Kommentar

18. Mai 2018

„Stronger together“

Im Handelsstreit mit den USA sollten Deutschland und Frankreich gemeinsam eine europäische Politik vertreten

Die Europäer agieren im Handelsstreit mit den USA bisher falsch: Statt mit bilateralen Angeboten vorzupreschen, sollten Deutschland und Frankreich eine gemeinsame Linie finden, damit die EU ihre Macht von 28 Staaten nutzt und mit Washington auf Augenhöhe verhandeln kann. Paris und Berlin können damit beweisen, dass sie Europas gemeinsame Interessen ernst nehmen. Im Gespräch mit Washington sollte es um ein umfassendes Abkommen mit den USA gehen. Dabei sollten auch Handelsungleichgewichte offen angegangen werden.

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Nach dem US-Ausstieg aus dem Iran-Atomabkommen befürchten die Europäer nun die nächste Schockwelle aus Washington, und zwar den Ausbruch eines transatlantischen Handelskrieges. Grund dafür ist, dass US Präsident Trump am 23. März hohe Zölle auf Stahl- und Aluminiumimporte verhängte. Obwohl diese Maßnahme in erster Linie gegen China gerichtet war, sind auch Verbündete der USA, wie Kanada oder die EU-Mitgliedstaaten betroffen. Der europäische Stahlverband Eurofer geht davon aus, dass europäische Stahlexporte in die USA durch die Zölle halbiert würden.

Die EU wurde zunächst für einen Monat von den Maßnahmen ausgenommen. Ende April wurde die Ausnahmeregelung um einen weiteren Monat verlängert. Deadline ist nun der 1. Juni. Die USA wollen die Zölle nur dann endgültig aussetzen, wenn die EU ihnen in Handelsfragen entgegenkommt; dazu gehört u. a. eine Senkung der EU-Einfuhrzölle für amerikanische Autos. Sollte sich Trump tatsächlich für höhere Zölle entscheiden, könnte dies eine Spirale des Protektionismus in Gang setzen.

Eine Einigung ist jedoch möglich: Im konkreten Fall der Stahlzölle erwägt die Europäische Kommission, mit den USA eine Importquote zu vereinbaren, die bei 100 Prozent der jetzigen Stahleinfuhren steht. Auf diese Weise könnte die EU ihr jetziges Importniveau halten, während Trump einen Erfolg vorweisen könnte. Langfristig gesehen sind jedoch Gespräche über ein zukünftiges transatlantisches Abkommen unter gleichwertigen Partnern sinnvoll. Dafür müssen Deutschland und Frankreich eine gemeinsame Linie finden, andernfalls schwächen sie die EU und ihre Stellung als Global Player im Welthandel.

Alleingänge spielen der USA in die Hände

Bislang haben die Europäer im Handelsstreit mit den USA falsch reagiert. Für die Handelspolitik, eines der am stärksten integrierten Politikfelder der EU, ist die Europäische Kommission zuständig. Statt sich geschlossen auf eine gemeinsame Haltung gegenüber den USA zu einigen, preschen aber die beiden großen Mitgliedstaaten, Deutschland und Frankreich, im Alleingang voran. Der deutsche Wirtschaftsminister, Peter Altmaier, schlug Gespräche mit den USA über ein „TTIP light“ vor, das nur Industriezölle umfassen sollte. Diese Gespräche sollten die bestehenden Spannungen im transatlantischen Handel abbauen. Gleichzeitig will Deutschland durch das Angebot auch die deutsche Automobilindustrie schützen, die immer wieder ins Visier des US Präsidenten gerät.

Der französische Präsident bemüht sich zwar, die Freundschaft mit seinem amerikanischen Amtskollegen in einem guten Licht erscheinen zu lassen. Doch wenn es um Handel geht, vertritt Emmanuel Macron – im Gegensatz zu Deutschland – eine deutlich weniger konziliante Haltung. Frankreich unterstützt die Haltung der Europäischen Kommission, nach der es keinen Grund gibt, unter (ungerechtfertigtem) Druck zu verhandeln. Aber auch bei einem potentiellen transatlantischen Abkommen zeigen sich Risse im deutsch-französischen Zusammenschluss. Macron hat bereits angedeutet, dass er – wenn es zu Verhandlungen kommt – nicht nur über Industriezölle, sondern auch über nicht-tarifäre Handelshemmnisse in der Landwirtschaft und das öffentliche Auftragswesen verhandeln will. Zusätzlich will Macron nur noch Abkommen mit Partnern schließen, die den Pariser Klimaschutzvertrag unterstützen – zumindest im Idealfall, denn er wäre hier zu Zugeständnissen bereit.

Mit der Macht von 28 Staaten: Verhandlungen auf Augenhöhe

Die Divergenzen zwischen Deutschland und Frankreich schwächen die europäische Position und spielen der Politik der USA in die Hände, die einzelnen EU-Staaten auseinanderzudividieren. Es war das falsche Signal, dass die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und Präsident Macron im April einzeln nach Washington gereist sind, um das Thema zu besprechen. Daher darf es keine weiteren bilateralen Angebote wie ein „TTIP light“ geben. Trump kann sich mit dem Konzept der EU nur schwer abfinden. Gleichzeitig weiß er wohl, dass eine geschlossene Union die europäische Position stärkt. Wie er vor kurzem bei Macrons Besuch in Washington sagte: „Der Handel mit Frankreich ist kompliziert, weil wir die Europäische Union haben. Es wäre mir lieber, nur mit Frankreich zu verhandeln. Die Union ist sehr hart zu uns.“ Die EU muss genau die Macht der 28 Staaten als Stärke nutzen und somit auf Augenhöhe verhandeln. In Zukunft müssen Deutschland und Frankreich, gerade in der Handelspolitik, sich mit der Europäischen Kommission sehr eng abstimmen und geschlossen eine gemeinsame Position gegenüber Trump vertreten.

Eine Einigung in Handelsfragen ist ein wichtiger Test für die deutsch-französische Zusammenarbeit. Damit können Paris und Berlin unter Beweis stellen, dass sie gemeinsame europäische Interessen mittel- und langfristig ernst nehmen. Selbst wenn der Preis dafür ist, dass die nationalen Interessen kurzfristig zurückgestellt werden müssen. Ausgerechnet in Zeiten, in denen die Fliehkräfte in der EU zunehmen, wäre eine solche Einigung ein starkes Zeichen. Darüber hinaus wird ohne eine gemeinsame Linie der beiden größten Mitgliedstaaten der Erfolg der supranationalen europäischen Handelspolitik gefährdet. Um die Handelspolitik in Bezug auf die USA weiterzuentwickeln, müssen Deutschland und Frankreich eine gemeinsame Strategie erarbeiten. Drei Punkte sind dabei wichtig.

Dialog suchen, Ungleichgewichte ansprechen 

Erstens bleiben die USA trotz aller Rhetorik ein wichtiger Handels- und Investitionspartner für die EU, und umgekehrt. Insofern hat sich die wirtschaftliche Begründung für ein transatlantisches Abkommen – auch unter Trump – nicht geändert. Von einem Abbau von Handels- und Investitionsbarrieren würden beide Seiten profitieren. Daher sollte es im Umgang mit dem transatlantischen Partner grundsätzlich keine frontale Herangehensweise geben. Deutschland und Frankreich sollten hingegen die EU Kommission darin bestätigen, dass langfristig Gespräche über ein umfassendes Abkommen mit den Amerikanern von großer Bedeutung sind.

Paris sollte sich somit stärker der deutschen Position annähern und sich offener für Gespräche der EU mit den USA zeigen. Gleichzeitig sollte Berlin akzeptieren, dass es dabei um ein umfassendes Abkommen gehen soll, und eben nicht nur über Industriegüter, die Deutschlands Exportstärke ausmachen. Ziel muss es sein, die Beziehungen im Handel als Partner und nicht als Kontrahenten in einem Handelskrieg zu führen. Hier können auch die guten Beziehungen von Macron zum Weißen Haus für die europäischen Interessen genutzt werden. Zugegeben, die schwierigen TTIP-Gespräche würden unter US Präsident Trump und seiner protektionistisch ausgerichteten Handelspolitik wenig Aussichten auf Erfolg haben. Trotzdem lohnt es sich auszuloten, ob es Anknüpfungspunkte aus den vergangenen Verhandlungsrunden gibt, die langfristig weiterverhandelt werden können. In diesem Zusammenhang sollte auch der 2007 gegründete Transatlantic Economic Council (TEC) verstärkt genutzt werden, um auf Arbeitsebene über eine engere regulatorische Zusammenarbeit zu sprechen.

Zweitens müssen sich die Europäer aktiv dafür einsetzen, neue Regeln im internationalen Handel zu definieren und aktuelle Probleme auf multilateraler Ebene zu lösen. Die bestehenden Sorgen der Amerikaner in Bezug auf China sind berechtigt und werden auch von der EU geteilt; doch die Reaktion der USA, darauf mit Strafzöllen zu reagieren ist ein Schritt in die falsche Richtung. Das Problem der Stahlüberschüsse kann und sollte beispielsweise nicht bilateral, sondern multilateral im Rahmen des G20/OECD Global Forum on Steel Excess Capacity gelöst werden. Hierauf sollten Deutschland und Frankreich in Gesprächen mit den USA hinwirken.

In diesem Zusammenhang sollte es, drittens, auch eine Diskussion über die internationalen Handelsgleichgewichte geben. Dabei sollte Deutschland die amerikanische und europäische – dabei insbesondere die französische – Kritik an den dauerhaften und sehr hohen deutschen Exportüberschüssen ernst nehmen. Trumps Behauptung, dass ein Handelsdefizit ein Beweis für unfairen Handel ist, mag wirtschaftlich falsch sein. Tatsache ist jedoch, dass Deutschland die europäischen Regeln nicht einhält, nach denen die Handelsüberschüsse eines Mitgliedstaates sechs Prozent des BIP nicht überschreiten dürfen. Als Reaktion auf die Kritik seiner Partner reicht ein Verweis auf die deutsche Wettbewerbsfähigkeit nicht mehr aus. So könnte Deutschland seine Binnennachfrage durch stärkere Investitionen in die Infrastruktur und in digitale Netzwerke steigern und somit seine Überschüsse abbauen. Zumindest sollte es sich aber offener für Gespräche im Rahmen der EU, aber auch in transatlantischen und multilateralen Foren zeigen. Dass wäre ein wichtiges Entgegenkommen an Paris, Brüssel und Washington.

Dieser Text ist zuerst bei Tagesspiegel Causa am 18. Mai 2018 erschienen.

Bibliografische Angaben

Demesmay, Claire, and Claudia Schmucker. “„Stronger together“.” May 2018.

DGAPstandpunkt 14, 18. Mai 2018, 3 S.

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