Kamingespräch: Vor dem Nato-Gipfel in Brüssel

Streit ist vorprogrammiert

Datum
10 Juli 2018
Uhrzeit
-
Ort der Veranstaltung
DGAP, Berlin, Deutschland
Einladungstyp
Nur für Mitglieder

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Beim Nato-Gipfel steht nichts Geringeres als der Fortbestand des Verteidigungsbündnisses auf der Agenda. Die Konfliktlinien liegen klar auf dem Tisch: Die nach der Krim-Annexion zerrüttete Beziehung zu Russland, die Forderung der USA nach höheren Verteidigungsausgaben der Mitgliedsländer und die aus ihrer Sicht ungleiche Lastenverteilung. „Die wichtigste Frage ist, kann die Nato signalisieren, dass sie handlungsfähig ist“, fasst Dr. Henning Riecke, Programmleiter USA/Transatlantische Beziehungen bei der DGAP, die Erwartungshaltung an das Gipfeltreffen am 11. und 12. Juli in Brüssel zusammen.

Mit Nervosität wird vor allem auf US-Präsident Donald Trump geschaut, der Verhandlungserfolge mit Blick auf die US-Zwischenwahlen nach Hause bringen muss. Auf dem Nato-Gipfel in Wales 2014 verständigten sich die Mitgliedsländer darauf, zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) für Verteidigung und davon 20 Prozent für Investitionen auszugeben, wie Riecke betonte. Diese Zielmarke will der US-Präsident jetzt einfordern. „Trump wird aggressiv verhandeln, weil es ihm Glaubwürdigkeit gegenüber seinen Wählern verleiht“, sagt er. Die Gefahr sei groß, dass der Gipfel in der öffentlichen Wahrnehmung ausschließlich auf den Streit über höhere Militärausgaben reduziert werde.

Mit Sorge blicken Experten wie Riecke und Dr. Svenja Sinjen, Leiterin des Projekts „Internationaler Strukturwandel und deutsche Außenpolitik“ bei der DGAP, aber auch darauf, ob Trump versuchen wird, den Handelsstreit mit der Frage der Verteidigungsbereitschaft innerhalb der Nato zu verknüpfen. Das würde eine politische Hebelwirkung erzeugen, sagt Riecke.

Sinjen verweist auf die Rolle Deutschlands beim Gipfel. „Die Verbündeten erwarten von Deutschland einen substanziellen militärischen Rückhalt“, betont sie. Doch schon jetzt sei es für die Bundeswehr schwer, ihre Verpflichtungen zu erfüllen. Wenn weitere Aufgaben im Bündnis dazukommen, wie etwa ein Engagement im Krisenland Irak, sei die Bundeswehr überfordert. Sinjen plädiert für eine „finanzielle Unterfütterung“, also eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben.

Ihren enormen Reformbedarf hat die Nato laut Sinjen erkannt und bereits angegangen. Dabei verweist sie auf vier wichtige Initiativen – zur Erhöhung von Einsatzbereitschaft und Mobilität sowie für neue Kommandostrukturen und beschleunigte Entscheidungsprozesse. „Ich denke, dass die Nato auf dem richtigen Weg bei den Themen Abschreckung und Verteidigung ist“, fügt Sinjen an. Die Maßnahmen müssten jetzt aber implementiert werden.

Neben der schwierigen Gemengelage beim Nato-Gipfel bewegte das Publikum auch der Abbau von Rechtsstaatlichkeit in der Türkei. „Ist das Land denn überhaupt noch ein Bündnispartner“, fasst Dr. Jana Puglierin, Programmleiterin des Alfred von Oppenheim-Zentrums für Europäische Zukunftsfragen, die die Veranstaltung moderiert hat, die Fragen aus dem Publikum zusammen. Die Antwort fällt pragmatisch aus: „Die Türkei ist für die Nato aufgrund ihrer strategischen Lage wichtig“, sagt Riecke. Die Allianz beziehe zu innenpolitischen Fragen nicht Stellung. „Die Nato ist ein Verteidigungsbündnis und kein Demokratisierungsinstrument. Das sehen wir jetzt am Beispiel Türkei.“

Format

Kamingespräch
Zielgruppe
Veranstaltung der Gesellschaft
Themen