Jan 12, 2012

Hommage an Ivo Andrić

Lesung und Diskussion mit Saša Stanišić und Christian Schwarz-Schilling

Mit einer Lesung aus dem bekanntesten Werk des Literaturnobelpreisträgers Ivo Andrić „Die Brücke über die Drina“ gedachte die DGAP am 12. Januar des Diplomaten und Schriftstellers. Andrić war von 1940 bis 1941 Leiter der Jugoslawischen Gesandtschaft in der Rauchstraße, dem heutigen Sitz der DGAP in Berlin-Tiergarten. Der aus Bosnien-Herzegowina stammende deutschsprachige Autor Saša Stanišić trug zudem aus seinem Roman "Wie der Soldat das Grammophon repariert" vor.

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Vor 50 Jahren hat Ivo Andrić (1892-1975) den Literaturnobelpreis erhalten. Deswegen werde mit dieser Veranstaltung an ihn erinnert, sagte DGAP-Präsident Arend Oetker in seiner Eröffnungsrede. Auch durch Literatur könne Außenpolitik erfahrbar gemacht werden, ergänzte Dr. Gereon Schuch, Programmleiter des Zentrums für Mittel- und Osteuropa der Robert Bosch Stiftung und Organisator des Abends. Dies werde unter anderem durch Andrics berühmtes Buch „Die Brücke über die Drina“ von 1945 deutlich, aus dem die Schauspielerin und Rezitatorin Cornelia Kühn-Leitz einige Passagen vortrug.

Darin geht es um die Geschichte einer Brücke, die in der bosnischen Stadt Višegrad zwei durch den Fluss Drina getrennte Stadtteile miteinander verband und dadurch eine multiethnische Gesellschaft entstehen ließ. Er habe durchaus positive Erinnerungen an seine Kindheit in Višegrad, wenngleich es Unterschiede zwischen den Ethnien gegeben habe, sagte der Schriftsteller Saša Stanišić. Erst als serbische Truppen 1992 in die Stadt einfielen, sei die Situation eskaliert und sein Traum von einer sicheren Heimat zerbrochen. „Die Brücke ist für mich nie wieder nur eine Brücke, weil sich dort so viel Schreckliches ereignet hat.“ Seine Kriegserfahrungen hat Stanišić in dem Roman „Wie der Soldat das Grammophon repariert“ verarbeitet, aus dem er bei der Veranstaltung las. Darin beschreibt er die Flucht einer bosnisch-serbischen Familie aus Višegrad nach Deutschland und die damit verbundenen schrecklichen Erfahrungen.

Zwischen den Lesungen wurde vom französischen Literaturwissenschaftler Daniel Baric die zeitgenössische Perzeption von Andrićs Werk und die heutige Auseinandersetzung um dessen politische Interpretation erläutert. Andrić sei Zeit seines Lebens für die Idee eines jugoslawischen Vielvölkerstaats eingetreten. Nach seinem Tod sei er jedoch zum Streitobjekt der Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien geworden. Mehrere Staaten sähen ihn als ihren Nationalhelden an und stritten sich darum, wer seine Bücher veröffentlichen dürfe, sagte der Literaturwissenschaftler.

Bis heute stehe der Westliche Balkan vor zahlreichen Problemen, sagte der frühere Bundesminister und Hohe Repräsentant für Bosnien und Herzegowina, Christian Schwarz-Schilling in der anschließenden Diskussionsrunde. Seiner Ansicht nach stehe die internationale Gemeinschaft in der Pflicht, die Staaten des Westbalkan bei ihrer Rückkehr nach Europa zu unterstützen. „Deutschland und die EU hätten damals diesen schrecklichen Krieg verhindern können,“ so der Politiker. Die Bundesregierung sei seinem Drängen auf Intervention aber nicht nachgekommen, weshalb er aus Protest von seinem Ministeramt zurückgetreten sei. Deutschland habe damals den größten Teil der bosnischen Flüchtlinge aufgenommen. Jetzt müsse die Bundesregierung die Situation der hier lebenden Flüchtlinge verbessern.

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