Drei von vier Menschen in Deutschland unterstützen Abschiebungen
Fast drei Viertel der deutschen Öffentlichkeit sind für die Abschiebung von illegal in Deutschland lebenden Migranten. Nur ein Fünftel ist dagegen. Das sind die Erkenntnisse einer repräsentativen Studie des renommierten Pew Research Centers, eines unabhängigen und überparteilichen Forschungsinstituts in Washington, das regelmäßig Meinungsumfragen in der ganzen Welt durchführt, um Einstellungen länderübergreifend vergleichen zu können.
Die Deutschen sind mit ihrer Meinung nicht allein in Europa: Auch die überwiegende Mehrheit der Menschen in Schweden (73 Prozent), den Niederlanden (72 Prozent), in Polen (69 Prozent) und Ungarn (68 Prozent) befürwortet Abschiebungen. Nur zwei von zehn Befragten in diesen Ländern sprechen sich dagegen aus. Anders hingegen ist die Stimmung in einigen großen Migrationsmagneten wie etwa Spanien, Frankreich oder den USA. Hier unterstützt nur rund die Hälfte der Bevölkerung Abschiebungen – die andere Hälfte ist dagegen.
Ein Blick ins Detail offenbart Einstellungsunterschiede zwischen Alt und Jung sowie Rechts und Links. Fast acht von zehn Deutsche über fünfzig Jahren (78 Prozent) sprechen sich für Abschiebungen aus, aber nur 53 Prozent der Jüngeren unter Dreißig. Eine ähnliche Lücke klafft zwischen den politischen Lagern. Vier von fünf Menschen, die sich selbst dem konservativen politischen Spektrum oder der politischen Mitte zuordnen, sind für Abschiebungen, im Vergleich zu gut der Hälfte (56 Prozent) der Menschen, die sich als politisch links identifizieren.
Trotzdem ist das Ergebnis eindeutig: Die große Mehrheit der deutschen Bevölkerung unterstützt Abschiebungen. Auch andere Meinungsumfragen bestätigen diese Erkenntnis, etwa der ARD-DeutschlandTrend, nach dem in einer 2018 durchgeführten repräsentativen Telefonumfrage 86 Prozent der deutschen Öffentlichkeit für die konsequente Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern stimmten.
Eine Einschränkung der Pew-Studie – und anderer Umfragen zum Thema – ist, dass die Befragten nur zwei Auswahlmöglichkeiten hatten und sich für die Seite entscheiden mussten, die eher ihrer Meinung entsprach. Sechs Prozent der Befragten weigerten sich, sich eindeutig als Befürworter oder Gegner von Abschiebungen zu positionieren. Da in Abschiebungsdebatten viel diskutiert wird, welche Gruppen von Migranten das Land zwingend verlassen sollten (z.B. Straftäter und Gefährder oder Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten) und welchen ein Weg in die Legalität ermöglicht werden sollte (z.B. gut integrierten Menschen), ist davon auszugehen, dass differenziertere Antwortmöglichkeiten auch zu veränderten Umfrageergebnissen geführt hätten.
Internationaler Vergleich: Deutsche offener gegenüber Abschiebungen
Trotz dieser Einschränkung liegt der Wert der Studie darin, dass sie internationale Vergleiche zwischen den momentanen Einstellungen von Menschen in den 18 Ländern der Welt ermöglicht, in denen zusammen mehr als die Hälfte aller Migranten weltweit leben. Sie zeigt, dass Deutschland zusammen mit Griechenland und Russland zu den drei Ländern gehört, in denen die Bevölkerung Abschiebungen am positivsten gegenübersteht, noch weit vor vielen anderen Ländern, die für ihre teils harschen Migrations- und Rückkehrpolitiken bekannt sind, wie Australien, Großbritannien, Israel oder Italien. In Griechenland befürworten 86 Prozent und in Russland 81 Prozent der Menschen Abschiebungen.
Das zentrale Ergebnis ist also, dass Deutschland in der Frage von Abschiebungen derzeit weniger gespalten ist, als es die öffentliche Diskussion vermittelt. Die politische und mediale Debatte über Abschiebungen fokussiert oft auf die Gräben in unserer Gesellschaft. Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ analysierte die zahlreichen Probleme der Rückführungspraxis Anfang März unter dem Titel „Deutsche Drecksarbeit“. So klug der Artikel viele Aspekte des Themas beleuchtet, so sehr stellt er auch die Gräben in den Vordergrund: „Es stehen sich in Deutschland zwei gleichermaßen extreme Lager gegenüber, die im jeweils anderen den Teufel wittern“, schreiben die Autoren.
Das Problem der Polarisierung: Groß in der Debatte, kleiner in der Statistik
Die Geschichte von Gräben in unserer Gesellschaft ist zwar nicht falsch – aber sie ist unvollständig. Der mediale Fokus auf den emotionalen und moralischen Zank verstellt die Sicht auf die nicht unerhebliche Einigkeit, die in der deutschen Bevölkerung zum Thema Rückführungen herrscht. Denn die Umfrageergebnisse zeigen: Selbst jene Gruppen, die Abschiebungen am negativsten gegenüberstehen, also die Jungen und die Linken, befürworten Abschiebungen mehrheitlich, und zwar mit 53 Prozent bzw. 56 Prozent.
Zudem können positive Einstellungen zu Abschiebungen Hand in Hand mit positiven Einstellungen zu Migration gehen. Laut Pew stimmen sechs von zehn Menschen in Deutschland (59 Prozent) der Aussage zu, dass Migranten das Land durch ihre Arbeit und ihre Talente stärken, im Gegensatz zu etwa einem Drittel (35 Prozent), das Migranten eher als Last wahrnimmt. Die positive Wahrnehmung von Migranten ist zwar in den vergangenen Jahren von 66 Prozent im Jahr 2014 auf 59 Prozent im Jahr 2018 leicht zurückgegangen. Doch dies verwundert angesichts ausführlicher Debatten über potenziell migrationsbedingte Kriminalität und Terrorgefahr nicht. Zu ähnlichen Schlüssen kommen auch deutsche Forscher des Sachverständigenrats Deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR). Deren Integrationsklimaindex, 2018 zuletzt erschienen, belegt, dass die Menschen in Deutschland das Zusammenleben in der Einwanderungsgesellschaft trotz leichten Rückgangs in den letzten Jahren nach wie vor überwiegend positiv bewerten – und dass die Alltagserfahrungen mit Migration besser sind als der Diskurs.
Das Narrativ, das eine schier unüberwindliche Spaltung in Deutschland suggeriert, ist daher irreführend. Die Politik sollte die breite Unterstützung der Bevölkerung dazu nutzen, die vielen dringend notwendigen Reformvorhaben in der Abschiebepraxis anzupacken. Dass die Details dieser Reformen kontrovers sind und bleiben werden, steht außer Frage. Doch gerade deshalb sollten Politiker und Menschen in der politiknahen „Blase“ versuchen, die Abschiebungsdebatte weniger emotional und ideologisch und stattdessen mehr faktenbasiert zu führen. Rückführungen sind ein legitimer Teil von funktionierenden Migrations- und Asylsystemen – und eine solide Mehrheit in Deutschland steht dahinter.
Migrant |
Illegal im Land lebende Migranten |
Rückkehr |
Rückführung/Abschiebung |
Oberbegriff für alle Menschen, die eine internationale Grenze überqueren und mindestens ein Jahr lang in einem anderen Land als ihrem Herkunftsland leben. Hierzu zählen Menschen, die freiwillig oder unfreiwillig, temporär oder für immer ihr Land verlassen. |
Migranten, die kein legales Aufenthaltsrecht in einem Land haben. Hierzu gehören in Deutschland zum Beispiel abgelehnte Asylbewerber ohne Duldung, Menschen, die unentdeckt ins Land eingereist sind, z.B. ohne vorher ein Visum beantragt zu haben, aber auch Menschen, die zwar legal ins Land eingereist sind, aber deren Visum oder Aufenthaltstitel ausgelaufen ist. |
Oberbegriff für alle Maßnahmen, die den Aufenthalt von Migranten in Deutschland beenden. Rückkehr kann unfreiwillig, sein z.B im Rahmen einer Rückführung/Abschiebung. Sie kann freiwillig sein, z.B. wenn ein Migrant eigenständig in sein Land zurückkehrt oder sogenannte freiwillige (bzw. durch staatliche oder andere Stellen geförderte) Rückkkehrprogramme in Anspruch nimmt. |
Die zwangsweise Durchsetzung der Ausreisepflicht eines Migranten, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, das heißt, der kein legales Aufenthaltsrecht in Deutschland hat und der die Frist zur freiwilligen Ausreise überschritten hat. Die oftmals synonym gebrauchten Begriffe umfassen die die zwangsweise Rückkehr in Heimatländer genauso wie Dublin-Überstellungen in andere EU-Länder. |