Alltag im Donbass

DGAP-Experte Wilfried Jilge spricht bei Filmpremiere über die Situation im Donbass

Am 11. Oktober wurde der Dokumentarfilm „Langes Echo“ der russischen Regisseurin Veronika Glasunova und des polnischen Regisseurs Lukasz Lakomy als deutsche Erstaufführung gezeigt. Der Film wurde für den Preis der Friedrich-Ebert-Stiftung „Der politische Film der Friedrich-Ebert-Stiftung“ nominiert. Im Anschluss an die Erstaufführung diskutierten der Ukraine-Experte der DGAP Wilfried Jilge mit den Regisseuren und der Produzentin mit dem Publikum über den Film.

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Der Film spielt im Städtchen Dobropillja im Donbass/Ostukraine, 70 Kilometer entfernt von der Kontaktlinie zu den von prorussischen Separatisten besetzten kontrollierten Gebieten. Laut Programmheft verbindet „Langes Echo“ „teils skurrile Szenen aus dem Leben der EinwohnerInnen mit der intensiven Schilderung des Alltages an der Peripherie eines fast schon wieder vergessenen Krieges.“ 

Der Film „Langes Echo“ zeige, so Jilge, beeindruckend, wie stark der Krieg im Alltag der Menschen im Donbass gegenwärtig ist, aber auch, wie seine Ursachen verdrängt werden. Viele Menschen sind verunsichert: Eine Rolle Russlands als Aggressor ist für viele Menschen nur schwer begreiflich und wird nur ungern thematisiert. Manche verstehen nicht, warum ihre Söhne gegen die russischen „Brüder“ kämpfen, mit denen man in der von einstigen, vor allem von älteren Einwohnern noch sehnsüchtig vermissten Sowjetunion zusammenlebte. An manchen – auch durch die ukrainische Armee befreiten Orten – sind sich die Menschen noch heute nicht sicher, wer eigentlich der Feind ist: die ukrainische Armee, die von Russland unterstützten Separatisten oder Russland. Führende Repräsentanten regionaler Clans aus dem Umkreis des ehemaligen Janukowytsch-Regimes, die mit den Separatisten 2014 kollaborierten, machen sich die Unsicherheit zunutze: Sie schieben die ganze Verantwortung für den Krieg und seine Folgen der Kiewer Regierung zu, um von der eigenen Verantwortung abzulenken und eigene Machtpositionen in der Region zu sichern.

Für die Zukunft eines stabilen ukrainischen Donbass sei es daher wichtig, dass Ursachen und Wirkung des Krieges von Wissenschaft und Zivilgesellschaft aufgearbeitet und öffentlich diskutiert werden. Dabei müssen sowohl Ursachen und Verantwortliche für den Krieg deutlich benannt als auch auf beiden Seiten während des Krieges begangene Vergehen aufgearbeitet und mit den Erfahrungen der Menschen vor Ort behutsam umgegangen werden.

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