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Jun 21, 2013

Obama braucht Europa

Selbst die militärisch mächtigste Nation ist auf Kooperationspartner angewiesen

Ob es darum geht, die Weltwirtschaft auf Wachstumskurs zu bringen, Sanktionen gegen Iran durchzusetzen oder die eigene Energieversorgung zu sichern: Die USA haben sich von der Vorstellung verabschiedet, dies im Alleingang bewerkstelligen zu können. Die Berlin-Visite des US-Präsidenten war daher notwendige Beziehungspflege. Obama ist gut beraten, die Zusammenarbeit mit der stärksten Wirtschaftsmacht in Europa zu suchen, schreibt USA-Experte Josef Braml.

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Barack Obama wurde wiedergewählt, um die Folgen der größten Wirtschafts- und Finanzkrise seit den 1930er Jahren zu beheben. Die sozialen und wirtschaftlichen Probleme des Landes wiegen derart schwer, dass sie das politische System der USA blockieren. Die Blockademacht der Republikaner im Abgeordnetenhaus verwehrt es US-Präsident Obama, weitere kreditfinanzierte Wirtschaftsförderprogramme aufzulegen. Um die Weltwirtschaft anzukurbeln, versucht er, auf internationaler Ebene andere Länder, allen voran Deutschland, dazu zu bewegen, mehr auf Pump zu konsumieren.

Der mangelnde Binnenkonsum in den USA soll durch mehr Exporte ausgeglichen werden. Obama will die US-Ausfuhren innerhalb der nächsten fünf Jahre verdoppeln. Dazu benötigt er umfangreiche Freihandelsabkommen, etwa das Transpazifische Partnerschaftsabkommen (kurz: TPP) mit asiatischen Ländern und das Transatlantische Handels- und Investitionsabkommen (kurz: TTIP) mit den Europäern. Mit diesen Initiativen soll auch der aufsteigenden Wirtschafts- und Militärmacht China begegnet werden.

Deutschland spielt zudem eine wichtige Rolle, um der Nuklearisierung und den regionalen Machtambitionen des Iran im Nahen und Mittleren Osten zu begegnen. Wäre Deutschland ebenso stark wie China und Indien auf seine wirtschaftlichen Interessen fixiert, würden die von den USA und ihren Verbündeten gegen Teheran gerichteten Sanktionen enorm geschwächt. Deutschland versucht – zusammen mit den fünf ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen – im Rahmen der so genannten  P5+1-Gruppe, die Iran-Frage friedlich zu lösen.

Insofern spielen Europa und Deutschland auch eine wichtige Rolle, die Energiesicherheit der westlichen Welt zu gewährleisten. Trotz der vermeintlichen Energieunabhängigkeit der USA, die dank neuer Technologien wie Fracking alsbald erreicht sein soll, bleibt auch die amerikanische Wirtschaft von der internationalen Preisbildung auf den Ölmärkten schwer verwundbar. Eine Blockade der Meerenge von Hormus, die von Iran kontrolliert werden kann, oder plötzliche Produktions- oder Lieferausfälle könnten die ohnehin schwer angeschlagenen westlichen Wirtschaften noch weiter ins Chaos stürzen. Die Ölmonarchie Saudi-Arabien bleibt bis auf weiteres der einzige Swing-Produzent, der bei Engpässen innerhalb kurzer Zeit große Mengen Erdöl kostengünstig fördern und damit die Preise auf ein für westliche und asiatische Volkswirtschaften verträgliches Maß drücken kann. „Sicherheit  für Öl“ lautet der Deal: Die USA und ihre westlichen Verbündeten stützen die Ölmonarchie, nicht zuletzt auch durch Waffenlieferungen, dafür erhalten sie mehr oder weniger moderate Ölpreise.

Aufgrund der inneren Schwierigkeiten und des mangelnden Rückhalts der US-Bevölkerung für kostspielige und langwierige Militäreinsätze müssen die USA ihren militärischen Fußabdruck verringern. Die geostrategisch wichtigen Regionen wie der Mittlere Osten und Asien werden künftig mit unbemannten Flugobjekten, so genannten Drohnen, und geheimdienstlichen Mitteln gesichert. Obama hat die von seinem Vorgänger George W. Bush auf den Weg gebrachte technologische Aufrüstung weiterentwickelt und weitere Stützpunkte hinzugefügt. Auch hierfür leistet Deutschland Hilfe, indem es etwa in Stuttgart das Oberkommando der US-Streitkräfte für den afrikanischen Kontinent (AFRICOM) beherbergt. Von dieser Kommandozentrale aus steuert die Weltmacht auch viele Überwachungs- und Angriffsmissionen im Kampf gegen den Terror.

Nach den unilateralen Alleingängen der Bush-Regierung ist in Washington die Hybris der Erkenntnis gewichen, dass in einer interdependenten Welt das Wohl und Wehe selbst der militärisch mächtigsten Nation von der Zusammenarbeit mit anderen Ländern abhängt. Neben den gravierenden Problemen seiner Wirtschaft und (Energie-)Sicherheit ist die Führungsmacht auch gut beraten, die globalen Umweltprobleme in Zusammenarbeit mit der Alten Welt anzugehen. Deutschland könnte mit seiner Expertise bei erneuerbaren Energien und seinem Angebot an energiesparenden Technologien den USA helfen, Umwelt-, Sicherheits- und Wirtschaftsprobleme zu verhindern, die entstehen, sollte es uns nicht gelingen, unsere Wirtschaften von fossilen Energieträgern unabhängiger zu machen.

Dieser Beitrag erschien auch bei tagesspiegel.de

Bibliographic data

Braml, Josef. “Obama braucht Europa.” June 2013.

tagesspiegel.de, 17. Juni 2013

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