Welch große Bedeutung die neue russische Mittelschicht für die dortige Politik und Wirtschaft hat, illustrierte Boris Makarenko, Direktor für gesellschaftlich-politische Fragen am Institut für Moderne Entwicklung in Moskau (INSOR). Sie mache bereits 30 Prozent der russischen Bevölkerung aus. Und sie habe den Willen, die Politik mitzugestalten, Politik transparenter zu machen und so schließlich das Misstrauen zwischen Regierung und Regierten abzubauen.
Doch bis dahin sei es noch ein langer Weg. „Um den ersten Schritt in diese Richtung zu gehen, muss vor allem eine Partei geschaffen werden, die für die Mittelschicht attraktiv ist“, erklärte Makarenko. Solange sich aber keine Alternative zu den jetzigen politischen Kräften finde, werde der Widerstand der Mittelschicht gegen die derzeitigen Akteure andauern.
In der Diskussion mahnten Vertreter der Wirtschaft, das Augenmerk der Russland-Analyse dürfe sich nicht nur auf die Mittelschicht richten. Man müsse auch den Mittelstand betrachten. In diesem Bereich könne Deutschland Russland wertvolle Hilfe leisten. Rainer Lindner, Geschäftsführer Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, betonte, dass Deutschland sich bereits besonders für die Förderung des Aus- und Weiterbildungssektors in Russland stark mache. „Die Wirtschaft und das Rechtssystem sind die ausschlaggebenden Faktoren für die Entwicklung und Festigung der Mittelschicht“, unterstrich Professor Wilfried Bergmann, Mitglied des Vorstands des Petersburger Dialogs e.V.
Sergey Kulik, Direktor für internationale Fragen vom INSOR, sprach sich dafür aus, die Modernisierungspartnerschaft zwischen Berlin und Moskau auszubauen. „Ich bin der Meinung, dass es im deutsch-russischen Dialog ein großes Potenzial gibt für Fragen der Mittelschicht.“
Die Veranstaltung des Berthold-Beitz-Zentrums fand mit Unterstützung des Auswärtigen Amts statt.