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19. Juni 2013

Obamas Berlin-Besuch

In der Sicherheitspolitik gibt es eine Annäherung, in der Wirtschaftspolitik sind die Gegensätze groß

"Während wir nach wie vor auf die westliche Führungsmacht fixiert sind, haben die USA ihre Aufmerksamkeit nach Asien verschoben", konstatiert Josef Braml, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Programms USA / Transatlantische Beziehungen. Der DGAP-Experte über die aktuelle sicherheitspolitische Annäherung, Streitpunkte in der Wirtschafts- und Handelspolitik und die Bedeutung von Obamas Deutschland-Besuch.

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Welche Bedeutung hat der Besuch des amerikanischen Präsidenten in Berlin?

Für die Europäer, insbesondere für Deutschland, ist der Besuch wichtiger als für die Amerikaner. Während wir nach wie vor auf die westliche Führungsmacht fixiert sind, haben die USA ihre Aufmerksamkeit nach Asien verschoben, wo mehr wirtschaftliche Möglichkeiten, aber auch Risiken vermutet werden. Europa kann für die USA relevant bleiben, wenn es dabei hilft, Probleme in anderen Weltregionen zu lösen. Ob wir dazu fähig oder willens sind, ist eine andere Frage.

Wie ist zurzeit das Verhältnis zwischen Berlin und Washington?

In der Sicherheitspolitik erleben wir eine Annäherung, weil die idealistischen Hoffnungen auf ein schnelles Nation Building einer realistischeren Einschätzung gewichen sind. Wir ziehen uns entweder gemeinsam mit den Amerikanern aus prekären Staaten wie Afghanistan zurück, oder wir hüten uns – wiederum gemeinsam – davor, etwa in Syrien mit eigenem Militär einzugreifen.

In der Wirtschaftspolitik dagegen könnten die Gegensätze nicht größer sein. Was die eine Seite macht, wird von der anderen als nutzlos, ja kontraproduktiv bewertet. Barack Obama wird Angela Merkel erneut dazu drängen, die Wirtschaft auf Pump zu stimulieren, während Merkel weiterhin auf ihrem Konsolidierungskurs beharren wird, um die politische Handlungsfähigkeit Europas wieder herzustellen.

Welches sind die wichtigsten Themen in den Beziehungen der beiden Länder?

Neben der Wirtschaftspolitik wird vor allem die Handelspolitik, insbesondere die Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) ganz oben auf der Agenda stehen. Doch auch in diesem Politikfeld gibt es große Hürden – auf beiden Seiten des Atlantiks: Während die Europäer in der Agrar- und Kulturpolitik bremsen, wird der amerikanische Präsident vom Kongress nicht die nötige Handelsautorität (Trade Promotion Authority) bekommen, um auf internationaler Ebene mit allen Vollmachten ausgestattet verhandeln zu können. 

Was kann Obama tun, um aus seinem eigenen Schatten von 2008 und dem seines Vorgängers Kennedy von 1963 hinauszutreten?

Sein eigener Schatten ist größer als der Kennedys. Er hat große Erwartungen geweckt, die er nicht erfüllen kann. Das liegt aber weniger an seiner Person, sondern vielmehr an den enormen sozialen und wirtschaftlichen Problemen, die derart schwer auf dem politischen System wiegen, dass es blockiert. Mit Ausnahme der Sicherheitspolitik, in der der Präsident sehr mächtig ist, sind ihm in den anderen Politikfeldern die Hände gebunden. Er wird vom Kongress, insbesondere von den Republikanern im Abgeordnetenhaus, ausgebremst.

Wie wichtig ist Obamas Besuch für den deutschen Wahlkampf?

Wenn Winston Churchill recht hat, dann ist im Wahlkampf eine Woche eine sehr lange Zeit. Und wir haben noch einige Wochen bis zum Wahltag, in denen für den Ausgang der Wahlen noch sehr viel Wichtigeres passieren kann.

Bibliografische Angaben

Braml, Josef. “Obamas Berlin-Besuch.” June 2013.

Fünf Fragen, 17. Juni 2013

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