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12. Nov. 2012

Alles bleibt anders

Wie sich Amerikas außenpolitisches Personal neu sortiert

Vier weitere Jahre Barack Obama – bleibt alles beim Alten in den USA? Nein. Vor allem personell stehen bedeutende Wechsel an. Die wichtigsten dieser Veränderungen betreffen das State Department und den Kongress.

Die derzeitige Außenministerin Hillary Clinton hat immer wieder betont, dass sie für eine zweite Amtszeit nicht zur Verfügung steht. Zwei Favoriten für ihre Nachfolge sind der liberale Senator John Kerry, hochdekorierter Vietnam-Veteran und 2004 demokratischer Präsidentschaftskandidat, und Susan Rice, derzeit US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen. Weder sie noch ein anderer demokratischer Außenminister dürfte den politischen Kurs des Außenministeriums in den kommenden Jahren stark verändern. Anders sieht die Sache aus, wenn wir auf den Kongress schauen.

Denn hier könnten personelle Veränderungen einen entscheidenden Unterschied ausmachen. Es wird oft übersehen, dass der Kongress, und namentlich der Senat, eine wichtige Rolle in der amerikanischen Außenpolitik spielen. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass die Beteiligung der USA an bedeutenden multilateralen Organisationen wie dem Völkerbund, der (gescheiterten) Internationalen Handelsorganisation oder dem Internationalen Strafgerichtshof vom jeweils regierenden Präsidenten befürwortet, aber vom Senat verhindert wurde. Der Senat wird demokratisch dominiert bleiben und das Repräsentantenhaus republikanisch; dennoch zeichnen sich wichtige personelle Veränderungen ab. Zwei Beispiele.

Am Dienstag wurde einer von Arizonas Senatssitzen neu vergeben. Mit Jon Kyl, 2010 vom Time Magazin unter die 100 einflussreichsten Menschen der Welt gewählt, verabschiedet sich ein führender republikanischer Abgeordneter in den Ruhestand. Kyl, der als „Minority Whip“ für Abstimmungsdisziplin seiner Fraktion zu sorgen hatte, gehört außenpolitisch zu den Falken. Er hat seine Parteimitglieder immer wieder auf Konfrontationskurs zur Regierung gebracht. Wie Josh Rogin in der Zeitschrift Foreign Policy schreibt, spielte Kyl „eine führende Rolle bei den Versuchen der Republikaner, Präsident Obamas Atomwaffen-Abrüstungsvertrag mit Russland zu verhindern“.

Kyls Sitz nimmt künftig Jeff Flake ein, ein liberalerer Republikaner als Kyl. In Sachen Kuba etwa tritt Flake im Unterschied zu Kyl für ein Ende des Embargos und für Reisefreiheit zwischen den beiden Ländern ein. Insgesamt haben der scheidende und der kommende Senator weitgehend ähnliche außenpolitische Vorstellungen – der entscheidende Unterschied besteht darin, dass Flake sicherlich nicht Kyls Führungsposition übernehmen wird und auch in der Partei nicht über die außenpolitische Autorität verfügt, um deren Kurs mitzubestimmen.

Pragmatiker statt Ideologen

Einer der zentralen außenpolitischen Senatsausschüsse ist das Komitee für Auswärtige Angelegenheiten (SFRC). Neben der außenpolitischen Gesetzgebung und der Leitung von Debatten im Senat ist dieses Gremium für Bestätigungsverfahren für hohe Posten im State Department zuständig und prüft die Nominierung von Botschaftern. Dick Lugar, der führende Republikaner, gehört diesem Ausschuss nicht mehr an, nachdem er in den Vorwahlen an Richard Murdouk gescheitert ist, einem Kandidaten der Tea Party. Allerdings schaffte es auch Murdouk nicht in den Senat, weil er gegen den Demokraten Joe Donelly verlor. Lugars Platz im Ausschuss wird auch er allerdings nicht einnehmen; Josh Rogin vermutet, dass Bob Corker, ein Republikaner aus Tennessee, die Führung der republikanischen Minderheit des Ausschusses, eine Art Vizevorsitz, übernehmen wird. Corker scheint eher ein Pragmatiker als ein außenpolitischer Ideologe oder strikter Parteigänger zu sein, also dürften Obamas Team und der demokratische Vorsitzende des Ausschusses in der Lage sein, konstruktiv mit ihm zusammenzuarbeiten. Gegenwärtig führt der Demokrat John Kerry den Vorsitz. Sollte er nächster Außenminister werden, müssen beide Spitzenpositionen neu besetzt werden. In jedem Fall aber wird ein Demokrat als Vertreter der Mehrheitsfraktion an der Spitze bleiben.

Mit John McCain wird eine weitere prominente außenpolitische Figur des Senats seinen Sitz in einem weiteren zentralen außenpolitischen Komitee, dem Senatsausschuss für Streitkräfte, räumen müssen. Zumindest aber wird McCain weiterhin im Senat bleiben. Einige andere bekannte außenpolitische Gesichter aus beiden Parteien verlassen dagegen den Senat, darunter der parteiunabhängige, aber den Demokraten nahestehende Joe Lieberman und der demokratische ehemalige Marineminister Jim Webb. Neuere Figuren wie der Republikaner Marco Rubio aus Florida, Sohn kubanischer Einwanderer, und der Demokrat Chris Coons, der ein Auslandssemester in Kenia verbrachte – beide Mitglieder des SFRC-Ausschusses – werden versuchen, sich im Senat außenpolitisch zu profilieren.

Auch im Repräsentantenhaus hat sich in Sachen Außenpolitik einiges getan. Howard Berman, einer der wichtigsten Außenpolitiker und stellvertretender Vorsitzender des Außenpolitischen Ausschusses des Hauses, hat seinen Sitz verloren. Neu eingezogen ins Repräsentantenhaus sind dagegen einige Veteranen der Irak- und Afghanistan-Kriege: So die in Bangkok geborene Demokratin Tammy Duckworth aus Illinois, die als Helikopter-Pilotin im Irak beide Beine verlor. Und Tom Cotton, Republikaner aus Arkansas, ein Harvard-Absolvent, der ebenfalls im Irak und in Afghanistan gedient hat, sowie Tulsi Gabbard, wiederum eine Demokratin und gleichfalls Armee-Veteranin. Gabbard, eine Hindu, wurde in Amerikanisch-Samoa geboren; ihren Sitz im Repräsentantenhaus hat sie für Hawaii erobert. Veteranen aus diesen Kriegen dürften in Zukunft eine immer größere Rolle in den außenpolitischen Debatten des Kongresses spielen.

Obama hat vier weitere Jahre, und die Mehrheiten im Senat und Repräsentantenhaus sind für zwei Jahre bestätigt. Aber nicht alles wird vollkommen gleich bleiben. Was die künftige Außenpolitik des Senats angeht, so werden wir abwarten müssen, welche Folgen die Veränderungen der Personalien haben werden. Im Allgemeinen scheinen die Republikaner mit Kyl und Lugar mehr an Führungspersönlichkeiten zu verlieren als sie neu zu gewinnen. Alte Vertreter der realistischen Schule und parteiübergreifend wirkende Persönlichkeiten wie Dick Lugar und Joe Lieberman sind weg, aber sie werden nicht durch extremere Kandidaten etwa der Tea Party ersetzt. Stattdessen werden sowohl Lugar als auch der parteiunabhängige Lieberman durch liberalere Demokraten ersetzt – für Obama sicher eine gute Nachricht. Andererseits ist die Zahl derer, die fiskalpolitisch konservativ eingestellt sind, auf beiden Seiten gewachsen, und angesichts der riesigen Schulden- und Defizitbelastung und der ökonomischen Herausforderungen im eigenen Land könnte auch ein liberalerer Senat eine etwas isolationistischere Linie ernsthaft in Betracht ziehen, um finanzielle Mittel und Anstrengungen in der Heimat zu konzentrieren, idealerweise in ihren eigenen Bundesstaaten.

RACHEL HERP TAUSENDFREUND ist Chefredakteurin von IP JOURNAL, dem englischsprachigen Webportal der IP.

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