Der neue Vorsitzende der deutsch-belarussischen Parlamentariergruppe, Oliver Kaczmarek MdB, diskutierte die Ziele und Herausforderungen im Umgang mit Belarus; Prof. Dr. Rainer Lindner, Vorsitzender der Deutsch-Belarussischen Gesellschaft, moderierte.
Deutsche und europäische außenpolitische Fachkompetenz in Bezug auf Osteuropa und Belarus ist nicht im entsprechenden Ausmaß vorhanden, betonte Oliver Kaczmarek gleich zu Beginn der Veranstaltung. Einerseits bestehen durch Initiativen zur Linderung der Tschernobyl-Katastrophe sehr intensive Kontakte auf der zivilgesellschaftlichen Ebene. Auch die Vergangenheitsbewältigung in Bezug auf den Zweiten Weltkrieg ist ein wichtiger Schritt zu mehr historischer Verantwortung in der internationalen Bildungspolitik. Doch andererseits werde „das Land zu wenig in einem regionalen Kontext gesehen“, so Kaczmarek. Durch seine innenpolitische Lage sei Belarus ein Sonderfall in den internationalen Beziehungen. Genau deshalb und angesichts der sich wandelnden Rahmenbedingungen müsse Belarus mehr Aufmerksamkeit bekommen.
Der Bruch in den bilateralen Beziehungen kam nach den Präsidentschaftswahlen 2010, die von der politischen und zivilgesellschaftlichen Weltgemeinschaft scharf verurteilt wurden. Aufgrund von Menschenrechtsverletzungen wurden Sanktionen seitens der EU und der USA verhängt. Die aktuelle internationale Spannung einerseits sowie die Stagnation der belarussischen Wirtschaft andererseits führen dazu, dass das Land auf konstruktive Lösungen für seine Entwicklung angewiesen ist.
Belarus muss daher die Bereitschaft zu politischen demokratischen Reformen zeigen, sich stärker für die Rechte der Zivilgesellschaft einsetzen, und somit die Annäherung an die Normen der Europäischen Union voranbringen. Hierfür sieht Kaczmarek als Bildungspolitiker eine Vielzahl von Initiativen als gute Möglichkeit, die Beziehung zwischen den Staaten zu verbessern, etwa jugendpolitische Begegnungen; Zusammenarbeit in der Bildungspolitik; das Vorantreiben der Internationalisierung des Bildungssektors in Belarus; sowie den Ausbau der dualen Ausbildung. Weitere Beitrittsverhandlungen zum „Bologna-System“ wären auch ein wichtiger Schritt: „Bologna legt eine hohe Anforderung an die Strukturen der Bildung, Wissenschaft und Forschung. Deshalb ist es ein wichtiger Punkt, über den wir diskutieren könnten“.
Auch S. E. Andrei Giro, der Botschafter der Republik Belarus, sehe Potenzial gerade in der Förderung der Bildung und Forschung im Land. Allerdings hoffe Belarus gerade hier auf einen gleichberechtigten Dialog und eine verständnisvolle Politik ohne Diskriminierung seitens der EU und Deutschlands. Inmitten zahlreicher Militärkonflikte in den Ländern der Östlichen Partnerschaft sei Belarus das einzige Land, das keine Sicherheitskonflikte mit den Nachbarstaaten habe, und somit auf seine Art zur Stabilität an der EU-Grenze beitrage.
Die innenpolitische Lage in Belarus bleibt, so Kaczmarek, weiterhin ein wichtiger Faktor der zukünftigen Annäherung. Die Aufgabe der neuen Parlamentariergruppe wird darin bestehen, Begegnungen zwischen den Kulturen zu schaffen und die Stärkung der Zivilgesellschaft voranzutreiben. Auch an dem Konzept der europäischen Nachbarschaftspolitik, insbesondere der östlichen Nachbarschaft, soll weitergearbeitet werden. Hierbei soll eine konfliktfreie Strategie der Partnerschaft hergestellt werden.