Die EU-Zentralasienstrategie

Datum
30 September 2015
Uhrzeit
-
Ort der Veranstaltung
Brüssel, Deutschland
Einladungstyp
Nur für geladene Gäste

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Rund 50 Teilnehmer aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft diskutierten das europäische Engagement in der Region vor dem Hintergrund der angespannten sicherheitspolitischen Lage sowie der Interessen Russlands und Chinas in maßgebenden Wirtschafts- und Politikfeldern. Einleitend unterstrich Bolat Nussupov, kasachischer Botschafter in Deutschland, die richtungsweisende Relevanz der europäischen Zentralasienstrategie für eine Förderung der wirtschaftlichen und politischen Zusammenarbeit, um eine nachhaltige Entwicklung der Region voranzutreiben.

Stefan Meister, Programmleiter Osteuropa, Russland und Zentralasien der DGAP, moderierte das erste Panel, das sich mit der überarbeiteten Zentralasienstrategie der EU befasste. Vonseiten der EU erklärte Toivo Klaar, Referatsleiter für Zentralasien des Europäischen Auswärtigen Dienstes, dass die EU an einem neuen Partnerschafts- und Kooperationsabkommen arbeite. Das erweiterte Abkommen zeige, dass Kasachstan der wichtigste regionale Partner für die EU sei. Ziel der Zentralasienstrategie sei es, wirtschaftliches Wachstum, Rechtstaatlichkeit und demokratische Entwicklung zu unterstützen. Der kasachische stellvertretende Außenminister Volkov betonte die Bedeutung des staatlichen Programms „Weg nach Europa“, das auch innenpolitisch die Kooperation mit der EU zu einer Priorität mache. Kasachstan begrüße den neuen, flexiblen Ansatz der EU-Strategie und die erhöhte finanzielle Unterstützung zur Umsetzung regionaler Programme zwischen 2014 und 2020 sowie Pläne für eine bessere Koordinierung für wirtschaftliche Investitionen in der Region. Wachsende Investitionen und schnellere Entscheidungsfindungsprozesse könnten auch den Abstand der EU zu den anderen beiden externen Akteuren, Russland und China, etwas verringern. Die Übernahme der EU-Standards sei hinsichtlich eines Technologietransfers zur Entwicklung einer „Green Economy“ bedeutsam. Außerdem wünsche er sich, dass dem Dialog mit der EU auf höchster Ebene in Sicherheitsfragen mehr Priorität verliehen würde.

Die Bundestagsabgeordnete Karin Strenz unterstrich ebenfalls, eine Intensivierung der deutsch-kasachischen Beziehungen sei von beidseitigem Interesse. Luba von Hauff, Associate Fellow am Robert Bosch-Zentrum der DGAP, gab Einblick in die Rolle Chinas in Zentralasien. China sei mit beinahe einem Drittel des gesamten Außenhandelsvolumens der wichtigste externe Wirtschaftsakteur in der Region. Auch im Energiesektor werde China präsenter und importiere große Mengen Erdöl und -gas aus Kasachstan und Turkmenistan. Während der Finanzkrise habe China den beiden Ländern großzügige Kredite gewährt. Darüber hinaus sei das chinesische Milliardenprojekt der Neuen Seidenstraße der wichtigste Garant für Investitionen, insbesondere im Energie- und Transportsektor. China präsentiere sich als alternativer, externer Akteur, der durch Investitionen regionale Entwicklung fördere, ohne dabei in die lokalen politischen Kulturen einzugreifen. Von Hauff schloss mit der Folgerung, dass eine stärkere Zusammenarbeit der beiden Akteure große Möglichkeiten biete, die regionale Entwicklung zu befördern und Sicherheit zu gewährleisten. Gleichzeitig könne auch die Unabhängigkeit der Länder von Russland gesichert werden. Es stelle sich die Herausforderung, multilaterale Strukturen des Austauschs aufzubauen, um eine gemeinsame Beurteilung der gegenwärtigen Lage vorzunehmen und auf dieser Basis Perspektiven zu entwerfen.

Die unterschiedlichen Standpunkte regten die Diskussion unter den Teilnehmenden zu den konkurrierenden Modellen in Zentralasien an. Klaar unterstrich, dass man weder mit Russland noch mit China konkurrieren wolle. Man wolle lediglich das anbieten, was die anderen nicht anbieten können. Diese Aussage bekräftigte Karin Strenz. Man dürfe die Länder nicht in eine Situation bringen, in der sie vor die Wahl gestellt würden.

Im zweiten Panel unter der Leitung von Maria Davydchyk, Programmmitarbeiterin am Robert Bosch-Zentrum, standen wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen in Kasachstan im Vordergrund. Die lettische Europaparlamentsabgeordnete Iveta Grigule betonte die Wichtigkeit des kasachisch-europäischen Abkommens als Plattform der bilateralen Zusammenarbeit. In ihrem Vortrag setzte sie sich für die Visaliberalisierung vonseiten der EU ein und widersprach ihren Vorrednern, indem sie Konkurrenzvermeidung mit China und Russland abstrafte. Eine Zusammenarbeit mit Kasachstan müsse auch in anderen Bereichen möglich sein, so zum Beispiel in der Bildung oder im Technologietransfer. Um negative Auswirkungen der russischen Wirtschaftskrise auf Kasachstan zu mildern, solle es eine Diversifizierung seines Handels mit stabilen Märkten vorantreiben, um sozialer, wirtschaftlicher und politischer Instabilität vorzubeugen. Es sei in einem fragileren internationalen Umfeld in der europäischen Nachbarschaft auch im Interesse der EU, ihre Beziehungen mit den „Nachbarn ihrer Nachbarn“ zu stärken.

Sultan Akimbekov, Direktor des kasachischen Instituts für Weltwirtschaft und Politik, beklagte die negativen Auswirkungen der Eurasischen Wirtschaftsunion auf Kasachstan. Zukunftsweisend sei für Kasachstan daher sein WTO-Beitritt sowie das erweiterte Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit der EU. Durch seine Integration in den globalen Markt sei Kasachstan in einer vorteilhafteren Position als Russland. Nichtsdestotrotz biete der Konflikt Russlands mit dem Westen Kasachstan auch Möglichkeiten; man strebe an, die geopolitisch strategisch wichtige Lage Kasachstans zu nutzen, um ein Logistikknotenpunkt in Zentralasien zu werden. Das Land strebe eine wirtschaftliche Liberalisierung und Modernisierung nach dem Vorbild Singapurs an.

Sebastien Peyrouse, Forschungsprofessor am Institut für Europäische, Russische und Eurasische Studien an der George Washington University, evaluierte die Rolle Europas als verspätetem Akteur in Zentralasien. Die EU könne aufgrund ihrer komplexen Struktur und vielfältigen und widersprüchlichen Interessen nicht mit einer einheitlichen Stimme sprechen. Die Region liege überdies nicht im Fokus des europäischen Interesses. Vor allem im Bereich der menschlichen Sicherheit sah Peyrouse Chancen für eine effektive Zusammenarbeit der EU mit Zentralasien. Dieser Prozess könne die EU nicht gleichgültig lassen. Indem sich Brüssel für die Förderung der menschlichen Sicherheit einsetzte, könne es zu einer stabilen Zukunft der zentralasiatischen Länder beitragen. 

Format

Expertenrunde
Zielgruppe
Think Tank Veranstaltung