USA, Europa, Russland – jeder für sich allein?

Die Kooperationsagenda ist dünn, der Elan fehlt. Bestandsaufnahme der Beziehungen mit Stefan Meister und Paul Saunders

Datum
11 Februar 2013
Uhrzeit
-
Ort der Veranstaltung
DGAP, Berlin, Deutschland
Einladungstyp
Nur für geladene Gäste

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Noch während der ersten Amtszeit Präsident Obamas hätten sich die amerikanisch-russischen Beziehungen verschlechtert – trotz der optimistisch begonnenen „Reset“- Politik, erklärte Paul J. Saunders, Direktor des Center for the National Interest und Associate Publisher des National Interest. Der desolate Zustand der Beziehungen lasse sich an der Russland-Müdigkeit Washingtons ablesen. Weder beim Thema Raketenabwehr noch bei Abrüstungs- oder Energiefragen seien schnelle Lösungen zu erwarten. Er glaube nicht, dass Obama bereit sei, viel politisches Kapital in die Kooperation mit Russland zu stecken, sagte Saunders. Eher werde sich der US-Präsident während seiner zweiten Amtszeit auf heimische Herausforderungen konzentrieren, um seinem Land ein innenpolitisches Erbe zu hinterlassen.

Vorrang der innenpolitischen Logik

Auch Russland ist mit sich selbst beschäftigt. Wladimir Putins Charisma schwinde, der Präsident stehe innenpolitisch unter Druck, erläuterte Stefan Meister, Programmmitarbeiter der DGAP für Mittel- und Osteuropa. Putin habe daher einen nationalistischen Kurs eingeschlagen, inklusive scharfer antiamerikanischer Töne. „Die russische Führung nutzt die Außenpolitik, um ihre Machtposition innenpolitisch zu legitimieren – und nimmt dafür in Kauf, international isoliert zu werden.“

Die größte außenpolitische Sorge Russlands betreffe seine unmittelbare Nachbarschaft: eine mögliche Destabilisierung Zentralasiens infolge des Rückzug der internationalen Kräfte aus Afghanistan. Russland sei als Regionalmacht mit der Stabilisierung des postsowjetischen Raumes überfordert und daher an einer sicherheitspolitischen Kooperation mit dem Westen interessiert. Allein der finanzielle Druck müsse eine Einigung auch bei den Themen Raketenabwehr und Abrüstung möglich machen. Die politische Polarisierung in Washington und Moskau stünden Kompromissen jedoch im Weg, sagte Stefan Meister. „Zurzeit hat niemand Interesse an einem Dialog.“

Hohes west-östliches Konfliktpotenzial

Aufgrund der geografischen Nähe und der wirtschaftlichen Verflechtung bleibt die EU für Russland der wichtigste Handelspartner. Der Beitritt Russlands zur Welthandelsorganisation könnte den Beziehungen neue Impulse geben. Die russische Führung betrachte die Anbindung an den Westen und die Integration in die WTO allerdings unter dem Aspekt des Gebens und Nehmens, warnte Saunders. Der Versuch, sich europäischen Maßstäben anzupassen, sei jedoch bislang genauso ohne Erfolg geblieben wie das Bestreben, russische Standards auf den Westen zu übertragen.

Stefan Meister machte klar, dass Russland noch einen langen Modernisierungsweg vor sich habe, um zum Westen ökonomisch aufzuschließen. Die russische Wirtschaft sei immer noch zu einseitig auf das Öl- und Gasgeschäft ausgerichtet – und auch auf diesem Sektor schwinde die Bedeutung Moskaus aufgrund der „Schiefergasrevolution“ und der wachsenden Konkurrenz durch Flüssiggas. Der Energiesektor führe zu immer mehr Konflikten zwischen der EU und Russland als dass er wie in den zurückliegenden Jahrzehnten ein Motor der Kooperation sei. Ohne wirtschaftliche Modernisierung aber könne auch keine Modernisierung russischer Außenpolitik gelingen.

Die Teilnehmer des Gesprächskreises waren sich einig, dass die Aussichten für eine tiefere Kooperation zurzeit eher trübe sind. Es gebe zwar eine Fülle gemeinsamer Herausforderungen, aber vielfach eine ganz unterschiedliche Problemwahrnehmung, so Stefan Meister. Der Westen solle Russland in den Bereichen Wirtschaft und Infrastruktur weiter Modernisierungsangebote machen und auch als Sicherheitspartner im postsowjetischen Raum aktiv bleiben. Eine gemeinsame euroatlantische Agenda zeichne sich dafür nach wie vor nicht ab: Während für die USA Sicherheitsinteressen im Vordergrund stünden, seien es für die Europäer die Wirtschaftsbeziehungen.

 

Dr. Stefan Meister ist Programmmitarbeiter am Zentrum für Mittel- und Osteuropa der Robert Bosch Stiftung in der DGAP.

Paul J. Saunders ist Executive Director, Center for the National Interest (CFTNI) und Associate Publisher des National Interest.

Die Veranstaltung fand im Rahmen der Reihe „Transatlantic Speaker Series“ des Programms USA / Transatlantische Beziehungen der DGAP statt und wurde moderiert von Karsten D. Voigt, 1999–2010 Koordinator der Bundesregierung für deutsch-amerikanische Zusammenarbeit. Zuständiger Wissenschaftlicher Mitarbeiter: Sebastian Feyock

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