Polen: Euro-Einführung frühestens 2017 realistisch

Brüssel und Berlin sollten Polen konsequenter unterstützen

Mit dem EU-Beitritt 2004 hat sich Polen verpflichtet, den Euro einzuführen. Experten schätzen den Nutzen für die polnische Wirtschaft auf jährlich mehr als 6 Milliarden Euro. Doch die Regierung von Donald Tusk zögert. „Die Regierung will den Euro, doch sie befürchtet eine breite anti-europäische Stimmungsmache der Opposition“, sagt Polen-Expertin Agnieszka Łada. In einer aktuellen Studie fordert sie ein klares Bekenntnis aus Brüssel und Berlin, um die pro-europäischen Kräfte in Polen zu stärken.

Die Staaten der Eurozone sind Polens wichtigste Handelspartner. 2012 gingen polnische Exporte im Wert von 73 Milliarden Euro in die Eurozone – gut die Hälfte der gesamten Exporte des Landes. „Mit dem Euro könnten Wirtschaftswachstum und Auslandsinvestitionen noch weiter steigen“, sagt Agnieszka Łada, Gastwissenschaftlerin an der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). „Auch politisch ist ein schneller Beitritt für Polen von Bedeutung, denn die wichtigen Entscheidungen in der EU werden mittlerweile von der Eurogruppe getroffen.”

Mehrheit in der Bevölkerung schwindet / Oppositionsparteien sind gespalten

Doch bei den Polen schwindet die Unterstützung für die gemeinsame Währung. Derzeit liegt sie bei 30 Prozent. Die Mehrheit fürchtet negative Auswirkungen auf die persönlichen Finanzen und den Staatshaushalt. Die national-konservative Opposition bestärkt diese Ängste mit ihrer euro-kritischen Haltung. Die größte Oppositionspartei, Recht und Gerechtigkeit, fordert eine Volksabstimmung. Dagegen hält die Regierung von Ministerpräsident Tusk, dass Polen mit dem Referendum über den EU-Beitritt im Juni 2003 bereits dem Beitritt zur Eurozone zugestimmt hat.

Für den Beitritt ist zudem eine Verfassungsänderung nötig, für die sich 307 der 460 Parlamentarier des Sejm aussprechen müssten. Die Koalition verfügt zurzeit über 235 Stimmen, 68 weitere könnten von linken Oppositionsparteien und den Abgeordneten der deutschen Minderheit hinzukommen. Die erforderliche Zweidrittel-Mehrheit ist damit jedoch noch immer außer Reichweite.

Beitritt frühestens 2017 realistisch / Brüssel und Berlin sollten Polen konsequenter unterstützen

Eine Verfassungsänderung in der noch bis 2015 laufenden Legislaturperiode ist daher unwahrscheinlich. Da Polen nach einer Änderung noch zwei Jahre einen stabilen Wechselkurs beweisen muss, hält Politikwissenschaftlerin Agnieszka Łada einen Beitritt Polens zur Eurozone frühestens 2017 für realistisch. Sie erwartet von den europäischen Akteuren, für den baldigen Beitritt des Landes in die Eurozone aktiv zu werben. „Die Euro-Einführung Polens hat Vorteile für beide Seiten. Diese gehen in der jetzigen Debatte völlig unter“, sagt sie. Brüssel und Berlin sollten klar zum Ausdruck bringen, dass sie Warschau schnellstmöglich im Euroraum sehen möchten. „Solche Bekenntnisse werden in Polen wahrgenommen und stärken die euro-freundlichen Akteure.“

Um die starke polnische Wirtschaft beim Übergang zu entlasten, solle zudem das zweijährige Verharren im Wechselkursmechanismus II verkürzt werden. Damit schließt sich die Expertin einer Forderung der polnischen Nationalbank an. „Diese Regeln mögen vor 20 Jahren sinnvoll gewesen sein. Heute stellen sie eine Gefahr für die polnische Wirtschaft und die Stabilität der gesamten Eurozone dar“, so Łada. „Auch wenn noch einige Hürden genommen werden müssen, sollte die EU die Chance nutzen, mit Polen eine neue Ära in der Geschichte der Eurozone einzuleiten.“

Agnieszka Łada leitet das Europa-Programm des Instituts für Öffentliche Angelegenheiten in Warschau. Zurzeit ist sie Gastwissenschaftlerin am Alfred von Oppenheim-Zentrum für Europäische Zukunftsfragen der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).

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