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05. Sep 2013

Russland und die G20

Die Syrien-Krise überlagert die Wirtschaftsthemen

Am 5. und 6. September kommen die Staats- und Regierungschefs der führenden Industrie- und Schwellenländer zum achten G20-Gipfel im russischen St. Petersburg zusammen. Neben seiner Vermittlerrolle nutzt das Gastland den Gipfel, um eigene Themen wie die Förderung von Investitionen voranzubringen. Allerdings dürfte der Gesprächsbedarf über die Syrien-Krise nicht ohne Auswirkungen auf die Tagesordnung bleiben.

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Welche Rolle spielt Russland in der G20?

Die G20 arbeitet nach der unmittelbaren Krisenbewältigung mittlerweile daran, die globale Finanz- und Wirtschaftsarchitektur besser gegen künftige Krisen zu schützen. Dabei verfolgen Industrie- und Schwellenländer unterschiedliche Ansätze. Die G20 hat sich zu einem wichtigen informellen Forum entwickelt, in dem über diese unterschiedlichen Konzepte nachgedacht und Lösungsvorschläge erarbeitet werden.

Russland kommt als Gastgeber eine Doppelrolle zu: Es muss zwischen den verschiedenen Interessen vermitteln, denn es will am Ende Ergebnisse vorweisen. Gleichzeitig treibt Russland eigene Vorhaben voran und begreift sich als Anwalt der Gruppe der BRICS-Länder; dazu gehören neben Russland Brasilien, Indien, China und Südafrika. Langfristiges Ziel der BRICS-Gruppe ist es unter anderem, ihre Währungen als zusätzliche Leitwährungen neben dem US-Dollar zu etablieren.

Insgesamt sieht Russland seine Rolle als Wirtschaftsmacht gestärkt; laut Weltbank ist es die fünftgrößte Volkswirtschaft. Es hat nun zudem Gelegenheit, die globale Agenda stärker zu beeinflussen, da es vier Jahre in Folge den Vorsitz internationaler Gremien innehat: der APEC (2012), der G20 (2013), der G8 (2014) und der BRICS-Gruppe (2015).

Was verspricht sich Russland vom G20-Vorsitz?

Russland nutzt internationale Formate wie die G20 und seine Präsidentschaft in erster Linie dazu, sich an den internationalen Märkten als verlässlicher Partner zu etablieren und auf diese Weise seinen Einfluss auf die Weltwirtschaft zu steigern. Internationale Vernetzung ist für das Land aber auch eine wichtige Voraussetzung, um bei der Lösung seiner wirtschaftlichen Probleme voranzukommen. Dabei ist es für Moskau bereits ein Erfolg, wenn es gelingt, bei strittigen Themen eine Atmosphäre der Zusammenarbeit zu schaffen.

Welche Bedeutung haben die Gipfel-Themen für Russland?

Zentrales Thema des russischen Vorsitzes ist es, das Wirtschaftswachstum anzukurbeln und hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen. Zu diesem Zweck hat Russland auch die Finanzierung von Investitionen auf die Tagesordnung gesetzt. Das Wirtschaftswachstum des Landes hat sich im ersten Halbjahr 2013 deutlich auf 1,4 Prozent abgeschwächt. Dazu trägt vor allem die gestiegene Konkurrenz auf den internationalen Rohstoffmärkten bei. Aber auch in einigen Industriesektoren sind russische Unternehmen zurückgefallen.

Die starke Abhängigkeit des Staatshaushalts von den schwankenden Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft lassen es Moskau zudem sinnvoll erscheinen, sein Staatsschuldenmanagement umfassend zu modernisieren; obwohl das Land eine sehr niedrige Schuldenquote von rund zehn Prozent des Bruttoinlandprodukts hat.

Ein weiteres Schlüsselthema für Russland und die anderen BRICS-Länder ist es, die seit drei Jahren stockende  Reform des Internationalen Währungsfonds voranzutreiben und dabei vor allem eine Neugewichtung der Stimmen zu erreichen. Sie verfügen dort bislang über nur 11,03 Prozent der Stimmanteile, während beispielsweise der Anteil allein der USA 16,75 beträgt.

Die Schwellenländer wollen daher auch eine gemeinsame Finanz- und Geldpolitik vorantreiben. So erwägen die Notenbankchefs der fünf BRICS-Staaten, eigene Stabilitätsfonds und eine Entwicklungsbank zu gründen. Der jetzige Gipfel soll auf diesem Weg weitere Schritte festlegen.

Russland setzt sich außerdem für eine stärkere regionale finanzpolitische Koordinierung ein. So möchte es die Zusammenarbeit zwischen dem Anti-Krisen-Fonds der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem IWF stärken.

Warum ist Investitionsfinanzierung für Russland ein so wichtiges Thema?

Aus russischer Sicht ist es eine wesentliche Aufgabe des Gipfels, sich über bessere Rahmenbedingungen für langfristige Investitionen zu verständigen, vor allem um Infrastrukturvorhaben zu finanzieren. Nach Angaben des russischen Ministeriums für wirtschaftliche Entwicklung werden in den Jahren 2013  bis2015 in Russland Infrastrukturprojekte im Wert von 9,6 Billionen Rubel (ca. 290 Milliarden US-Dollar) umgesetzt. Der Finanzierungsbedarf dafür wird auf 2,2 Billionen Rubel (ca. 66 Milliarden US-Dollar) geschätzt.

Aber die institutionellen und internationalen Investoren trauen den staatlichen finanz- und steuerpolitischen Rahmenbedingungen in Russland nicht und halten sich zurück. Es fehlt allerdings nicht nur an privaten, langfristig ausgerichteten Investitionen. Die unsicheren Rahmenbedingungen für Investitionen führen zudem seit Jahren zu einer Kapitalflucht; 2012 in einer Größenordnung von umgerechnet etwa 84 Milliarden US-Dollar.

Wie ist Russlands Position in der Syrien-Frage?

Russland ist für Syrien ein wichtiger Lieferant moderner Waffensysteme und hat daher ein wirtschaftliches Interesse in dem Land. Ein Großteil der Syrien versprochenen Waffensysteme wurde allerdings noch nicht an Damaskus geliefert. Daher sieht sich Russland in einer komfortablen Verhandlungsposition. Schon im Konflikt um das Atomprogramm mit dem Iran hatte Russland die Lieferung von Raketensystemen ausgesetzt und befindet sich seitdem im Streit mit Iran.

Einem UN-mandatierten Militäreinsatz in Syrien würde Moskau zustimmen, fordert aber zuvor weitere Beweise, dass der Giftgaseinsatz nahe Damaskus vom Assad-Regime ausging. Sowohl Russland als auch die anderen G20-Länder haben bereits angekündigt, den Gipfel als informelles Forum zu nutzen, um sich über die unterschiedlichen Interessen und Konfliktwahrnehmungen auszutauschen und so Missverständnisse zu vermeiden.

Bibliografische Angaben

Davydchyk, Maria. “Russland und die G20.” September 2013.

Fünf Fragen, 5. September 2013

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