The West and European Security Order: New Arrangements All Around?

Datum
03 Dezember 2014
Uhrzeit
-
Ort der Veranstaltung
DGAP, Berlin, Deutschland
Einladungstyp
Nur für geladene Gäste

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Alexandra Lencznarowicz, Senior Program Officer am Center for European Policy Analysis, betonte, dass Wladimir Putin in der Ukrainekrise auf eine fundamentale Veränderung der europäischen Sicherheitsarchitektur abziele. Daher dürfe man den Konflikt nicht isoliert betrachten, sondern müsse vielmehr die Herausforderungen, die sich auf lange Sicht ergeben, im Auge behalten. Es sei wichtig, dass die NATO den Provokationen Russlands standhalte, da diese die Einsatzfähigkeit der NATO testeten. Russland versuche, isoliertere Staaten von einer Annäherung an die EU abzuhalten, beispielsweise durch Propaganda in der Republik Moldau. Auch weil Vertrauen nur über eine lange Zeit aufgebaut werden könne, müssten die USA und Europa diese Staaten besonders unterstützen. Zudem warnte Lencznarowicz vor den über Europa hinausgehenden politischen Folgen der Ukrainekrise. Die transatlantischen Partner sollten die Ukrainekrise nutzen, um sowohl das gegenseitige Vertrauen als auch das in die Allianz zu stärken.

Jonathon Price, stellvertretender Direktor der Aspen Strategy Group, verdeutlichte die Sicht der USA auf die Krise in der Ukraine. Hierbei konzentrierte er seine Ausführungen vor allem auf den „Putinismus“: Unter Putin seien in Russland insgesamt Schritte zurück zu Autokratie, Unfreiheit und auch schlechter wirtschaftlicher Entwicklung zu beobachten. Price sehe vereinzelte Kommentare, die bereits den Untergang Russlands voraussagen. Im nationalen Interesse der USA liege dabei in erster Linie die Bearbeitung des Konflikts mit Russland und nur an zweiter Stelle der Konflikt zwischen der Ukraine und Russland. Zuletzt unterstrich Price, dass der Westen vereint bleiben müsse. Deutschland komme hierbei eine Schlüsselrolle zu: Das Land habe verstanden, dass politische Interessen vor wirtschaftlichen Interessen stünden; aus diesem Verständnis speise sich die Unterstützung der Sanktionen aufseiten der Bundesregierung. Für die Zukunft sei es zentral, einen Weg zu finden, mit gemäßigten Kräften in Russland in Dialog zu treten, bereits während Putins Amtszeit.

Yoni Komorov, Senior Vice President des S. Daniel Abraham Center for Middle East Peace, legte den Fokus seines Vortrags auf den Israel-Palästina-Konflikt und hob zwei akute Herausforderungen hervor: Die Stellung des Tempelbergs und die Anerkennung Palästinas als Staat durch einige europäische Mitgliedstaaten. Er machte deutlich, dass es im Interesse der USA und Europas liegen sollte, diesen Konflikt zu lösen; man dürfe aber nicht annehmen, dass eine Lösung auch die Konflikte der gesamten Region befrieden könne. Der Status quo sei jedenfalls nicht nachhaltig. Vielmehr sei zu beobachten, dass der Konflikt eine religiöse Dimension annehme, was starke Auswirkungen auch über die Region hinaus haben könnte. Es sei nicht zu erwarten, dass die Regierung Barack Obamas in Zukunft noch politisches Kapital in die Vermittlung im israelisch-palästinensischen Konflikt investieren werde, nachdem bereits verschiedene Ansätze des amerikanischen Außenministers John Kerry gescheitert seien. Vielmehr müssten die Europäer nun diese Lücke schließen. Die USA hätten eine stille Zustimmung für ein stärkeres Engagement der Europäer erteilt, eine Abstimmung zwischen den USA und der EU sei jedoch unumgänglich.

Samuel Tadros, Senior Fellow am Hudson Institute, sprach in seinem Vortrag die generellen Entwicklungen der MENA-Region der letzten Jahre an. Der Arabische Frühling sei im Westen prominenter wahrgenommen worden als in den arabischen Staaten selbst. Insgesamt seien mittlerweile zwei entgegengesetzte Bewegungen erkennbar: Einerseits Kräfte, die eine neue Ordnung etablieren wollen, allerdings nicht notwendigerweise eine demokratische. Andererseits gebe es starke Bestrebungen, den Status quo zu erhalten. Besonders besorgniserregend sei der wachsende Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten. Dabei gehe es um die Vorherrschaft in der gesamten Region, was an Stellvertreterkriegen zu beobachten sei, in denen sich vor allem Saudi-Arabien und Iran gegenüberstünden. Die durch das Sykes-Picot-Abkommen geschaffene nationalstaatliche Ordnung könne auf Dauer nicht weiter bestehen. Vielmehr werde man nach dem Ende der verschiedenen Krisen eine neue politische Ordnung beobachten können, so Tadros. Es sei wahrscheinlich, dass dem IS ähnliche Gruppen in Libyen, Jemen, Mali, Somalia, Nigeria und in der afghanisch-pakistanischen Grenzregion entstünden, oder sich der Einfluss bestehender Gruppen, wie Boko Haram in Nigeria, noch vergrößern werde.

In seinem Kommentar verdeutlichte Dr. Henning Riecke, Leiter des Programms USA/Transatlantische Beziehungen der DGAP, die deutsche Position in der Ukrainekrise. Er betonte, dass Deutschland alle politischen Entscheidungen mittragen werde, die nötig seien, um dem Druck Putins standzuhalten. Dennoch bestehe in Deutschland ein Konsens darüber, dass Gesprächskanäle nach Moskau offengehalten werden müssten. In Bezug auf die Krisen in Syrien und Irak bemerkte Riecke, dass die EU-Mitgliedstaaten viel zu spät reagiert hätten. Auch erscheine ein gewisser Widerwille vorzuherrschen, sich stärker zu engagieren. Insgesamt sei die EU unter ihren Möglichkeiten geblieben.

In der daran anschließenden Diskussion konzentrierten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer primär auf Fragen rund um die Ukrainekrise. Es wurde betont, dass Russland einerseits nicht so stark sei, wie es manchmal erscheine, es jedoch gleichzeitig gefährlich sei, das Potenzial der russischen Streitkräfte zu unterschätzen; Putin habe wenig zu verlieren, daher sei er in gewisser Weise unberechenbar und könnte zu unüberlegten Handlungen neigen, die zu einer Zuspitzung der Krise führen könnten. Es herrschte Einigkeit darüber, dass es in der aktuellen Situation keinen klaren Ausweg aus dem Sanktionsregime gebe. Vor allem seien die Ziele der westlichen Sanktionen unklar: Will der Westen die Annektierung der Krim hinnehmen? Reicht also ein Ende der Kämpfe in der Ukraine, um die Sanktionen zu lockern? Oder wird vielmehr auf eine Rückgabe annektierter Gebiete hingewirkt? Eine klare Aussicht darauf, unter welchen Bedingungen Sanktionen zurückgenommen werden könnten, müsse dringend auf politischer Ebene erarbeitet werden, um Bewegungsmöglichkeiten aus der Krise zu schaffen. Insgesamt waren sich alle Beteiligten darüber einig, dass Präsident Putin die Entschlossenheit des Westens und besonders Deutschlands unterschätzt habe.

Sebastian Feyock, Programmmitarbeiter im Programm USA/Transatlantische Beziehungen der DGAP, moderierte die Diskussion. Insgesamt nahmen rund 20 Gäste aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen am Gesprächskreis teil. Die Veranstaltung wurde unterstützt von der Fritz Thyssen Stiftung und der deutschen Botschaft in Washington D.C.

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