Am 8. Mai hat Donald Trump den Ausstieg der USA aus dem Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) verkündet und die Wiedereinführung früherer Sanktionen angekündigt, die durch den JCPOA ausgesetzt worden waren. Seine Begründung, das Abkommen halte den Iran nur temporär von Nuklearwaffen ab und die Kontrollen seien durchlässig, ist nachvollziehbar. Aber sie übersieht, dass das Abkommen die bestmögliche Lösung war, und mit einem Wegfall gäbe es gar kein Kontrollinstrument mehr für iranische Nuklearaktivitäten. Der konservativen US-Regierung geht es aber um mehr: um das Raketenprogramm des Iran, die Unterstützung schiitischer Gewaltgruppen, die Präsenz in Syrien, die strategische Position iranischer Truppen gegenüber Israel. In all diesen Fragen spielt das JCPOA allerdings keine Rolle – es sollte nur die Nuklearfrage lösen, um die Behandlung anderer Streitpunkte mit dem Iran ermöglichen. Der Ausstieg der USA aus dem Iran-Abkommen gefährdet das Nichtverbreitungsregime, den westlichen Zusammenhalt und die Stabilität in der Region. Europäische Interessen sind an vielen Stellen betroffen, deshalb müssen die Europäer gegensteuern und sich mit den Amerikanern anlegen.
Negative Konsequenzen
Der iranische Präsident, Hassan Rohani, bekennt sich weiterhin zu dem Abkommen. Ein Ausstieg des Iran aus dem Nichtverbreitungsvertrag und eine Entscheidung für die Wiederaufnahme des Nuklearwaffenprogramms im Iran sind nun trotzdem etwas wahrscheinlicher geworden: Trumps aggressive Erklärung spielt den Hardlinern im Iran in die Hände, die das Abkommen und die Verhandlungen mit den USA immer abgelehnt haben. Es schwächt die moderaten Kräfte um Rohani, der sich auf den Nuklearwaffenverzicht festgelegt und dem Land politische Öffnung und wirtschaftlichen Wohlstand nach dem Ende der Sanktionen versprochen hat. Der Iran könnte nun im Gegenzug seine Verpflichtungen brechen, zum Beispiel wieder mehr Uran anreichern oder Inspektionen verweigern, wie Außenminister Mohammed Sarif gedroht hat. Damit gingen der Einblick in die iranischen Nuklearaktivitäten von außen und die „Bremswirkung“ des JCPOA verloren.
Ein neuer Nuklearverdacht gegen den Iran könnte eine Proliferationsspirale im Nahen Osten nach sich ziehen, etwa indem sich Saudi-Arabien zur Bombe entschlösse. Dies brächte irreparablen Schaden für das Nichtverbreitungsregime und die Sicherheit Europas.
Schaden nimmt auch der westliche Zusammenhalt. Die US-Regierung zerstört mit dem Ausstieg einen Rahmen, in dem sich westliche Staaten, Russland und China gemeinsam der Lösung der iranischen Nuklearkrise verpflichtet haben. Europa will den Atomdeal und die Zusammenarbeit mit China und Russland erhalten – eine Koalition zunächst ohne die USA. In Moskau und Peking sieht man nichts lieber als einen zerrissenen Westen. Zu bitter, denn in der jüngeren Geschichte war der westliche Einfluss auf den Iran am größten, wenn Europa und die USA gemeinsam Druck ausübten.
Darüber hinaus ist der Ausstieg ein weiterer Schritt hin zu einer Konfrontation zwischen dem Iran und seinen schiitischen Verbündeten und Stellvertretern, unterstützt von Russland, auf der einen Seite und einer Koalition der USA, Israel und den sunnitisch geprägten Verbündeten wie Saudi-Arabien auf der anderen Seite. Mit dem Abkommen geht zudem ein Instrument zur internationalisierten Kontrolle des Iran verloren, eine Brücke über diese Konfliktlinie hinweg. Das iranische Regime wird auch nach dem Ausstieg der Amerikaner seine Machtpolitik in Syrien, im Irak oder Jemen fortsetzen – zumal die USA keinen Plan für eine politische Eindämmung des Iran mitgeliefert haben, die dem Abkommen gleichkäme.
Ratlos in Washington
Donald Trump ging es bei seiner Absage an den Atomdeal offenbar vor allem um seine eigene Person. Er will gegenüber seinen Wählern Wort halten: „Wenn ich Versprechen mache, halte ich sie auch“, so eine zentrale Aussage seiner Rede. Aber was kommt jetzt? Ein militärisches Vorgehen gegen die zum Teil gut gesicherten Nuklearanlagen dürfte plötzlich kaum möglich geworden sein und würde die USA oder Israel als Aggressoren dastehen lassen – denn der Iran hat das JCPOA ja erfüllt.
Trumps Vorstellung, die anderen Signatarstaaten, einschließlich des Iran, würden unter Druck zügig ein neues, besseres, umfassenderes Abkommen aushandeln, ist irrig. Dieses müsste nicht nur mit härteren Maßnahmen auf das Nuklearwaffenpotenzial des Iran zielen, sondern es müsste, wie Trump fordert, auch dessen Raketenprogramm sowie die Unterstützung schiitischer Terrorgruppen in der Region und der syrischen Regierung zum Gegenstand machen. Es ginge also um noch kompliziertere Verhandlungen, die mit mehr Akteuren und höherem Zeitdruck, aber mit weniger Vertrauen in die USA geführt werden müssten.
Eine besondere Leistung des JCPOA war es, auf der überfrachteten Agenda der westlichen Iran-Politik nur die Nuklearfrage zu behandeln. Die Europäer haben sich auf diesem Erfolg ausgeruht und sind nicht aktiv geworden, als der Iran seine neuen Möglichkeiten nutzte, um aufzurüsten und Gewalt zu exportieren. Kritik an dieser Passivität der Europäer ist berechtigt. Mit dem Ausstieg aus dem Atomdeal hat Trump aber auch einen Hebel aus der Hand gegeben, um die Europäer, neben dem JCPOA, zu einer härteren Gangart gegenüber dem Iran zu verpflichten.
Jetzt bleibt nur noch wirtschaftlicher Zwang – gegen den Iran, aber auch gegen seine Handelspartner in Europa. Die USA zielen auf einen Regimewechsel durch ökonomische Strangulierung. Einzelne Sanktionen gegen die Ölindustrie im Iran und die iranischen Banken können nach einer dreimonatigen Schonfrist wieder in Kraft treten. Um die Strafmaßnahmen umfassend anzulegen, müssten die USA alle Unternehmen bestrafen, die Geschäfte im Iran machen. Europäische Unternehmen sind schon jetzt verunsichert. Der neue US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, hat bereits deutsche Unternehmen aufgefordert, sich aus dem Iran zurückzuziehen. Das amerikanische Ziel, den Iran durch neue Sanktionen, die auch den Partnern aufgezwungen werden müssten, zu isolieren, schafft Spannungen und wird den Westen weiter auseinanderpidieren. Diese Sanktionen würden auch schnell Teil der handelspolitischen Auseinandersetzungen der USA mit China, das im Iran selbst umfangreiche Interessen hat und iranisches Öl und Gas importiert. Trump trägt die Auseinandersetzung hin zu Europäern und Chinesen, er torpediert Partnerschaften, die eigentlich in der Auseinandersetzung mit dem Iran gebraucht würden.
Europas Interessen: Stabilität und Vertrauen
Europa wird sich nun mit den USA anlegen. Es hat kein Interesse, die westliche Kooperation aufzugeben oder das Abkommen einfach preiszugeben. Dabei geht es nicht nur um die eigene Glaubwürdigkeit, sondern um den Erhalt des Nichtverbreitungsregimes und um Stabilität in der Region.
Europa hat deshalb umgehend verkündet, das Abkommen aufrechtzuerhalten. Dies soll den Iran dazu bewegen, an Bord zu bleiben. Offenbar will man auch die wirtschaftlichen Folgen der US-Sanktionen ausgleichen, sich also direkt gegen die USA stellen. Allerdings kann Europa seine Unternehmen nicht zwingen, im Iran unter amerikanischem Sanktionsdruck zu investieren. Den meisten Investoren ist der amerikanische Markt wichtiger. Dem Iran hier Ausgleich zu verschaffen, wird teuer und politisch schwer verkraftbar.
Europa gewinnt durch sein Festhalten am Atomabkommen vielleicht an Einfluss im Iran, den es nutzen muss, um das Land im Abkommen zu halten und ein Wiederanlaufen des Nuklearprogramms zu verhindern. Europa müsste aber auch die Rolle thematisieren, die der Iran in den Konflikten in der Nachbarschaft spielt, auf Zurückhaltung gegenüber Israel drängen, die Unterstützung von Terrorgruppen anprangern und eine konstruktive Mitarbeit des Iran in der Konfliktlösung anmahnen. Insgesamt geht es um Schadensbegrenzung in der Region, deren Stabilität Europa so wichtig sein muss.
Eine nüchterne Diplomatie ist aber auch in der Konfrontation mit den USA gefragt. Denn Amerika will die Europäer zwar in die Sanktionsfront zwingen, will aber auch über den Iran verhandeln, vielleicht sogar mit ihm, und zwar über mehr Themen als nur das Nuklearprogramm. Die Europäer könnten dafür erneut einen Rahmen entwickeln.