Kühe streicheln und Käse degustieren: Solche Bilder der Kandidaten auf der Internationalen Landwirtschaftsmesse (Salon International d’Agriculture, SIA) Ende Februar in Paris sind ein Muss in jedem französischen Präsidentschaftswahlkampf. Der Sozialist François Hollande, so heißt es, habe sogar ganze zehn Stunden auf der Messe verbracht. Doch welche agrarpolitischen Positionen vertreten die einzelnen Kandidaten? Wer setzt sich für den biologischen Landbau und wer für die exportorientierte Landwirtschaft ein? Soll es auch in Zukunft Direktzahlungen aus Brüssel geben? Braucht es eine Mengenregulierung für den Milchmarkt? Und wie sollen Umwelt und Klima zukünftig besser geschützt werden? Diese Fragen beantworteten die Kandidaten auf der SIA nicht. Verbundenheit mit den Bauern und dem Territoire zeigen, aber inhaltlich nicht zu konkret werden - die Messe hat gezeigt, wie das Thema Agrarpolitik in diesem Präsidentschaftswahlkampf behandelt wird.
Ein weicher Konsens
Acht Prozent der potentiellen Wähler in Frankreich sind Landwirte. Und sie wählen nicht mehr einfach konservativ, nur weil sie Bauern sind. Unter ihnen gibt es neben den mehrheitlich vertretenen Wählern der Parteien Union pour un mouvement populaire (UMP) und Front national (FN) durchaus auch Anhänger der Grünen, des Parti socialiste (PS), der Zentrumspartei MoDem und sogar der linksextremen Partei Front de Gauche von Mélenchon. Die Kandidaten kommen also um das Thema Landwirtschaft nicht herum, bemühen sich jedoch auch, nicht zu sehr in die Tiefen der Agrarpolitik vorzudringen. So treten sie niemandem auf die Füße und langweilen auch keinen. Denn die übrigen Franzosen fühlen sich zwar verbunden mit „ihren“ Bauern und möchten, dass diese gesunde Lebensmittel für sie herstellen, jedoch stehen sie den Wirtschaftssektoren Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie eher kritisch gegenüber. Das Interesse an Details ist daher begrenzt.
Parteiübergreifend ist man sich einig, dass die französischen Bauern vor den Einflüssen der Globalisierung geschützt werden müssen. Für den amtierenden Präsidenten Nicolas Sarkozy ist dabei die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit besonders wichtig, insbesondere über eine Senkung der Arbeitskosten. Der Kandidat des PS, François Hollande, betont die Notwendigkeit, vielfältige Formen der Landwirtschaft zuzulassen. Der Umweltschutz ist allen Kandidaten wichtig, wobei Europa die Schuld für zu strenge Auflagen zugeschoben wird. Das EU-Agrarbudget müsse gleich hoch bleiben, um die französischen Bauern und die ländlichen Räume zu unterstützen, aber auch um die Konsolidierung der EU als Gesamtkonstrukt voranzutreiben.
Fokus auf die Reform der EU-Agrarpolitik
Die französische Wahl fällt just in die europäischen Diskussionen um eine Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) für 2013-2020. Auf der Tagesordnung stehen Einsparungen im Agrarbudget. Dabei sollen die Zahlungen vermehrt an gesellschaftliche Leistungen gebunden werden und die Landwirte sollen insgesamt marktgerechter produzieren. Es ist zum einen viel die Rede von Klima- und Umweltschutz und zum anderen von den Chancen der europäischen Bauern auf dem Weltmarkt. Im Milchbereich betont die EU-Kommission die Notwendigkeit einer besseren Verteilung der Margen entlang der Wertschöpfungskette. Die Erzeuger sollen in ihrer Position am Markt gestärkt werden.
Die französische Regierung verhält sich in Bezug auf die Reform der EU-Agrarpolitik eher konservativ. Gemeinsam mit der deutschen Agrarministerin Ilse Aigner versucht der konservative Agrarminister Bruno Le Maire, bisherige Gelder zu halten, die Wettbewerbsfähigkeit der Erzeuger zu stärken und den Bürokratieabbau voranzutreiben. Umweltschutz sei natürlich wichtig, doch dürfe er die Landwirte nicht zu sehr einschränken, zumal sich die französischen Landwirte schon jetzt sehr um den Schutz der Ressourcen bemühten.
Umweltverbände, Entwicklungsorganisationen und fortschrittliche Bauernorganisationen kritisieren die französische Regierung, sich im Prinzip nur für die Fortsetzung des Status Quo und nicht für eine echte Reform in Richtung einer nachhaltigeren Landwirtschaft einzusetzen. Sie fordern die Schaffung ausgewogener Märkte und eine reale Stärkung der Position der Erzeuger auf denselben, die Bindung der Zahlungen an ökologische Leistungen und Arbeit sowie eine bessere Stützung regionaler Wertschöpfungskreisläufe. Die beiden Oppositions-Bauernorganisationen Coordination Rurale und Confédération Paysanne erwarten keine großen Veränderungen in der französischen Agrarpolitik für den Fall, dass Sarkozy oder Hollande an die Macht kommen.
Wunschlisten der Kandidaten
Auch in den Wahlprogrammen der Kandidaten tauchen die Themen, die rund um die Reform der GAP diskutiert werden, wieder auf. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit der französischen Landwirte wird von allen Kandidaten ebenso thematisiert wird wie die inländische Stärkung ihrer Position gegenüber Verarbeitern und Supermärkten. Direktzahlungen, ob national oder europäisch, wollen alle Kandidaten erhalten. Doch wie diese verteilt werden und ob auch politische Rahmenbedingungen für die Agrarmärkte notwendig sind – darüber streiten sich die Geister. Der Umweltschutz ist inzwischen zu einem Thema geworden, das niemand mehr vernachlässigen kann. Die Frage ist dann nur, wie ernst es den Kandidaten mit mehr Klima- und Umweltschutz in der Landwirtschaft wirklich ist. Die Wahlprogramme lassen dies nur erahnen.
Der amtierende Präsident verspricht in seinem Wahlprogramm, sich in Brüssel für den Erhalt des Agrarbudgets der EU auf dem aktuellen Niveau einzusetzen. Die Wettbewerbsfähigkeit der französischen Erzeuger soll über eine Harmonisierung der steuerlichen und sozialrechtlichen Regeln in Europa und dem Verbot von Importen aus Drittstaaten, welche die europäischen Standards unterschreiten, erreicht werden. Darüber hinaus sind Exporte in die EU und auf den Weltmarkt ein wichtiges Thema. Sarkozy möchte Verträge zwischen Erzeugern und Verarbeitern in allen landwirtschaftlichen Bereichen zur Norm machen und geht davon aus, dass dies die Position der Erzeuger wesentlich stärken kann. Ganz allgemein fordert er die Akteure der Lebensmittelkette auf, die Margen fairer untereinander zu verteilen. Außerdem möchte er sich für eine Vereinfachung der Regeln für die Landwirtschaft einsetzen. Seine Positionen weisen eine große Nähe zu denjenigen des traditionellen Bauernverbandes FNSEA auf.
Hollande setzt sich für kurze Wertschöpfungsketten und für eine große Vielfalt landwirtschaftlicher Produktionsformen ein. Das EU-Agrarbudget müsse dementsprechend in der Höhe stabil bleiben, hinsichtlich der Verteilung jedoch so reformiert werden, dass alle Produktionsformen, ob Bio oder konventionell, klein oder groß, Ackerbau oder Tierhaltung, unter guten Bedingungen wirtschaften können. Erzeugerorganisationen seien entscheidend, um die Position der Erzeuger am Markt zu stärken. Auch die Wettbewerbsnachteile der französischen Bauern gegenüber den deutschen müssten beseitigt werden. Die Arbeit sei im Nachbarland ungleich billiger, da dort keine Mindestlöhne existierten. Hollande plädiert außerdem für eine Verstärkung der Handelsbeziehungen Frankreichs zu den nordafrikanischen Ländern. Er tritt im Gegensatz zu Sarkozy auch für eine Stärkung der kleineren Bauernverbände ein, die künftig neben der FNSEA in den Branchenorganisationen vertreten sein sollen.
Der große Unterschied zwischen Le Pen (FN) und den anderen Kandidaten ist ihr Wille, Frankreich aus der Gemeinsamen Agrarpolitik herauszunehmen und diese durch eine Französische Agrarpolitik zu ersetzen. Die Kandidatin schreibt alle aktuellen Schwierigkeiten der Landwirtschaft der EU zu. Unter dem Slogang “Achetons Français“ („Kaufen wir französisch“) möchte sie die regionalen Körperschaften, den Staat und auch die Kantinen der privaten Unternehmen dazu verpflichten, „französisch zu konsumieren“. Dabei kritisiert sie die Übermacht der Supermärkte und setzt sich für stabile Mindestpreise ein. Der französische Staat soll in diesem Modell recht stark eingreifen.
Der Kandidat der Zentrumspartei MoDem, François Bayrou, der selbst einen landwirtschaftlichen Betrieb führt und damit bei den Landwirten punkten kann, betont die Bedeutung einer wettbewerbsfähigen und nachhaltigen Landwirtschaft für die Gesellschaft und insbesondere für den ländlichen Raum. Es sei entscheidend, dass Landwirte kostendeckende Preise für ihre Produkte erzielen könnten. Auch der Beitrag, den sie zur Pflege der Kulturlandschaft leisteten, müsse aus dem Markt, also über den Verkauf der Produkte, bezahlt werden. Die GAP müsse dahin zielen, eine im Einklang mit der Umwelt stehenden Landwirtschaft zu erreichen, wie es im Bereich der ökologischen oder integrierten Landwirtschaft der Fall ist, dazu mit kurzen Wertschöpfungsketten. Er tritt am deutlichsten für die Vorschläge der EU-Kommission zur Reform der GAP ein.
Der linksradikale Mélenchon stellt die Ernährungssouveränität in den Vordergrund. Die EU-Agrarpolitik müsse entsprechende Rahmenbedingungen festsetzen, welche die europäische Produktion im wesentlichen an der Binnennachfrage ausrichten und nicht an den internationalen Märkten. Mélenchon unterstützt öffentlich die Milchbauernorganisation APLI in ihrer Forderung nach einer Mengenregulierung für den Milchmarkt und die Einrichtung einer entsprechenden Steuerungsstelle auf europäischer Ebene. Französische Supermärkte sollten zudem über Mindest-Erzeugerpreise verpflichtet werden, faire Preise zu zahlen. Ein wichtiges Element ist auch der verbesserte Zugang von jungen Landwirten und kleineren Betrieben zu Land. Ziel des Kandidaten ist die Umsetzung eines Landwirtschaftsmodells, das bäuerlich, ökologisch, regional und krisenresistenter als das heutige ist.
Ein Thema am Rande
Auch in der Presse beschränkt sich die Behandlung der Landwirtschaft als Wahlkampfthema mit wenigen Ausnahmen auf die landwirtschaftlichen Fachblätter. Verbände der Zivilgesellschaft greifen das Thema nur in sehr geringem Maße auf. Selbst die Bauernorganisationen machen den Wahlkampf nicht zu ihrem Hauptthema. Mit Blick auf die 2013 anstehenden Landwirtschaftskammerwahlen hüten sich die Verbände, bei den Landwirten den Eindruck entstehen zu lassen, sie seien einer bestimmten Partei nahe. Die Plattform für eine andere Gemeinsame Agrarpolitik, ein französisches Netzwerk von Verbänden rund um die GAP-Reform 2013, ist eine der wenigen, die in die Details der Agrarpolitik einsteigt. Sie stößt jedoch auf wenig Resonanz. Und so wird sich der französische Wahlkampf ganz sicher nicht am Thema Agrarpolitik entscheiden.
Sonja Korspeter ist Teilnehmerin des Jahrgangs 2010 des „Deutsch-französischen Zukunftsdialogs“.