr. Henning Riecke leitet das Programm USA / Transatlantische Beziehungen der DGAP. Die Veranstaltung wurde moderiert von Sebastian Feyock, Programmmitarbeiter im Programm USA / Transatlantische Beziehungen der DGAP.

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