Policy Brief

15. Mai 2019

Wenn Zwei sich streiten, verliert der Dritte

Die EU sollte im Handelskonflikt zwischen USA und China nicht Zaungast bleiben

Trotz Verhandlungen eskalierte Trump am 10. Mai den Handelsstreit mit China. Mittlerweile bezeichnet auch die EU China als systemischen Rivalen. Damit nähert sie sich den USA an. Doch die transatlantische Kooperation hat Grenzen. Trump scheint durch unilaterale Maßnahmen die wirtschaftliche Verflechtung mit China aufbrechen zu wollen. Die EU setzt auf multilaterale Regeln. Gleichzeitig muss sie aktiver den Dialog mit China – und den USA – vorantreiben. Ansonsten droht sie, zum Verlierer zu werden.

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Die USA haben seit Jahren ein riesiges Defizit im Warenhandel mit China. Mit rund 378,7 Milliarden US-Dollar im Jahr 2018 war es so hoch wie mit keinem anderen Land. Präsident Trump will dies ändern. Ebenso wie die EU moniert der Präsident den mangelnden Schutz geistigen Eigentums, staatliche Subventionen sowie den erzwungenen Technologietransfer bei Joint Ventures in China. Anders als die EU setzen die USA allerdings auf unilaterale Handelsinstrumente und -gesetze, um Peking zum Einlenken zu bewegen. In ihrer nationalen Sicherheitsstrategie vom Dezember 2018 kritisierte die Trump-Administration, dass sich die seit Jahrzehnten verfolgte Politik, China durch die Einbindung in internationale Organisationen und den Welthandel zu einem vertrauenswürdigen Partner zu machen, als falsch erwiesen habe.

Am 8. März 2018 erließ Präsident Trump unter Berufung auf die nationale Sicherheit (Abschnitt 232 des Handelsgesetzes von 1962) globale Zölle in Höhe von 25 Prozent auf Stahl- und 10 Prozent auf Aluminiumimporte. China ist der weltweit größte Hersteller beider Produkte; seine erheblichen Überkapazitäten haben zu gravierenden Verzerrungen auf den Weltmärkten geführt. Im Juli 2018 erließen die USA zusätzliche Importzölle in Höhe von 25 Prozent auf chinesische High-Tech-Produkte im Wert von 34 Mrd. US-Dollar – darunter viele Produkte, die Peking in seiner „Made in China 2025“-Strategie als besonders wichtig identifiziert hatte. Diesmal diente Abschnitt 301 des Handelsgesetzes von 1974 als Grundlage, welcher Maßnahmen gegen unfaire Handelspraktiken ermöglicht. Die chinesische Regierung antwortete mit eigenen Importzöllen auf US-Waren in Höhe von 34 Mrd. US-Dollar. Als die Trump-Administration die 301-Zölle auf weitere chinesische Produkte im Wert von 16 Mrd. US-Dollar ausdehnte, reagierte China kurzerhand mit Gegenzöllen in derselben Höhe.

Chronologie des Zollstreits
8. März 2018
Präsident Trump erlässt auf Basis der nationalen Sicherheit (Abschnitt 232 des Handelsgesetzes von 1962) globale Zölle in Höhe von 25 Prozent auf Stahl- und 10 Prozent auf Aluminiumimporte. China ist als weltweit größter Hersteller beider Produkte betroffen.
6. Juli 2018
Die USA erlassen Importzölle in Höhe von 25 Prozent auf chinesische High-Tech-Importe im Wert von 34 Mrd. US-Dollar. Grundlage ist Abschnitt 301 des Handelsgesetzes von 1974. China erhebt daraufhin Gegenzölle in Höhe von 25 Prozent auf US-Produkte im Wert von 34 Mrd. US-Dollar.
23. August 2018
Die Trump-Regierung erweitert auf Basis des Abschnitts 301 (Handelsgesetz von 1974) die Strafzölle auf weitere Importe aus China im Wert von 16 Mrd. US-Dollar. China erwidert mit Gegenzöllen in derselben Höhe.
24. September 2018
Die US-Regierung erhebt weitere Zölle in Höhe von zehn Prozent auf chinesische Produkte im Wert von 200 Mrd. US-Dollar. Die USA drohen, die Zölle im Januar 2019 auf 25 Prozent zu erhöhen. China antwortet mit Zöllen auf Importe im Wert von 60 Mrd. US-Dollar.
2. Dezember 2018
Auf dem G20-Gipfel in Buenos Aires einigen sich Präsident Trump und Präsident Xi darauf, bis zum 1. März 2019 ein bilaterales Abkommen zu schließen. Im Gegenzug verspricht Trump, keine weiteren Zölle mehr zu verhängen.
Seit Januar 2019
Beide Seiten verhandeln. Trump lässt die Frist vom 1. März verstreichen. Das geplante Treffen zwischen Xi und Trump wurde bereits von April auf Ende Juni 2019 verschoben.
10. Mai 2019
Die Zölle auf chinesische Produkte im Wert von 200 Mrd. US-Dollar werden – wie angedroht – von 10 Prozent auf 25 Prozent erhöht. Die USA drohen, auch die restlichen chinesischen Importe mit Zöllen zu belasten.
13. Mai 2019
China reagiert mit Gegenmaßnahmen und hebt seinerseits ab dem 1. Juni die Importzölle auf US-Produkte im Wert von 60 Milliarden US-Dollar an.

Im September 2018 führten die USA zusätzliche Zölle in Höhe von zehn Prozent auf chinesische Waren im Wert von 200 Mrd. US-Dollar ein. Trump wollte diese ursprünglich im Januar 2019 auf 25 Prozent erhöhen, sollte China nicht einlenken. Hinzu kam der Streit um den chinesischen Technologie-Giganten Huawei. Anfang Dezember 2018 verhaftete Kanada auf Bitten der USA Huaweis Chief Financial Officer Meng Wanzhou. Nach Ansicht der USA hat Huawei die US-Sanktionen gegen den Iran verletzt. Im Januar 2019 verklagte das US-Justizministerium Huawei zudem wegen Diebstahl von Geschäftsgeheimnissen. Die chinesische Regierung kritisierte das Vorgehen der USA scharf als Versuch, den Wettbewerb um die technologische Vorherrschaft zu gewinnen.

Bis Anfang Mai herrschte Waffenstillstand zumindest an der Handelsfront. Auf dem G20-Gipfel in Buenos Aires im Dezember 2018 hatten sich Präsident Trump und Präsident Xi darauf geeinigt, bis zum 1. März 2019 ein bilaterales Abkommen über chinesische Wirtschaftsreformen zu schließen. Im Gegenzug versprach Trump, zunächst keine weiteren Zölle zu verhängen. Seit Januar laufen die Verhandlungen; die März-Frist wurde aufgrund der guten Fortschritte noch einmal verlängert.

Der nach außen gezeigte Optimismus über den Fortschritt der Gespräche wandelte sich Anfang Mai. Trump drohte, die Zölle auf chinesische Importe im Wert von 200 Mrd. US-Dollar wie geplant auf 25 Prozent zu erhöhen. Diese Drohung setzte er am 10. Mai auch schließlich um. Gleichzeitig plant er weitere Zölle in Höhe von 25 Prozent auf den Rest der chinesischen Importe. Die USA sind der Ansicht, dass China seine ursprünglich angebotenen Zugeständnisse in zentralen Fragen wieder zurückgenommen hat. Strittige Punkte sind vor allem der Durchsetzungsmechanismus sowie der Umgang Chinas mit US-Strafzöllen. Geht es nach den USA, soll China sein Recht aufgeben, auf US-Strafzölle mit eigenen Zöllen antworten zu können, wenn das Land nach Auffassung der USA gegen das Abkommen verstoßen hat. China kündigte daraufhin an, ab dem 1. Juni die Zölle auf US-Produkte im Wert von 60 Mrd. US-Dollar je nach Produkt auf 10, 20 bzw. 25 Prozent anzuheben.

Trumps China-Politik hat viele Anhänger

Die harte China-Politik der Trump-Administration hat viele Unterstützer in den USA. Laut einer Pew-Umfrage vom Oktober 2018 haben nur 38 Prozent der US-Amerikaner ein positives Bild von China; 2017 waren es noch 44 Prozent. Während sich Wähler der Republikanischen Partei – im Einklang mit der Politik Trumps – vor allem über Chinas wirtschaftliche Stärke Sorgen machen (Handelsdefizit, Verlust von Arbeitsplätzen), kritisieren Wähler der Demokratischen Partei Chinas Einfluss auf die Umwelt und die Verletzung von Menschrechten.

Die Strafzölle gegen China finden hingegen keine so deutliche Unterstützung. Einer Umfrage von Gallup vom Juli 2018 zufolge waren 38 Prozent der Befragten der Ansicht, dass die erste Runde von Zöllen der US-Wirtschaft kurzfristig schaden würde, während nur 16 Prozent die Zölle als positiv für die US-Wirtschaft bewerteten.
45 Prozent der Befragten waren zudem der Ansicht, dass sich die Zölle langfristig negativ auf die US-Wirtschaft auswirken würden.

Die Wirtschaft, beispielsweise die US Chamber of Commerce, gehört zu den lautstarken Kritikern der Trumpschen Handelspolitik und der Zollspirale, auch wenn sie die Bedenken der Regierung gegenüber China teilt. Gerade die Landwirtschaft äußert sich kritisch, da durch Chinas Gegenmaßnahmen ein wichtiger Absatzmarkt eingebrochen ist. Die Gewerkschaften, unter ihnen die American Federation of Labor and Congress of Industrial Organizations (AFL-CIO), die grundsätzlich Handelsliberalisierungen kritisch gegenübersteht, unterstützen das harte Vorgehen gegen China. Gleichwohl forderte die AFL-CIO, die Zollpolitik müsse positive Auswirkungen für die arbeitenden Familien haben.

Die kritische Haltung zu China wird im US-Kongress geteilt. Parteiübergreifende Initiativen sind im Kongress rar; beide Parteien sind ideologischer geworden und die parteipolitische Spaltung hat zugenommen. Im Falle Chinas zeigt der Kongress allerdings große Einigkeit. Dies unterstreichen auch jüngste Gesetze zur Exportkontrolle und der Prüfung ausländischer Direktinvestitionen, die der Kongress im vergangenen Jahr verabschiedete.

Vor allem die Republikaner im Repräsentantenhaus teilen die Sicht Trumps auf China und stellen sich hinter den Präsidenten. Im Senat gibt es auch differenziertere Stimmen. Der Mehrheitsführer, Mitch McConnell (R-KY), und der Vorsitzende des einflussreichen Finanzausschusses, Chuck Grassley (R-IA), unterstützen die aggressive Strategie des Präsidenten. Insbesondere Grassley warnte gleichwohl, die Landwirte dürften nicht die gesamte Last der Gegenmaßnahmen tragen. Je näher die nächsten Wahlen rücken, desto schwieriger dürfte es allerdings für die Republikaner werden, sich in dieser wichtigen Frage gegen den Präsidenten zu positionieren.

Viele prominente Demokraten – wie beispielsweise der Minderheitsführer im Senat Chuck Schumer (D-NY) – kritisieren ebenfalls die Handelspraktiken Chinas und fordern den Präsidenten auf, aggressiv gegen den Diebstahl geistigen Eigentums vorzugehen. Andere einflussreiche Demokraten, wie zum Beispiel der Vorsitzende des Ways and Means-Ausschusses im Repräsentantenhaus Richard Neal (D-MA), kritisieren hingegen die erratische Verhängung von Zöllen auf chinesische Güter. Zahlreichen Umfragen zufolge bewertet die Wählerschaft der Demokraten Handel zunehmend positiv. Trotzdem ist aufgrund der Position der Gewerkschaften mit keinem großen Widerstand der Partei gegen Trumps China-Politik zu rechnen.

Trumps Zollpolitik ist teuer; sie gefährdet Arbeitsplätze und belastet die Konsumenten. Zu einer Änderung des Wahlverhaltens hat dies bei den Zwischenwahlen im November 2018 jedoch nicht geführt – nicht einmal in den landwirtschaftlich geprägten Bundesstaaten, die von den chinesischen Gegenmaßnahmen besonders betroffen sind. Trump dürfte daher an seinem Kurs festhalten. China wird auch im Wahlkampf 2020 ein zentrales Thema bleiben.

USA-China-Konflikt belastet das multilaterale Handelssystem

Die Trump-Administration steht der WTO äußerst kritisch gegenüber. Dies hängt zum großen Teil mit der Rolle Chinas in der Organisation zusammen. So betonte der Handelsbeauftragte (USTR) Robert Lighthizer 2017 in seinem jährlichen Bericht an den Kongress über Chinas Einhaltung von WTO-Regeln, es sei ein Fehler gewesen, das Land in die WTO aufzunehmen. Die Hoffnungen hätten sich nicht erfüllt, dass sich China durch seine Mitgliedschaft zu einer Marktwirtschaft wandele.

Ein zentraler Kritikpunkt der USA bezieht sich auf das Berufungsgremium (Appellate Body) der WTO, das in zahlreichen Urteilen US-Antidumpingmaßnahmen – vor allem gegen China – als nicht rechtmäßig eingestuft hat. Um eine Reform der Streitschlichtung zu erzwingen, blockieren die USA daher die Ernennung von Mitgliedern in das Berufungsgremium. Ab Dezember 2019 könnte das Gremium seine Arbeitsfähigkeit verlieren, da die Zahl der Mitglieder dann auf zwei geschrumpft sein wird. Nach den Statuten der WTO sind für die Behandlung eines Berufungsfalls aber drei Mitglieder notwendig. Da in der Folge sämtliche Berufungsverfahren auf Eis gelegt werden müssen, wird der gesamte Streitschlichtungsmechanismus der WTO beschädigt.

Zweitens kritisieren die USA, dass das WTO-Regelwerk unzureichend sei, um gegen die marktverzerrenden Handelspraktiken von China vorzugehen. Dies betrifft vor allem das Thema Subventionen und Staatsunternehmen. Die EU und Japan teilen diese Kritik und haben daher gemeinsam mit den USA auf der WTO-Ministerkonferenz in Buenos Aires im Dezember 2017 die „Trilaterale Initiative“ gegründet.

Der dritte Kritikpunkt bezieht sich auf den mangelnden Fortschritt in der Doha-Entwicklungsrunde. Abgesehen vom Abkommen über Handelserleichterungen (2017) haben es die WTO-Mitgliedstaaten bisher nicht geschafft, sich auf neue Liberalisierungen und Regeln zu einigen. Daher haben die USA – und in Teilen auch die EU – das Interesse an der multilateralen Runde verloren. Dies liegt vor allem auch daran, dass sich große Schwellenländer wie China und Indien auf ihren selbstgewählten Status als Entwicklungsland zurückziehen und zu keinen grundlegenden Zugeständnissen bereit sind. Ein Fortschritt sind immerhin die neuen plurilateralen Initiativen, an denen sich auch die USA (bei E-Commerce) und die EU (bei E-Commerce, Investitionen sowie bei Micro, Small and Medium Sized Enterprises) beteiligen. Doch auch diese können nicht die Unterstützung der USA für die WTO sichern.

Der vierte Kritikpunkt der USA betrifft die Tatsache, dass viele Mitglieder – allen voran China – ihren WTO-Pflichten nicht nachkommen, Subventionen bei der WTO zu melden. Dies beeinträchtigt die Überwachungsfunktion der WTO.
Die Trump-Administration setzt daher weniger auf die WTO, um den Konflikt mit China zu lösen, als auf unilaterale Handelsinstrumente und bilaterale Verhandlungen. Damit gefährdet sie jedoch das multilaterale Handelssystem, das über Jahrzehnte hinweg wirtschaftliches Wachstum und Entwicklung weltweit begünstigt hat.

Verhandlungen mit unsicherem Ausgang

Trumps China-Politik ist zu Recht umstritten. Ob sie zum Erfolg führt, ist alles andere als sicher, und sie birgt große Risiken für die USA und die Weltwirtschaft. Im besten Fall einigen sich die USA und China auf ein ambitioniertes Abkommen, das strukturelle und rechtlich bindende Reformen Chinas vorsieht, auf das sich auch andere Staaten berufen können, und das einen starken Durchsetzungsmechanismus hat. Ein solcher Deal wäre nicht nur gut für die USA, sondern auch für die Weltwirtschaft. Auch der EU und Deutschland würde ein solches Abkommen zugutekommen. Zudem würde damit der Weg für eine umfassende WTO-Reform geebnet. Allerdings ist dieses Szenario sehr unwahrscheinlich. Denn China dürfte kaum bereit sein, sein aktuelles Wirtschafts- und Wachstumsmodell aufzugeben.
Wahrscheinlicher ist es, dass sich die USA und China auf einen bilateralen Deal ohne substanzielle Änderungen an Chinas Industriestrategie einigen. China dürfte versprechen, mehr Waren aus den USA, insbesondere Energie und landwirtschaftliche Güter, zu importieren. Voraussichtlich verständigen sich die USA und China zudem auf Regeln für die Bereiche Landwirtschaft, Dienstleistungen, nicht-tarifäre Handelshemmnisse, Schutz geistigen Eigentums, erzwungener Technologietransfer und Cybersicherheit. Tiefergreifende Reformen dürfte dies jedoch nicht umfassen. Auch ist mit einem schwachen Durchsetzungsmechanismus zu rechnen. Die USA würden zwar von einem verbesserten Marktzugang in China profitieren, die grundlegenden Probleme in der Beziehung zwischen den beiden Wirtschaftsmächten blieben aber ungelöst. Dennoch dürfte Trump ein solches Abkommen als Erfolg für sich verbuchen. Die Verhandlungsstrategie und das Abkommen könnten in der Folge Vorbildcharakter für die Verhandlungen der USA mit Japan und auch der EU entfalten. Die EU könnte in diesem Szenario zur Verliererin des Handelskonflikts werden. Die Weltwirtschaft hätte weiterhin mit Unsicherheiten zu kämpfen; Handelsumlenkungen wären die Folge. Auch die Blockaden in der WTO könnten nicht überwunden werden. Der multilateralen Handelsorganisation droht dann eine weitere Schwächung.

Im Worst Case schaffen es die USA und China nicht, sich auf ein Übereinkommen zu verständigen, und der Handelskonflikt eskaliert weiter. Dieses Szenario ist Anfang Mai mit der Anhebung der US-Zölle noch einmal wahrscheinlicher geworden. Dies wäre nicht nur für die beiden beteiligten Staaten ein Desaster, sondern auch für die EU und die Weltwirtschaft. Welthandel und weltweites Wirtschaftswachstum dürften deutlich gebremst werden, was gerade exportabhängige Länder wie Deutschland hart treffen würde. Die US-Wirtschaft ist zwar weniger abhängig von den Weltmärkten, doch würde ein Einbruch des Weltwirtschaftswachstums auch an den USA nicht spurlos vorüberziehen. Schon jetzt zeigten sich die Aktienmärkte wiederholt nervös. Präsident Trump sollte an einem solchen Ausgang wenig Interesse haben, insbesondere nicht vor den Präsidentschaftswahlen 2020. Umso mehr Trump allerdings innenpolitisch unter Druck steht, umso mehr wird er versuchen, das Augenmerk der Bevölkerung auf außenpolitische Konflikte zu lenken – und umso wahrscheinlicher wird dieses Szenario.

Ausblick: Das Dreiecksverhältnis USA-China-EU

Für die Trump-Administration ist die China-Politik der EU auch ein Lackmustest für die transatlantischen Beziehungen. Trumps handelspolitisches Team hat der EU wiederholt vorgeworfen, zu wenig gegen Chinas wettbewerbsverzerrende Praktiken zu tun. Mittlerweile zeichnet sich in der EU ein Paradigmenwechsel ab. Während noch vor wenigen Jahren die Hoffnung in der EU groß war, dass sich das Land weiter öffnen und letztlich zu einer Marktwirtschaft wandeln würde, ist der Ton gegenüber China deutlich rauer geworden. Dies zeigen nicht nur der strategische Ausblick der EU und die Erklärung des jüngsten EU-China-Gipfels, sondern auch der neue Rahmenplan für ein europäisches Investitionsscreening sowie die Debatte um Reziprozität im öffentlichen Auftragswesen. Bei der 5G-Infrastruktur haben die EU-Mitglieder zwar bisher chinesischen Unternehmen nicht komplett den Zugang verweigert, sondern nur einen Mix aus kleineren und größeren Restriktionen und Sicherheitsmaßnahmen eingeführt, aber die Debatte verschärft sich. Einige Mitgliedstaaten (inklusive Deutschland) fordern zudem eine einheitliche europäische Lösung.

Die neue China-Politik der EU bringt die transatlantischen Partner enger zusammen. Allerdings gibt es auch Grenzen für die transatlantische Zusammenarbeit. So ist das transatlantische Verhältnis selbst durch zahlreiche handelspolitische Konflikte belastet. Die USA erheben nicht nur Zölle auf Stahl und Aluminium aus der EU, sie drohen zudem mit Zöllen auf Fahrzeuge und Fahrzeugteile. Im April 2019 kündigte USTR Lighthizer an, im Streitfall um Subventionen für Airbus Strafzölle in Höhe von elf Mrd. US-Dollar zu verhängen.

Überdies sind die EU-Mitgliedstaaten durch Handel und ausländische Direktinvestitionen wirtschaftlich sehr eng mit China verflochten. Gerade in Deutschland ist die Abhängigkeit deutlich größer als in den USA. China wird auch in Zukunft ein wichtiger Markt für europäische Unternehmen bleiben. Ein de-coupling, wie es Trump vorzuschweben scheint, ist für die EU keine Option. Auch deswegen setzt die EU, anders als die Trump-Administration, stärker auf multilaterale Institutionen, rechtlich bindende Übereinkommen und Dialogformate.

Das größte Problem der EU ist jedoch, dass sie zurzeit noch weit von einer einheitlichen China-Politik entfernt ist. Besonders deutlich zeigt sich dies im unterschiedlichen Umgang der EU-Mitglieder mit Chinas Belt and Road Initiative. Die EU hat somit auch einige Hausaufgaben zu erledigen. In erster Linie müssen die EU-Mitglieder an einer kohärenten China-Politik arbeiten. Zudem muss die EU rigoros dafür eintreten, dass China seinen Versprechen aus der Erklärung des EU-China-Gipfels von Anfang April 2019 auch nachkommt. Auch sollte sich die EU weiterhin für einen konstruktiven Dialog über WTO-Reformen einsetzen – sowohl in der Trilateralen Initiative als auch im bilateralen Verhältnis zu China. Sie muss sich weiter für offene und regelbasierte Märkte stark machen, wobei die neue China-Politik nicht zu einem Protektionismus durch die Hintertür führen darf. Die EU darf nicht Zaungast in den USA-China-Verhandlungen bleiben. Ansonsten droht sie zur Verliererin des Dreiecksverhältnisses zu werden.

Bibliografische Angaben

Schmucker, Claudia, and Stormy-Annika Mildner. “Wenn Zwei sich streiten, verliert der Dritte.” May 2019.

DGAPkompakt 6, 16. Mai 2019, 6 S.

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