Online Kommentar

13. März 2020

Lille: Starke Konkurrenz für die ehemalige Hochburg der Sozialisten

Martine Aubry
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In Lille führt die Sozialistin Martine Aubry seit 20 Jahren die Geschäfte im Rathaus. Und sie hat Chancen, für eine weitere Amtszeit gewählt zu werden – auch wenn sie hinter den Prognosen zurückblieb.

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„Ich werde nicht für eine vierte Amtszeit kandidieren“, versprach die Bürgermeisterin von Lille, Martine Aubry, im Wahlkampf der letzten Kommunalwahlen. 2020 kandidiert sie jedoch erneut für das Amt der Ersten Bürgermeisterin der Stadt. Was also ist passiert?

Die Situation der Linken in der Region Nord-Pas-de-Calais hat sich in den vergangenen sechs Jahren verschlechtert. Das rechtsextreme Rassemblement National hat sich auf einen Wahlsieg in den Städten des Bergbaugebietes, wie zum Beispiel Hénin Beaumont, eingestellt. In diesen Städten wurden ehemalige linke Bürgermeister wegen Korruptionsvorwürfen teils zu Gefängnisstrafen verurteilt. Auch die großen Städte Roubaix und Tourcoing haben sich politisch nach rechts verschoben. Selbst in Lille, einst historische Bastion der Sozialisten, hat die PS bei den letzten Parlamentswahlen weniger als neun Prozent der Stimmen erhalten.

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In diesem schwierigen Situation und weil keine andere linke Führungsfigur vorhanden war, forderten Parteifreunde Aubry daher auf, sich zur Wiederwahl zu stellen. Obwohl für die konservativen Républicains mit Marc-Philipe Daubresse auch ein ehemaliger Minister kandidiert, schien niemand Aubry ernsthaft gefährlich werden zu können. Dennoch blieb sie im ersten Wahlgang hinter den Prognosen von rund 37 Prozent zurück und erhielt lediglich 29,8 Prozent der Wählerstimmen. Für Dynamik sorgte der derzeitige stellvertretende Bürgermeister Stéphane Baly von den Grünen: Er folgt mit 24,5 Prozent der Wählerstimmen auf dem zweiten Platz. Violette Spillebout, eine ehemalige Mitarbeiterin von Martine Aubry und jetzt Kandidatin für La République en Marche, kam auf 17,5 Prozent, der konservative Daubresse nur auf 8,2 Prozent. Das Rassemblement National erhielt in der Stadt Lille lediglich 6,8 Prozent der Stimmen.

Unter diesen Bedingungen und in dem Wissen, dass die Grünen in der zweiten Runde die derzeitige Mehrheit der Allianz zwischen PS und Grünen erneuern könnten, wird ein Sieg von Aubry im zweiten Wahlgang wahrscheinlich.

Die von Aubry in Lille geführte Mitte-Links-Koalition scheinen die Einwohner zu schätzen: die Restaurierung des alten Zentrums, der Ausbau von Tourismus und Kultur sowie die Entwicklung neuer technologischer Exzellenzzentren von europäischem Ausmaß (Eurasanté, Euratechnologie). Dieser zu erwartende Sieg sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die anhaltende Präsenz der PS in Lille zu einem großen Teil der Popularität von Aubry zu verdanken ist. Außerdem ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Verwaltung der Metropole Lille, zu der alle Städte des Ballungsraums gehören, Gérald Darmanin von La République en Marche zufällt. Er kandidiert für seine Wiederwahl in der Stadt Tourcoing und ist derzeit als Haushaltsminister. Auch wenn Aubry in Lille klar gewinnt, bleibendie politischen Verhältnisse kompliziert.  

 

Bibliografische Angaben

Autor des Textes ist Xavier de Glowczewski.

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