Martin Bialecki
Chefredakteur, Internationale Politik
Expertise: #USA #US-Innenpolitik
bialecki@dgap.org
Die USA vor den Zwischenwahlen: Ein zerrissenes Land ohne Gewissheiten
So richtig festlegen will sich niemand. Wenn auch vor den Halbzeitwahlen die meisten Erhebungen davon ausgehen, dass die Demokraten mindestens das Repräsentantenhaus zurückerobern – es ist auffällig, wie sehr ein abwartendes „Es könnte aber auch ganz anders kommen“ die Berichterstattung in den USA prägt. Zu frisch ist die Erinnerung an den November 2016, als kaum jemand Donald Trump als 45. US-Präsidenten kommen sah. Seither gibt es erst recht keine Gewissheiten mehr, alles ist möglich. Unter Trump ist in diesem tief zerrissenen Land das Wahlverhalten noch volatiler geworden. Sehr viel wird nun von der Wahlbeteiligung abhängen. So oder so: Die USA werden nach diesen Zwischenwahlen unmittelbar in die nächste Dauererregung einschwenken, den Präsidentschaftswahlkampf 2020. Er wird gigantische Ressourcen an Kraft und Aufmerksamkeit verbrennen, die dieses aufgepeitschte und erschöpfte Land dringend für anderes bräuchte.
Dr. Josef Braml
Senior Fellow, Foresight USA
Expertise: #USA #US-Innenpolitik #Impeachment
braml@dgap.org
Trump droht mehr parlamentarische Kontrolle –
und vielleicht ein Amtsenthebungsverfahren
Bei den Kongresswahlen steht viel auf dem Spiel, nicht nur für die Abgeordneten und Senatoren, sondern auch für Präsident Trump. Wenn die Republikaner neben dem Abgeordnetenhaus auch noch den Senat verlören, könnte Trump keine weiteren Richter im Sinne seiner Wählerbasis und finanzkräftigen Unterstützer nominieren. Noch bedenklicher für den Präsidenten und seine Anhänger wäre: Eine einfache Mehrheit der demokratischen Abgeordneten könnte ein Impeachment-Verfahren einleiten und eine Zweidrittelmehrheit der (anwesenden) Senatoren Trump seines Amtes entheben. Auch wenn es nicht so weit kommen sollte, müsste Trump sich auf wirksamere parlamentarische Kontrollen seiner (Außen-)Politik einstellen.
Dr. Henning Riecke
Leiter, USA Programm
Expertise: #USA #Transatlantische Beziehungen
riecke@dgap.org
Zwischen Pest und Cholera?
Wie sich der Wahlausgang auf Trumps Außenpolitik auswirken wird
Auch wenn die Außenpolitik eine geringere Rolle bei den Zwischenwahlen spielt, dürfte das Ergebnis die transatlantischen Beziehungen stark beeinflussen: Sollten demokratische Mehrheiten Trumps Präsidentschaft nach den Zwischenwahlen klare Grenzen setzen, sind leichtsinnige außenpolitische Eskapaden etwa in den Konflikten mit Iran oder Nordkorea dennoch nicht ausgeschlossen – vielleicht gerade, um vom innenpolitischen Scheitern abzulenken. Sind die Republikaner erfolgreich, wird Trump sich dies auf die eigenen Fahnen schreiben und das Ergebnis als Bestätigung für seinen Politikstil und die destruktiven Verhandlungsstrategien sehen – etwa im transatlantischen Handel oder in der NATO. Die republikanische Opposition aus dem Kongress dagegen würde noch leiser.
Dr. Jana Puglierin
Leiterin, Alfred von Oppenheim-Zentrum für Europäische Zukunftsfragen
Expertise: #EU #Transatlantische Beziehungen
puglierin@dgap.org
„Europe, United“, aber nicht gegen die USA
In Deutschland und Europa hoffen viele darauf, dass ein Sieg der Demokraten bei den Zwischenwahlen Trump seine politischen Grenzen aufzeigt. Aber auch wenn eine oder sogar beide Kammern des Kongresses an die Demokraten fallen würden, behielte Trump als Chef der Exekutive weiterhin große außenpolitische Handlungsspielräume. Unberechenbarkeit und Unsicherheit werden die transatlantischen Beziehungen auch nach den Zwischenwahlen prägen. Dafür müssen sich die Europäer wappnen, indem sie gemeinsam handlungsfähiger werden. Die offensive Abgrenzung zu den USA kann jedoch kein Vehikel für „Europe, United“ sein. Denn da würden diejenigen europäischen Staaten nicht mitmachen, die in den USA noch immer den unverzichtbaren Garanten ihrer eigenen Sicherheit sehen. Dazu gehören alle Staaten an der Ostflanke der Europäischen Union und der NATO: die baltischen Staaten, Schweden und Finnland, aber auch Polen, Rumänien und Bulgarien.
Dr. Stefan Meister
Leiter, Robert Bosch-Zentrum für Mittel- und Osteuropa, Russland und Zentralasien
Expertise: #Russland #Beziehungen Russland-USA
meister@dgap.org
Keine Entspannung, solange Trump Präsident ist
Ironischerweise kann Russland im Moment nur mit einer Normalisierung der Beziehungen rechnen, wenn Trump die USA nicht mehr führt. Das Verhältnis zu Russland ist in der US-Innenpolitik so blockiert, dass auch eine Verschiebung der Verhältnisse im US-Kongress die Beziehungen kaum verbessern wird. Die Bestrafung Russlands in Reaktion auf Moskaus Einmischung in die US-Präsidentschaftswahl 2016 ist eines der wenigen Themen mit parteiübergreifendem Konsens in Washington. Wie der Helsinki-Gipfel zwischen Trump und Putin zeigte, führt jegliche Annäherung des US-Präsidenten mit der russischen Führung zu einer sofortigen Gegenreaktion des Kongresses. Erst wenn Trumps Russlandverbindungen aufgearbeitet sind und sich die innenpolitische Polarisierung nicht mehr in der Person des US-Präsidenten kristallisiert, kann es wieder eine ideologiefreie Russland-Politik geben. Diese Zwischenwahlen werden nicht dazu beitragen.
Dr. Claudia Schmucker
Leiterin, Programm Wirtschaft und Globalisierung
Expertise: #Handel #NAFTA
schmucker@dgap.org
Weitere Zölle und verschärfter Handelskrieg
mit China sind nur eine Frage der Zeit
Die Handelskriege und ihre Auswirkungen auf die US-Wirtschaft werden die Wahlen stark beeinflussen. Sie sind auch ein Stimmungstest für die Handelspolitik der US-Regierung. Neben der Erhebung von Zöllen wird Trump versuchen, bis zu den Wahlen NAFTA abzuschließen und Fortschritte in den Gesprächen mit der Europäischen Union zu erzielen, um auch positive Akzente zu setzen. Da er als Präsident weitreichende Befugnisse hat, Zölle ohne die Zustimmung des Kongresses zu erheben, wird sich die aggressive Handelspolitik durch den Ausgang der Zwischenwahlen nicht wesentlich verändern. Und vor allem die Demokraten unterstützen ein hartes Vorgehen gegen China. Die Erhebung weiterer Zölle und die Verschärfung des Handelskrieges mit China sind also nur eine Frage der Zeit.
Dr. Christian Mölling
Stellvertretender Direktor des Forschungsinstituts
Expertise: #NATO #Verteidigung #Sicherheit
moelling@dgap.org
Zwischenwahlen bringen mehr Unsicherheit für Partner und Gegner der USA
Die Zwischenwahlen und ihre Folgen werden den Politikkurs der USA bei Sicherheit und Verteidigung nicht ändern, höchstens verlangsamen und mehr Unsicherheit für Partner und Gegner bringen, sei dies für die NATO-Staaten oder für Regime wie Iran. Im schlimmsten Fall nährt eine innenpolitische Niederlage den Wunsch nach einem außenpolitischen Erfolg oder wenigstens nach Ablenkung. Das kann kurzfristige Einigungen für die koreanische Halbinsel bedeuten, aber auch den verstärken Einstieg der USA in einen Konflikt. In beiden Fällen bliebe zu prüfen, ob sich die Sicherheit der USA und anderer Länder tatsächlich erhöht oder ob es sich nur um hektischen Aktivismus handelt, der die globale Sicherheitsordnung weiter einreißt.